Porträt:Blick nach vorne

Prof. Rupert Stadler

Bauernsohn, Audi-Chef, Piëch-Intimus und einer der wichtigsten Männer im VW-Konzern: Rupert Stadler.

(Foto: Wolf Heider-Sawall/laif)

An Audi-Chef Rupert Stadler schien der Dieselskandal der VW-Muttergesellschaft bislang abzuperlen. Er sprach lieber über die Zukunft mit selbstfahrenden Autos. Doch damit ist es nun vorbei.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott

Rupert Stadler sprach in letzter Zeit gerne von der Zukunft. Das mag daran liegen, dass die Vergangenheit immer näher an Audi heranrückte. Je mehr die Dieselaffäre den Autokonzern einholte, desto mehr flüchtete ihr Chef nach vorne. Rupert Stadler, 53 Jahre alt und seit 1990 bei Audi, will lieber ein Manager der Zukunft sein als ein Mann der Vergangenheit.

Die Konzernmutter VW rutschte wegen manipulierter Abgasmessungen immer weiter in den Affärensumpf, und Stadler sprach von selbstfahrenden Autos und von "disruptiven" Verschiebungen. "Ich blicke nach vorne", so geht einer seiner Sätze.

Irgendwann fuhr Audi mit hinein in diesen Sumpf, musste zugeben, vor den US-Behörden bei der Zulassung von 3-Liter-Diesel-Autos Software-Programme nicht offengelegt zu haben. Er habe "mehrfach nachgefragt: Ist unser Sechszylinder sauber?", sagte Stadler in einem Interview. Und ob man eine illegale Software in den Motoren habe. Bei einer Vorstandssitzung sei ihm dann gesagt worden: "Nein, haben wir nicht."

In der nächsten Woche muss der Manager zur Pariser Automesse. Das wird keine einfache Reise

Also weiter in Richtung Zukunft. In Interviews berichtete er später, wie er aus Audi bis 2025 eine "Digital Car Company" machen will, einen digitalen Autobauer.

Das Schöne an der Zukunft ist, dass man sie schon jetzt genau planen kann. Und wer jetzt große Pläne macht, kann - im Moment zumindest - schon mal wenig falsch machen. Anders als in der Vergangenheit, als man im VW-Konzern einen großen Fehler machte, indem man seine Dieselmotoren mit einer betrügerischer Software ausstattete, um damit Behörden und Kunden hinters Licht zu führen.

Stadler, von dem man sagt, er wirke immer noch so jugendlich wie vor einem Vierteljahrhundert, als er in Ingolstadt anheuerte, will nicht viel Zeit mit der Diesel-Vergangenheit verlieren. Schon gar nicht jetzt, wo alle über die Konkurrenz aus dem Silicon Valley reden. Lieber elektrisch-saubere Autos als der Diesel-Nebel der vergangenen Jahre. Lieber kalifornisch, jung und dynamisch als Ingenieur alter Schule. Stadler, der Mann aus Titting im bayerischen Altmühltal, trägt zwar Maßanzug, aber wenn es sehr disruptiv wird, nimmt er auch schon mal die Krawatte ab.

Am nächsten Mittwoch muss der Manager nach Paris. Am Abend wird Volkswagen mit einem großen Programm in der Fondation Louis Vuitton auf die Pariser Automesse einstimmen. Eine Gala, bei der die Konzern-Granden auf der Bühne stehen, um über neue Autos und im Grunde vor allem über sich selbst zu sprechen. Auch Stadler, der fränkische Bauernsohn, wird da sein, um den neuen Q5, die Zukunft und sich selbst zu präsentieren. Doch, Mesdames et Messieurs, dem Betriebswirtschaftler Stadler ist nun etwas dazwischen gekommen, und deshalb könnte es kommende Woche in Paris außerplanmäßig auch um die Vergangenheit gehen: Zeugen aus dem VW-Konzern sollen laut Spiegel Online Stadler schwer belastet haben. Ausgerechnet der Audi-Chef, der so gerne nach vorne schaut, solle bereits 2010 von Manipulationen bei Dieselmotoren gewusst haben. Am Dienstag sollte Stadler von Anwälten der von VW beauftragten Kanzlei Jones Day befragt werden. Unabhängig davon gibt es immer mehr Hinweise, dass Audi tief verstrickt ist in die Abgas-Affäre. Ausgerechnet Audi: Monatelang hatten die VW-Leute versucht, das Thema vom Oberklassenhersteller aus Ingolstadt fernzuhalten. Denn Audi, das ist im Konzern nicht irgendeine Marke: Die Gewinne der Wolfsburger Mutter stammen zu einem großen Teil aus Bayern. Das weiß man bei VW, das weiß auch Stadler.

Und: Er leitete von 1997 bis 2002 das Generalsekretariat des damaligen VW-Chefs Ferdinand Piëch. Der spätere Aufsichtsratschef, der im Frühjahr 2015 nach einem heftigen Machtkampf ausgeschieden war, galt viele Jahre lang als Förderer Stadlers.

Stadler, ein Mann mitten aus dem Machtzentrum, der regelmäßig eine Menge Geld von Ingolstadt nach Wolfsburg überweist - so etwas macht selbstbewusst.

Am 2. November 2015 - die US-Umweltbehörde Epa hatte soeben mitgeteilt, dass bei Fahrzeugen mit von Audi entwickelten 3-Liter-Dieselmotoren eine fragwürdige Software steckt - stellt sich der VW-Konzern vor seine Tochter und behauptet in einer Pressemitteilung: "Die Volkswagen AG betont, dass keine Software bei den 3-Liter V6-Diesel-Aggregaten installiert wurde, um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu verändern." Drei Wochen später räumte dann Audi ein, man habe drei Softwareprogramme bei der Zulassung nicht ausreichend offengelegt. Eine davon galt nach US-Standards als illegale Abschalteinrichtung. Erst so, dann so - Stadler hätte die Gelegenheit damals nutzen und sich erklären können. Aber er sprach wie so oft davor und danach lieber über die Zukunft als die Vergangenheit. Dabei ist die Vergangenheit längst in der Zukunft angekommen: Entwicklungschef Stefan Knirsch, er war erst seit Januar im Amt, muss wegen der Affäre zurücktreten.

Um Stadler wird es nun einsam.

Kommende Woche ist er also in Paris, das Motto des VW-Abends lautet übrigens: "Get Closer. New Perspectives". Näher kommen, neue Perspektiven einnehmen - was für ein Abendthema für einen Manager, dessen Konzern immer heftiger mit einer hässlichen Affäre zu kämpfen hat, die noch lange nicht ausgestanden ist.

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