Potash will übernehmen:Der Kali-Poker

Der kanadische Konzern Potash will das kleinere deutsche Dax-Unternehmen K+S übernehmen, aber Management, Belegschaft und Politiker lehnen das ab.

Von Helga Einecke, Frankfurt

Man kennt sich. Jochen Tilk und Norbert Steiner leiten große Bergbauunternehmen, die sich so nennen wie ihre Produkte. Tilk führt die kanadische Potash, und potash ist das englische Wort für Kali. Steiner leitet die nordhessische Kali und Salz, kurz K+S. Die globale Kaliwelt ist klein, denn sie wird von einer Handvoll Unternehmen beherrscht. Da läuft man sich schnell über den Weg. Die beiden haben im Herbst und im Februar wohl schon das Thema gestreift, ob Potash und K+S eins sein könnten. Die schriftliche Blaupause dazu lieferte die ungleich größere Potash im Mai nach Kassel frei Haus. Steiner aber lehnt diesen Plan ab. Er sorgt sich, die Kanadier könnten K+S zerschlagen, Gruben schließen, viele der 14 000 Arbeitsplätze abbauen. Der Jurist arbeitet seit 22 Jahren in Kassel, acht Jahre lang als Chef.

Steiner, 60, lässt sich nicht leicht aus der Fassung bringen. Er hat schon viel erlebt und bewegt, war auch dabei, als Potash die Deutschen schon einmal übernehmen wollte. 1997 war das, Steiner war da Chefjustiziar. Der vom damaligen Eigentümer BASF eingefädelte Deal platzte am Widerstand von Politik und Wettbewerbshütern. Heute liegen die Dinge anders. K+S und Potash bieten unterschiedliche Produkte, ihre Absatzgebiete haben kaum Überschneidungen. K+S ist seit dem Börsengang in Händen vieler Anteilseigner, und diese Konstellation spielt den kanadischen Umarmungstaktikern in die Hände.

a man looks out over an mid growth barley field next to potash hopper rail cars near Carman Manito

Güterzug des Rohstoffkonzerns Potash in der Nähe des kanadischen Ortes Carman in der Provinz Manitoba.

(Foto: imago stock&people)

Tilk, 51, wird von seiner Umgebung als typisch deutscher Ingenieur beschrieben. Soll heißen: alles ist machbar, wenn man nur lange genug bohrt. Gelernt hat er das im Saarland, wo er zur Schule und in die Lehre ging. In eine harte Lehre mit obligatorischem Einsatz unter Tage, um Erz, Kohle, Salz herauszuholen. Sein Abschluss eines sogenannten Bergbaubeflissenen ringt Insidern Respekt ab. Tilk setzte noch ein Bergbaustudium in Aachen oben drauf und arbeitete in Brasilien, USA und seit 1989 in Kanada für Rohstoffunternehmen.

Erst seit einem Jahr leitet er Potash, ein Unternehmen, das die Kanadier aus nationalem Interesse vor dem Griff des australischen Rohstoffkonzerns BHP Billiton bewahrten. Aber auch ein Unternehmen, das die sinkenden Kalipreise zu spüren bekam, als vor zwei Jahren die russisch-weißrussische Allianz aus Uralkali und Belaruskali auseinanderbrach. Schlimmer noch, Konkurrenten graben praktisch vor der Potash-Haustür nach Kali, auch weil es in Kanada sehr große Vorkommen gibt.

K+S gehört dazu. Das drei Milliarden Euro teure Projekt Legacy im Süden der kanadischen Provinz Saskatchewan soll Ersatz bieten, wenn die deutschen Kaligruben versiegen. Und auf genau diese neue Mine ist Potash besonders scharf. Steiner beließ es nicht bei Legacy. Er forcierte das Geschäft mit Spezialitäten, die höhere Renditen erbringen, auch weil die deutsche Produktion erheblich mehr kostet, als die der ausländischen Konkurrenz. Und er tarierte das volatile Kaligeschäft mit der Sparte Salz aus, wo K+S weltweit führt. Steiner mag ein trockener Jurist sein, unter Tage blüht er auf, behandelt seine Kumpel-Mannschaft jovial, zeigt aber auch deutlich, dass er der Boss ist.

"Es ist nicht im hessischen Interesse, wenn K+S einem kanadischen Konzern gehörte."

Mit Tilk teilt er also die Begeisterung für den Bergbau. Anders als der Marathon laufende und BMW fahrende kanadische Konkurrent, lässt er es ruhig angehen, pflegt Familienleben und eher bescheidene Hobbys wie Modellbahnen. Sein Nein zur Offerte von Potash fällt deutlich aus. Der gebotene Preis in Höhe von 7,85 Milliarden Euro sei zu niedrig, etwa zehn Milliarden Euro entspreche dem wahren K+S-Wert. Steiner befürchtet den Verkauf der Salzsparte, die Schließung der teuren deutschen Gruben, kurz, die Vernichtung seiner ausgefeilten Strategie, die der relativ kleinen K+S das Überleben zwischen großen Anbietern in Ost und West sicherte. In seiner Antwort müht sich Potash-Chef Tilk, diese Ängste zu zerstreuen. Weder wolle er Minen schließen, noch die Produktion drosseln, noch das Salzgeschäft verkaufen oder Personal abbauen. Vielmehr gehe es ihm darum, aus zwei Unternehmen mit minimalen Überschneidungen einen globalen Nährstoffproduzenten zu schmieden, der Investoren, Kunden, Mitarbeitern und Standorten beider Unternehmen langfristig nutze. Diversifiziert und integriert heißt das im schönsten Managersprech. Turbulenzen am Kalimarkt könnten so besser überstanden werden.

Aktionäre, Investoren und Analysten befeuern den - bislang freundlichen - Schlagabtausch zwischen Saskatoon in der kanadischen Provinz Saskatchewan und Kassel mit steigenden Kursen und Kaufempfehlungen. Über die Erfolgsaussichten der Offerte gehen die Meinungen auseinander. Viele rechnen mit einem langen Poker, teils freundlich, teils feindlich.

Alarmiert sind Politiker, die Belegschaft und die Gewerkschaften. "Es ist nicht im hessischen Interesse, wenn K+S einem kanadischen Konzern gehören würde", sagte der grüne hessische stellvertretende Ministerpräsident Tarek Al-Wazir. Bodo Ramelow, Ministerpräsident im benachbarten Thüringen, in dem ein Teil der K+S-Kaligruben liegen, droht mit strengeren Umweltauflagen. Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft BCE und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von K+S, bewertet die Offerte "nicht positiv". Immerhin macht Al-Wazir der Belegschaft Mut: "Ich glaube, wir haben gute Chancen, dass am Ende K+S ein hessisches Unternehmen im Dax bleibt."

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