Porträt:Mann mag's bunt

Sven Hagströmer ist ein politischer Banker und Finanzinvestor. Der Schwede versteht nicht, warum Vorstände weltweit Frauen ausgrenzen. Seine Strategie: Konzerne anprangern.

Von Andrea Rexer

Es gibt nicht viele Männer, die sich offen als Feministen bezeichnen. "Sind Sie etwa nicht für gleiche Rechte für alle Menschen?", pflegt Sven Hagströmer auf die F-Frage zu antworten und übertrieben entsetzt die Augenbrauen nach oben zu ziehen. "Ich verstehe gar nicht, wie man nicht Feminist sein kann." Und schon sprudelt aus dem erfolgreichen schwedischen Investor heraus, warum Unternehmen nur erfolgreich sein können, wenn sie die besten Leute einstellen - und dazu gehören nicht nur, aber auch Frauen. "Deutschland ist ein innovatives Land. Aber es könnte doppelt so innovativ sein, wenn es auch die andere Hälfte der gut ausgebildeten Leute einsetzen würde", sagt Hagströmer.

Das Thema Vielfalt im Management ist ihm so wichtig, dass er 2010 in Schweden eine Stiftung gegründet hat: "Allbright" nannte er sie, was vermitteln soll, dass es um die klügsten Köpfe geht. Die Stiftung hat in Schweden so großen Erfolg, dass sie 2016 in Deutschland ihre erste Auslandsniederlassung eröffnet hat. Nach einer Podiumsdiskussion in der schwedischen Botschaft in Berlin hatten ihn so viele deutsche Frauen umringt und von ihren persönlichen Erfahrungen berichtet, dass er die Stiftung nach Deutschland bringen wollte. Ganz offensichtlich gibt es dort Bedarf, war sein Gedanke. Immer wieder ist er in Deutschland unterwegs, um für sein Anliegen zu werben. Ein paar Worte Smalltalk bestreitet er auf Deutsch, erzählt, dass er sein Schuldeutsch bei einem Kurs am Chiemsee aufgefrischt hat.

In Schweden ist Hagströmer bekannt wie ein bunter Hund. Als Fondsmanager und Finanzinvestor hat er ein Vermögen aufgebaut, hat zwei Banken gegründet, als Wagniskapitalgeber trat er im schwedischen Fernsehen in der Show "Höhle des Drachen" auf, das Pendant zur deutschen TV-Show "Höhle der Löwen", wo Start-ups öffentlich um Investorengelder buhlen. Man kann sich gut vorstellen, dass Hagströmer das Fernsehpublikum gut unterhält. Er springt von einem Thema zum nächsten, nie um einen klaren Standpunkt verlegen, immer zu einer guten Pointe aufgelegt. Auch in die politischen Diskussion in Schweden mischte sich Hagströmer immer wieder ein. Einerseits als entschiedener Kritiker der Gemeinschaftswährung Euro, aber andererseits als passionierter Europa-Anhänger. In der schwedischen Öffentlichkeit hat Hagströmers Wort auch deswegen Gewicht, weil er selbst als Unternehmer so erfolgreich ist. Auf der Forbes-Liste taucht er unter den hundert Reichsten des Landes auf.

Sven Hagströmer

Er hat die Allbright-Stiftung und zwei Banken gegründet: Hagströmer, hier in Stockholm, ist in seiner Heimat Schweden sehr bekannt.

(Foto: Jonas Eriksson)

Und dann ist da noch seine Nähe zum Wallenberg-Clan. Der einflussreichen Familiendynastie Schwedens gehören Unternehmen wie der Rüstungskonzern Saab, oder die SEB-Bank. 25 Jahre lang hat Sven Hagströmer das Erbe von Raoul Wallenberg verwaltet und eine Stiftung zur Förderung von Zivilcourage gegründet, die dessen Namen trägt. Sein Vater ist Cousin zweiten Grades des schwedischen Nationalhelden, der Juden vor der Verfolgung der Nazis gerettet hat. "Er ist mein Vorbild", sagt Sven Hagströmer. Als Familienmitglied der Wallenbergs will sich Hagströmer nicht zählen, zu weitläufig ist die Verwandtschaft, und Raoul gehört nicht zum wohlhabenden Teil der Familie, wie Hagströmer augenzwinkernd anmerkt. Aber Tradition und Familie sind für ihn "der Kern des Lebens", wie er sagt. An seinem kleinen Finger trägt er einen Wappenring.

