Preisabsprachen:Lkw-Herstellern droht größte EU-Kartellstrafe der Geschichte

Stau auf der Köhlbrandtbrücke

Lastwagen bei einem Stau auf der Köhlbrandbrücke im Hafen von Hamburg.

(Foto: dpa)
  • Sechs große Lkw-Hersteller sollen über Jahre hinweg Preise abgesprochen und die Einführung neuer Technologien verschleppt haben.
  • Die EU-Kommission ermittelt wegen eines Kartellverdachts gegen sie - und wird voraussichtlich eine extrem hohe Strafe verhängen.
  • Auch die VW-Marken MAN und Scania sind betroffen.

Von Vivien Timmler

Sechs große Lkw-Hersteller müssen wohl mit dem größten Kartell-Bußgeld rechnen, das je verhängt wurde. Die EU-Kommission wirft Daimler, MAN, Scania, DAF, Iveco und Volvo/Renault vor, über Jahre hinweg Preise abgesprochen und die Einführung neuer Emissionstechnologien verschleppt zu haben.

Gemeinsam haben die sechs Lkw-Hersteller einen Marktanteil von nahezu 100 Prozent; in Europa gibt es keine größeren Wettbewerber. Aus diesem Grund habe das angebliche Kartell laut der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager möglicherweise viele kleinere Unternehmen geschädigt, die auf die Lastwagen angewiesen sind. Zudem hätten die Absprachen, die laut der Financial Times zwischen 1997 und 2011 stattgefunden haben, sowohl den Straßentransport als auch jegliche Transportgüter von Lebensmitteln bis Möbeln verteuert.

Hersteller haben bereits 2,6 Milliarden zur Seite gelegt

Die Ermittlungen gegen die sechs Hersteller dauern bereits Jahre an, erste Durchsuchungen gab es bereits im Jahr 2011. Nun aber heißt es der FT zufolge aus Kommissionskreisen, eine Entscheidung über die Strafen solle noch in diesem Jahr, möglicherweise schon innerhalb der kommenden Wochen fallen. EU-Kommissarin Vestager hatte bereits angekündigt, dass die Hersteller sich keine Hoffnungen auf eine Einigung machen bräuchten: "Nach meiner Einschätzung werden Vergleiche extrem schwierig."

Vorsorglich haben die Hersteller aus diesem Grund bereits 2,6 Milliarden Euro zurückgelegt. 850 Millionen davon entfallen auf den Hersteller DAF, 600 Millionen auf Daimler, rund 450 Millionen hat Iveco, weitere rund 400 Millionen hat Volvo zurückgelegt. Der Hersteller MAN, der zur Volkswagen AG gehört und damals maßgeblich an der Aufdeckung der vermeintlichen Kartellvorgänge beteiligt war, wird möglicherweise einer Strafe entgehen. Nur Hersteller Scania, der ebenfalls zum Volkswagen-Konzern gehört, hat der FT zufolge kein Geld zur Seite gelegt.

Nach EU-Rahmenbedingungen könnte die Strafe gegen die Hersteller jedoch noch deutlich höher ausfallen. Demnach sind Strafen von bis zu zehn Prozent ihres Jahresumsatzes möglich, was bei den involvierten Firmen eine Summe von etwa 10,7 Milliarden Euro ausmachen würde.

Vestager vergleicht Kartellfall mit Verfahren gegen Google

Mit einer solchen Summe würde die Strafe das bisherige Rekord-Bußgeld, das je wegen eines Kartellvergehens verhängt wurde, leicht übertreffen. Im Jahr 2012 war gegen ein Kartell von Produzenten von Fernseh- und Computermonitorröhren eine Strafe von 1,4 Milliarden Euro verhängt worden.

Darüber hinaus verglich Vestager das Verfahren gegen die Lkw-Hersteller bereits mit ihren laufenden Auseinandersetzungen mit Google. Auch dem US-Konzern droht eine Milliardenstrafe aus Brüssel. Vestager ist der Auffassung, dass der Konzern mit seinem Smartphone-Betriebssystem Android "den Verbrauchern eine größere Auswahl an mobilen Anwendungen und Dienstleistungen vorenthält, Innovationen anderer Unternehmen bremst und damit gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt".

Außerdem verdächtigt Vestager Google, mit seiner Suchmaschine eigene Angebote zu bevorzugen und so Millionen von Nutzern auf die Preisvergleichsseite "Google Shopping" zu lenken - obwohl andere Anbieter womöglich niedrigere Preise und eine größere Auswahl bieten. Der Fall gilt jedoch als extrem aufwändig, weshalb sich Vestager vorerst mit Android befasst. Am Ende könnten für den amerikanischen Konzern beide Verfahren teuer werden: Es sind Strafen von bis zu zehn Prozent des Google-Umsatzes im vergangenen Jahr möglich, das würde bedeuten: 7,4 Milliarden Dollar.

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