Post:52 heiße Tage

Poststreik

Jetzt wieder unterwegs: Gelbe Postautos an einem Verteilzentrum in der Nähe von Hannover.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Mitarbeiter der Post haben einen harten Arbeitskampf geführt - und doch heißt am Ende der Gewinner Konzernchef Frank Appel.

Von Caspar Busse

Frank Appel, 53, wusste, was auf ihn zukommt. "Unangenehm" würden die anstehenden Tarifverhandlungen werden, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post im Sommer vergangenen Jahres. Und: "Wir zahlen heute unseren Mitarbeitern teilweise doppelt so viel wie unsere Wettbewerber. Deshalb werden wir uns damit beschäftigen müssen, ob neue Mitarbeiter das gleiche Gehaltsniveau haben können wie die, die schon 30 Jahre dabei sind." Was daraus folge, werde" nicht allen gefallen", fügte der studierte Neurobiologe damals noch kühl an.

Dass daraus einer der härtesten Arbeitskämpfe in jüngerer Zeit werden könnte, damit aber hatte Appel wohl nicht gerechnet. Insgesamt 52 Tage - inklusive der vielen Warnstreiks seit Ostern - befanden sich die Post-Mitarbeiter im Ausstand. In den vergangenen vier Wochen waren sie im unbefristeten Streik, zuletzt beteiligten sich mehr als 30 000 Beschäftigte. Millionen Briefe und Pakete blieben liegen - jeden Tag. Der Schaden war immens, für die Kunden der Post, für das Unternehmen selbst und für den innerbetrieblichen Frieden, aber auch für die Gewerkschaft Verdi, deren Streikkasse dadurch arg strapaziert wurde.

Eine Einigung wurde dann im beschaulichen Kurort Bad Neuenahr im Norden von Rheinland-Pfalz gefunden. Am Sonntagabend gaben die Kontrahenten nach 40 Stunden Verhandlungen einen Kompromiss bekannt. "Dies ist ein guter Tag für die Deutsche Post, ihre Kunden und Mitarbeiter", teilte Appel danach mit. In Wirklichkeit kann sich das ehemalige Staatsunternehmen aber als der Sieger dieser Auseinandersetzung fühlen. Denn die Deutsche Post hat sich nahezu auf ganzer Linie durchgesetzt. Die Gründung der insgesamt 49 Regionalgesellschaften in der Paketzustellung, die sogenannten Deliverys, wurde nicht rückgängig gemacht. Das hatte Verdi vehement gefordert, das war auch der Grund, warum sich so viele Mitarbeiter etwa aus der Briefzustellung solidarisch zeigten und mitstreikten.

In den Deliverys werden neue Mitarbeiter deutlich schlechtergestellt als die bisherigen Paketzusteller, wenn diese auch immerhin fest angestellt werden. Nach Angaben der Post erhält ein Paketzusteller nach Post-Haustarif durchschnittlich 17 Euro in der Stunde, wobei die Entgelte zwischen zwölf und 20 Euro variieren. Die neuen Delivery-Firmen zahlen dagegen nach Logistiktarif und damit nur durchschnittlich 13 Euro beziehungsweise zwischen 10,50 und 18 Euro je Stunde, außerdem sind die Arbeitszeiten mitunter länger. Die Post-Konkurrenten in der Paketauslieferung liegen auch noch deutlich darunter, mit manchmal nur 8,50 bis neun Euro pro Stunde.

Verdi verkauft nun als Erfolg, dass dieses Modell nur für neue Mitarbeiter gelte und auch nicht auf andere Bereiche übertragen werde. Dies hatte die Deutsche Post allerdings bisher auch nicht explizit vor. Bislang haben die Deliverys etwa 6500 Mitarbeiter, diese Zahl soll nun laut Post-Personalchefin Melanie Kreis über Neueinstellungen deutlich erhöht werden, in fünf Jahren auf bis zu 20 000. Denn wegen des Booms im Internethandel steigt das Paketvolumen nach wie vor deutlich.

Auch der gefundene Tarifabschluss für alle rund 140 000 Post-Mitarbeiter in Deutschland ist durchaus als moderat zu bezeichnen. Im Detail sieht die Einigung eine Einmalzahlung von 400 Euro zum 1. Oktober 2015, eine Lohnerhöhung um zwei Prozent im Jahr 2016 und eine Erhöhung von 1,7 Prozent ein weiteres Jahr später vor, wie Verdi und Post mitteilten. Der Abschluss läuft ungewöhnlich lang, die Wochenarbeitszeit soll bei 38,5 Stunden bleiben, Verdi hatte auf 36 Stunden gedrängt. Zudem soll bis mindestens 2018 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden. Im Paketgeschäft ist dagegen angesichts des zu erwartenden steigenden Geschäftes ohnehin ein Aufbau geplant.

Die Deutsche Post ist inzwischen eins der größten Logistik-Unternehmen der Welt. In Deutschland betreibt sie das Paket- und Briefgeschäft, international sind die Bonner vor allem auf lukrative Expresssendungen, also die spezielle schnelle Zustellung von Paketen und Briefen meist über Nacht, konzentriert. Der Konkurrenzdruck wächst. Zuletzt hatte der amerikanische Anbieter Fedex angekündigt, den europäischen Konkurrenten TNT zu übernehmen. Damit würde für die Post in Europa ein neuer starker Rivale entstehen. Die Deutsche Post ist im Express-Bereich in Europa und Asien derzeit die Nummer eins, gefolgt von UPS und Fedex.

Wie sehr der Ausstand die Deutsche Post finanziell getroffen hat, dürfte Appel Anfang August anlässlich der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen mitteilen. Der Schaden könnte im zweistelligen Millionenbereich liegen. Der Konzern hatte zuletzt von steigenden Umsätzen und Gewinnen berichtet und auch die Dividende erhöht. Mit mehr als 480 000 Mitarbeitern weltweit ist das Unternehmen einer der größten privaten Arbeitgeber.

Der Streik wird nun von diesem Dienstag an auch offiziell beendet. Der Normalbetrieb soll so schnell wie möglich wieder hergestellt werden, teilte die Post mit. In den vom Streik besonders schwer getroffenen Regionen wie einigen deutschen Großstädten könne es auch etwas länger dauern, hieß es. Die Investoren bewerteten das Verhandlungsergebnis jedenfalls positiv: Die Post-Aktie legte am Montag zunächst um rund vier Prozent zu.

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