Porträt:Der Unerschrockene

Porträt von Amirul Haque Amin.

Amirul Haque Amin setzt sich seit 30 Jahren für die Rechte von Arbeitern in Bangladesh ein.

(Foto: Clean Clothes Campaign)

Amirul Haque Amin kämpft seit 30 Jahren für die Rechte von Arbeitern in Bangladesch. Nun wird er in Nürnberg mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Eine Auszeichnung für einen Gewerkschaftsführer findet nicht zwangsläufig Beifall bei Arbeitgebern. Amirul Haque Amin, 54, ist es gewohnt, dass Arbeitgeber ihn erbittert bekämpfen, auch mit fragwürdigen Methoden. In Nürnberg jedoch sagte gerade der Präsident der Industrie- und Handelskammer, Dirk von Vopelius, mit Amin werde eine "aus Wirtschaftssicht beachtenswerte Persönlichkeit" völlig zu Recht geehrt. Und ein jeder, schob Vopelius nach, solle doch bitte schön beim Kauf eines Kleidungsstücks nicht nur auf das Preisschild schauen, sondern auch auf die Zustände, unter denen das Textil hergestellt wurde.

Diese Zustände zu verbessern, dafür kämpft Amirul Haque Amin seit mehr als 30 Jahren in seinem Heimatland Bangladesch unter widrigsten Umständen. Am kommenden Sonntag bekommt er dafür den Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen. Amin ist Mitbegründer und Präsident der National Garment Workers Federation (NGWF), der größten Textilgewerkschaft in Bangladesch. Seit mehr als 30 Jahren setzt er sich dort für die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern ein, die weben, färben, zuschneiden und nähen, was hierzulande und in anderen westlichen Ländern an Mode getragen wird.

Das Land gilt als Nähstube der Welt; bis zu vier Millionen Menschen schuften in unzähligen Textilfabriken. Nicht selten unter schlimmsten Bedingungen, wie der Einsturz einer Textilfabrik in Dhaka zeigte, bei dem im April 2013 mehr als 1100 Menschen ums Leben kamen und weitere 2500 verletzt wurden.

Faire und sichere Arbeitsbedingungen, ein Mindestlohn, der auch zum Leben reicht, angemessener Urlaub und das Recht, seine Interessen zu vertreten, ohne dafür schikaniert oder entlassen zu werden - das sind Amins Themen, seit er nach dem Studium 1981 begann, sich gewerkschaftlich zu engagieren. 37 000 Mitglieder zählt die NGWF, gerade einmal 140 der schätzungsweise 5000 Textilfabriken in Bangladesch sind gewerkschaftlich organisiert. Die Branche ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. Entsprechend mächtig sind die Fabrikbesitzer. Nicht selten verweigern sie den Arbeitnehmern selbst angestammte Rechte. Wer aufbegehrt, verliert seinen Job.

Dass nun ausgerechnet Nürnberg Amirul Haque Amins Engagement würdigt, hat historische Gründe. Hier ließ Adolf Hitler die NS-Reichsparteitage inszenieren. Den Namen der Stadt tragen auch jene vor 80 Jahren verkündeten Rassengesetze, die der Ausgrenzung und Vernichtung von Millionen Menschen einen juristischen Boden gaben. Nürnberg stellt sich seiner braunen Vergangenheit schon lange mit großem Ernst. Der Menschenrechtspreis, der seit 1995 alle zwei Jahre verliehen wird, sei "eine Antwort auf die staatlich verordneten Menschenrechtsverletzungen" im Dritten Reich, heißt es offiziell. Und ein Signal, dass die Stadt für Frieden, Versöhnung, Verständigung und Achtung der Menschenrechte stehe.

Amirul Haque Amin ist der erste Preisträger mit wirtschaftlichem Hintergrund. Seine Vorgänger sind Menschenrechtsaktivisten, die sich oft unter Lebensgefahr gegen Kriege, Homophobie, Todesstrafe, Folter oder die Diskriminierung von Minderheiten engagieren. Der mexikanische Bischof Samuel Ruiz García etwa, der ehemalige russische Dissident Sergej Kowaljow oder der in Iran eingekerkerte Menschenrechtsanwalt Abdolfattah Soltani.

Amin erhalte nun den Preis, weil er mit seiner Gewerkschaft NGWF "mit bewundernswertem Mut, Hartnäckigkeit und Unerschrockenheit für die Lebens- und Arbeitsbedingungen und damit für die Würde der Menschen" in der Textilindustrie von Bangladesch eintrete, so die Jury. Ihr gehören renommierte Menschenrechtler aus der ganzen Welt an, darunter die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi und Adolfo Pérez Esquivel, Unesco-Generaldirektorin Irinia Bokowa und der Künstler Dani Karavan. Ihre Entscheidung für Amin wollen die Juroren als Signal verstanden wissen, dass "globalisierter und freier Handel ohne die Einhaltung sozialer Standards grundlegenden menschenrechtlichen Anforderungen widerspricht."

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