Ein hoher Stellenwert der Familie und ein modernes Frauenbild sind für ihn kein Widerspruch. Das mag einerseits kulturell bedingt sein: auf der ganzen Welt gilt Schweden als Musterbeispiel für Gleichberechtigung. Und dennoch ist auch in Schweden nicht selbstverständlich, dass Frauen einen Posten im Vorstand bekommen. "Die Zahlen sind etwas besser als in Deutschland, das stimmt, aber wir sind lange nicht so perfekt, wie die Deutschen glauben", sagt Hagströmer. Auch in Schweden sei es so, dass es mehr Männer mit dem Namen Ansgar in den Vorständen gebe als Frauen - das hat die Allbright-Stiftung gezählt. In Deutschland heißen diese Männer Thomas.

Dass Schweden Deutschland dennoch ein Stück voraus ist was die Chancen von Frauen auf Top-Jobs angeht, führt Hagströmer darauf zurück, dass die schwedischen Sozialdemokraten schon in den Siebzigerjahren damit begonnen haben, die gut ausgebildeten Frauen in Jobs zu bringen - nicht, um den Frauen etwas Gutes zu tun, sondern um die Familieneinkommen zu erhöhen. Den Hinweis, dass er selbst sicher kein Sozialdemokrat sei, kann sich Hagströmer dennoch nicht verkneifen.

Sven Hagströmer

"Sind Sie etwa nicht für gleiche Rechte für alle Menschen? Ich verstehe gar nicht, wie man nicht Feminist sein kann."

Aber warum sollte Frauenförderung auch kein Anliegen eines Konservativen sein? "Es muss jeden Unternehmer interessieren, der rechnen kann", sagt Hagströmer. Gemischte Führungsteams kommen auf bessere Ideen. "Das verbessert die Performance", sagt er. Performance, ein Wort aus der Welt der Finanzinvestoren, meint nichts anders als Erfolg. Und Erfolg ist Hagströmers Währung.

Einen Eingriff der Politik, meint er, brauche es nicht, wenn die Unternehmer diese Lektion endlich verstünden. Deswegen glaubt er nicht an Quoten, in unternehmerische Entscheidungen habe sich der Staat nicht einzumischen. Ihm geht es um Bewusstseinsbildung. "Wir arbeiten mit dem Prinzip Naming and Shaming". Soll heißen: Unternehmen, die keine Frau im Management haben, landen auf der schwarzen Liste der Stiftung. Auf der doppeltschwarzen Liste steht, wer weder in Aufsichtsrat noch Management eine Frau hat. Nur wer mindestens 40 Prozent Frauen im Vorstand hat, erhält einen Platz auf der weißen Liste. In Deutschland steht dort nur ein einziges börsennotiertes Unternehmen: die Aareal-Bank. Tja, was sollen Frauen, die Ambitionen auf eine Führungsposition haben, angesichts dieser Listen tun? "Sie sollten sich bei Unternehmen bewerben, die zumindest ein paar Frauen im Management haben. Da stehen die Chancen einfach besser, nach oben zu kommen." Auf die Art und Weise würden die Besten bei den Unternehmen landen, die verstanden haben, dass Frauenförderung gut fürs Geschäft ist.

Eine Stiftung für Zivilcourage, eine für Gleichberechtigung, daneben noch Unterstützung für Qualitätsjournalismus im Rahmen des Blankspot-Projekts - warum macht Tausendsassa Hagströmer all das? "Jeder will doch Gutes tun", sagt er vehement und zieht bei Widerspruch erstaunt in seiner typischen Art die Augenbrauen hoch. Für ihn ist das Normalität.

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