Porträt:Feld statt Welt

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt

Von allen Seiten prasseln Forderungen auf Christian Schmidt ein. Die Bundesländer auf der einen, die Agrarwirtschaft auf der anderen Seite.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Agrarminister Christian Schmidt will in Brüssel die Milchkrise lösen - aber ohne die Bauernlobby zu verärgern.

Von Kristiana Ludwig

Neulich kümmerte sich Christian Schmidt, Bundeslandwirtschaftsminister der CSU, um die Lösung des Nahostkonflikts. Schmidt war mit Wirtschaftsvertretern nach Iran gereist, in einen Staat, in dem es trockene Sandböden gibt und Judenhass. "Ich kenne da ein Land, das sich mit Wasserressourcen gut auskennt", sagte er zum iranischen Landwirtschaftsminister: "Israel."

Noch kurz vor seiner Abreise im April hatte Schmidt auch in Jerusalem anrufen lassen. Bevor er die Islamische Republik besuchte, hatte Schmidt auch seinen jüdischen Kollegen treffen wollen, um mit ihm über seine Pläne zu sprechen. Doch Agrarminister Uri Ariel nahm sich leider keine Zeit für ihn.

Nach seiner Rückkehr in Deutschland setzte Schmidts Sprecher eine Pressemitteilung auf. "Wir wollen Märkte im Iran öffnen", stand in der Überschrift. Denn deutsche Bauern interessieren sich eben mehr für neue Exportmöglichkeiten als für fremdländische Diplomatie. Sie erwarten, dass der Agrarminister ihnen hilft, Milch und Fleisch ins Ausland abzusetzen. Schließlich stecken sie hierzulande in der Preiskrise. Die Reise nach Iran - unter diesem Gesichtspunkt, sagtWerner Hilse, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands, war man jedoch eher erfolglos: "Die wollten ja uns etwas verkaufen", erinnert er sich.

Auf dem internationalen Parkett fühlt er sich wohl - zu Hause aber tritt er in die Fettnäpfchen

Früher, bevor ihn der Rücktritt seines Vorgängers Hans-Peter Friedrich (CSU) im Februar 2014 unverhofft ins Landwirtschaftsministerium beförderte, war Christian Schmidt ein Außenpolitiker durch und durch. Acht Jahre lang war er Staatssekretär im Verteidigungsministerium, seit zehn Jahren ist er Präsident der Deutschen Atlantischen Gesellschaft. Doch seit seinem Wechsel ins Ländliche macht Schmidt vor allem mit Pannen und Fettnäpfchen auf sich aufmerksam. Er hielt Äpfel und Butterbrotdosen in die Kameras, posierte mit flauschigen Küken oder Hundewelpen für die Bild-Zeitung und verstolperte sich in eine Kritik am Freihandelsabkommen TTIP. Vor allem aber blieb der kleine Mann mit den schmalen Augen vielen Deutschen völlig unbekannt. Er sei "jemand, der auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten keinen allzu großen Stand aufgeschlagen hat", sagt Schmidt.

Dabei hat der Agrarminister längst ein Thema, mit dem er sich auch wieder als Außenpolitiker profilieren kann. Seit das Ende der Milchquote im vergangenen Jahr mit dem Importstopp Russlands und chinesischer Konjunkturschwäche zusammenfiel, melken sich Europas Landwirte gegenseitig in Bedrängnis. Überall fallen die Preise, Bauernexistenzen sind bedroht. Die zuständigen Minister der Bundesländer fordern von Schmidt, dass er auf europäischer Ebene die Überproduktion eindämmt und sie zur Not verbietet. Auch die Agrarwirtschaft verlangt von Schmidt jetzt Außeneinsatz, allerdings ganz anderer Natur. Der Minister soll sich für sie um neue Importeure bemühen und außerdem europäisches Geld besorgen - als bedingungslose Unterstützung, nicht als Anreiz für weniger Milch, so wie es die Länderminister schon lange verlangen. Schmidt muss sich entscheiden, welchem Pfad er folgt.

Es ist Mitte Juni, als Christian Schmidt den Weltsaal des Auswärtigen Amts durchschreitet. Vierzehn mächtige Kronleuchter erhellen die Holzvertäfelung, Herren in schwarzen Anzügen besetzen selbst die letzte Stuhlreihe. Sie sind Vertreter der Agrar- und Ernährungswirtschaft, geladen zum Außenwirtschaftstag der Bundesregierung. Schmidt hält Schritt mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), doch kurz vor der Bühne hält er plötzlich an. Er zieht Steinmeier am Sakko und deutet mit dem Zeigefinger auf einen Mann mit langen Beinen und rötlicher Gesichtsfarbe. Er hat ihn in der zweiten Reihe entdeckt: Es ist Werner Hilse vom Bauernverband. Schmidt strahlt.

