P&R:Suche nach dem Phantom

Grünwald, Firma P&R Container,

P&R-Zentrale in Grünwald bei München: schon früher Hinweise auf fehlendes Kapital.

(Foto: Angelika Bardehle)

Zehntausende Anleger bangen um Geld, das sie über P&R in Schiffscontainern angelegt haben. Aber hätte die Firma überhaupt Insolvenz anmelden müssen?

Von Jan Willmroth und Markus Zydra, Frankfurt

Heinz Roth ist der Mann, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Er gründete vor 40 Jahren den Finanzvertrieb P&R und ist bis heute Eigentümer, er machte die Firma zusammen mit Geschäftspartnern groß. Roth hat sehr viel Geld verdient, es ist von zweistelligen Millionenbeträgen pro Jahr die Rede. Im jüngsten Prospekt, mit dem P&R noch Anfang 2018 bei Kunden Geld für Anlagen in Schiffscontainer eingeworben hat, liest man, dass dem "Gründungsgesellschafter" bis Ende 2023 "mindestens" noch 133,6 Millionen Euro zustünden.

P&R hat vergangene Woche Insolvenz angemeldet. Und Roth? Ist unter- oder gar nicht erst aufgetaucht. Mehr als 50 000 Anleger fürchten um insgesamt 3,5 Milliarden Euro. Doch von dem Mann, der vielleicht alles erklären könnte, ist kein Wort zu vernehmen. Kaum jemand kennt ihn. Fotos des Unternehmers sucht man im Netz und in Archiven vergeblich. Roth wirkt wie ein Phantom, auch in der Container-Szene gibt kaum jemand an, ihn zu kennen. Das ist seltsam: P&R ist nicht nur seit Jahrzehnten in diesem Geschäft, das in Deutschland nur wenige betreiben. Roths Firmen haben auch viel mehr Geld eingesammelt als die Konkurrenz.

"Wir alle können das nicht verstehen", heißt es bei einem der Wettbewerber

Um die zehn Milliarden Euro hatten Privatanleger seit der Jahrtausendwende bei dem Finanzdienstleister investiert. Sie wurden zu Eigentümern von Schiffscontainern, kassierten Mieten und ließen sich die Container nach einigen Jahren von P&R abkaufen. Nachsteuer-Renditen zwischen drei und vier Prozent ließen das aussehen wie ein solides Geschäft. P&R war kein Marktschreier, die Kundenbindung wuchs über Jahre. Familien haben investiert, erst der Vater, dann der Sohn, oft hohe Summen. Man hatte Vertrauen, obwohl P&R stets intransparent agierte und das operative Geschäft in einer Schweizer Gesellschaft bündelte, über die es kaum Informationen gibt.

Nun sind drei der vier deutschen Gesellschaften von P&R nach all der Zeit plötzlich zahlungsunfähig. Die Pleite kam am Ende überfallartig, nachdem erste Mietzahlungen ausgeblieben waren.

Aber hätte P&R überhaupt Insolvenz anmelden müssen? Das fragen sich jetzt viele: Finanzvermittler, Vermögensberater und vor allem die Konkurrenz. "Wir alle können das nicht verstehen", heißt es bei einem der Wettbewerber von P&R unter der Bedingung, nicht namentlich genannt zu werden. "Eine Insolvenz ist für Anleger immer sehr teuer. Es hätte wahrscheinlich andere Optionen gegeben." Denn der Containermarkt läuft prima, seit die globale Wirtschaft wieder wächst und die Stahlpreise sich stabilisiert haben. Entsprechend gut gelaunt sind die Wettbewerber. Mit Blick auf P&R aber stehen sie vor einem Rätsel - und wollen sich lieber nicht an öffentlichen Spekulationen beteiligen.

Derzeit müssen vor allem jene Anleger um ihr Geld fürchten, die vor dem Jahr 2017 bei den drei nun insolventen P&R-Tochtergesellschaften investiert haben. Letztere hätten eine drohende Zahlungsunfähigkeit theoretisch abwenden können: Erstens, indem sie die Anleger bitten, geringere Mieten zu akzeptieren. Die Höhe der Mietzahlungen war zwar stets vertraglich garantiert. Aber um eine Insolvenz zu verhindern, hätte die Mehrheit der Anleger wohl einen Verzicht mitgemacht. Zweitens war der Container-Rückkauf bis auf einige Ausnahmen nicht garantiert. P&R hätte also anstehende Rückkäufe aussetzen oder den Anlegern weniger auszahlen können, als ursprünglich in Aussicht gestellt.

Beide Maßnahmen wären für Anleger wohl günstiger ausgegangen als eine Insolvenz. War dieser Schritt nötig? "Es existiert eine gesetzlich klar vorgegebene Frist, in der bekannt zu geben ist, ob Zahlungsverpflichtungen nicht eingehalten werden können", heißt es seitens P&R. Die derzeit oft zitierte Frist von drei Wochen sei als maximal mögliches Zeitfenster zu bewerten, dass nicht in jedem Fall voll ausgeschöpft werden dürfe. "P&R hat also die vorgegebenen kurzen Fristen eingehalten", teilt ein Sprecher mit.

Auch die Rolle der Finanzaufsicht Bafin verdient einen näheren Blick. Die Bonner Behörde ist seit 2017 dafür zuständig, die Prospekte von Direktinvestment-Anbietern wie P&R zu prüfen. Man prüfe nur formal, ob die Berichte vollständig und die Informationen korrekt seien, betont die Bafin. Die behördliche Absegnung des Prospekts dürfe man nicht als Gütesiegel missverstehen. Die einschlägige EU-Verordnung sieht indes vor, dass eine Aufsichtsbehörde Vertrieb und Verkauf eines Produkts verbieten kann, wenn dieses "erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwirft".

Diese Bedenken gab es durchaus. Die Zeitschrift Finanztest hatte bereits im Sommer 2017 die Probleme bei P&R unter die Lupe genommen. Darin kam die Mietunterdeckung bei P&R zur Sprache und die Prognose, dass es für das Unternehmen eng werden könnte, wenn nicht kräftig neue Anlegergelder hereinkämen. Der jüngste Anlageprospekt, der noch im Januar veröffentlicht wurde, enthält zudem lediglich eine Bilanz mit "vorläufigen" Zahlen der Schweizer P&R-Tochter, die Kauf und Verkauf der Container organisiert. Warum hat die Bafin damals nichts unternommen, und stattdessen die Prospekte für 2018 genehmigt und die Produkte für den Vertrieb freigeben - so kurz vor dem Insolvenzfall?

Intransparenz könne zwar als Kriterium herangezogen werden, um erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz festzustellen, räumt die Bafin ein. "Das Transparenzniveau im Bereich Direktinvestments ist durch die prospektrechtlichen Vorschriften (etwa im Vermögensanlagengesetz) allerdings festgelegt und Anlegern damit auch bekannt", schreibt eine Sprecherin. Bei Direktinvestments ergäben sich zusätzlich zu den Produktrisiken auch unternehmerische Risiken; Anleger seien diesen produktimmanenten erhöhten wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt. "Für eine Produktinterventionsmaßnahme reichen diese aber gerade nicht aus", heißt es. Der Fall P&R war also schon länger Thema in Bonn - zu Verfahrensdetails aber, sagt die Behörde, dürfe man sich nicht äußern.

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