Auf der Bühne lässt Hilses Würdigung nicht lange auf sich warten. Christian Schmidt lobt die Zusammenarbeit zwischen Regierung, Wirtschaft, den Agrar-Attachés in den deutschen Botschaften und ergänzt: "Ich darf einbeziehen auch den Deutschen Bauernverband, Herrn Hilse, der sitzt jetzt hier." Der Agrarexport, sagt Schmidt, sei eine tragende Säule des deutschen Wohlstands. Er ist außerdem sein Ticket in die weite Welt und zudem prestigeträchtiger als die neue Düngeverordnung oder Greußener Salami.

Seit Christian Schmidt im Amt ist, hat er sich bemüht, die Wünsche der Agrarwirtschaft zu erfüllen. Die Stellen für Export-Fachleute in seinem Ministerium und dessen nachgeordneten Ämtern hat er auf 80 verdoppelt. Für das nichteuropäische Ausland hat er einen zweiten Chief Veterinary Officer eingestellt, den er "Ci-Vi-O" nennt und der mit Behörden ferner Staaten über Lebensmittelstandards verhandeln soll. Innerhalb Deutschlands liefert sich Schmidt unterdessen erbitterte Kämpfe mit der SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks, um die Landwirte vor allzu vielen Umwelt-Regulierungen zu schützen.

Zwei Wochen nach seiner Rede im Weltsaal sitzt Christian Schmidt im ICE 844 nach Hannover auf einem Einzelsitz. Er verschränkt die Arme über dem Bauch und schlägt die Beine unter dem Tischchen übereinander. Seine Referentin, die Sprecherin, der Bodyguard, - sie alle sitzen in der Vierersitzgruppe gegenüber. Morgen früh wird Schmidt auf dem Deutschen Bauerntag ans Mikrofon treten, der in diesem Jahr eigentlich ein Milchkrisentreffen ist. Die Funktionäre erwarten, dass der Minister einen konkreten Betrag x nennt, mit dem er den Milchbauern unter die Arme greift. Erst vor ein paar Stunden hatte Bauernpräsident Joachim Rukwied dies noch einmal der Presse verkündet. Schmidt will ihm antworten, dass es ein X in dreistelliger Millionenhöhe wird - vermutlich. Und dann auf Europa verweisen.

Denn in Brüssel, das weiß Schmidt, fallen die Entscheidungen. Dort werden ab dem 15. Juli zunächst die Landwirtschaftsminister der Bundesländer und dann, am 18. Juli, seine europäischen Kollegen über Milch diskutieren. Ihnen gegenüber hat Christian Schmidt seine Haltung, der Markt solle die Krise selbst richten, mittlerweile aufgegeben Er spricht neuerdings von "Mengendisziplin" - zum Unwillen des Bauernverbands, dessen ist er sich wohl bewusst. Auch deshalb nimmt Schmidt den Zug um 17.49 Uhr zum "Begegnungsabend", noch vor seiner Rede: für etwas Diplomatie in eigener Sache.

Auf dem Rasen hinter dem Hannoveraner Kongresszentrum stehen Gartenstühle und weiße Schirme. Unter den Pavillons servieren Kellner Landbrot und Reibekuchen, an einem Stand gibt es Milch umsonst, mit Erdbeergeschmack. Eine riesige Leinwand zeigt Videos sonnenbeschienener Ähren und polierter Landmaschinen. An diesem Abend ist es Vizepräsident Werner Hilse, der seinen Gast Christian Schmidt in die erste Reihe gesetzt hat. Um kurz vor neun legt er ihm eine Hand zwischen die Schultern und schiebt ihn zum Buffet.

Etwas später, bunte Strahler haben das Sommerwetter schon abgelöst, steht Werner Hilse mit einem Bierglas an einem Stehtisch und blickt hinüber zu Schmidt. Die Referentin hat ihren Minister mitten auf dem Rasen stehen lassen. Bestimmt zwanzig Minuten spricht er bereits mit einer Gruppe Landwirte. Als sie endlich gehen, bleibt Schmidt einen Augenblick allein. Er schaut sich um. Da ergreift ein beleibter Bauer vom Kreisverband Freudenstadt, Baden-Württemberg, seine Chance: Er wünsche sich einen Termin beim Minister, nur für sich und seine Kollegen aus der Region. Schmidt nickt.

Werner Hilse beobachtet Christian Schmidt, vor allem sieht er dessen neueste Wende hin zum Milchverzicht. "Er lässt sich treiben", sagt er und klingt besorgt. Was treibt Herrn Schmidt?

"Ich arbeite daran, dass ich jetzt auf der europäischen Ebene, wo ich mich ziemlich wohl fühle, etwas für uns erreichen kann", sagt der. Auf dem internationalen Parkett, da kennt er sich schließlich aus. So wie damals, als er nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt nach Israel reiste und dort einen Mann traf, der genau wie er gerade vom Militär ins Landwirtschaftsressort gewechselt war: Jair Schamir, Ariels Vorgänger als Agrarminister. "My good old friend Christian Schmidt and me", sagte Shamir damals, "now we are talking about agriculture". Schmidt kann die Worte zitieren, als sei es gestern gewesen. "Man trifft sich immer zweimal im Leben", sagt er.

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