Porsche: Wendelin Wiedeking:Die 100-Millionen-Euro-Frage

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Nervenkrieg pur: Über Jahre war Porsche-Boss Wiedeking unschlagbar, im Machtkampf mit VW wird er wohl scheitern - doch der Manager will nicht weichen.

K.-H. Büschemann, D. Deckstein, K. Ott u. U. Schäfer

18.08 Uhr, die Julisonne brennt noch vom Himmel, Fotografen stürzen auf den Hünen zu, der einem schwarzen Porsche Panamera entsteigt und schnell sein Jacket überzieht. Er lacht, gibt sich gutgelaunt und wehrt mit beschwichtigenden Gesten den Ansturm ab. Wendelin Wiedeking gibt den Gelassenen. Die Audi AG lädt an diesem Donnerstag in Ingolstadt zum 100.Jubiläum, da darf der Porsche-Chef nicht fehlen, er sitzt im Aufsichtsrat des Unternehmens, das zum VW-Konzern gehört.

Wendelin Wiedeking in Ingolstadt am Donnerstagabend: Wie lange kann er sich noch als Porsche-Chef im Amt halten? (Foto: Foto: AP)

Es dauert ein paar Minuten, bis der Mann aus Zuffenhausen im Gewühl des Empfangs auf seinen größten Gegner trifft und seine Gelassenheit weg ist: Beim Händedruck mit Ferdinand Piëch wirkt Wiedeking plötzlich verkrampft. Ein paar Worte, ein Klaps auf Piëchs Arm, dann lässt Wiedeking den mächtigen Aufsichtsratschef von Volkswagen im Trubel stehen.

Tags zuvor hat er im Porsche-Werk in Stuttgart-Zuffenhausen zu seinen Beschäftigten geredet, zu den Männern und Frauen im Blaumann, der hier meistens grau ist. Entspannt, ja gelöst habe Wiedeking gewirkt, erzählen Anwesende hinterher. Doch während der bestbezahlte Unternehmenschef der Republik, der 80-Millionen-Euro-Mann, den Mitarbeitern erklärt, warum es immer noch Sinn ergibt, dass der kleine Sportwagenbauer Porsche den großen Autokonzern Volkswagen schluckt, während er ihnen verspricht, dass das Emirat Katar dem Unternehmen wohl schon bald aus einer Milliarden-Not helfen will und behauptet: "Wir haben ein tragfähiges Konzept, das wir dem Aufsichtsrat zur Entscheidung vorlegen wollen" - während er also all dies sagt, kursiert draußen die Nachricht, dass er zurücktreten werde. Wiedeking verlasse Porsche, schon bald werde ein Nachfolger berufen, berichtet die Wirtschaftswoche in ihrer Online-Ausgabe, und die Agenturen blasen die Eilmeldung am Mittwoch um 16.35 Uhr sofort in alle Welt hinaus.

Immer schmutziger, immer brutaler

Wieder hat jemand aus dem Hintergrund etwas durchgestochen, ein anonymer Büchsenspanner. Das Wirtschaftsmagazin nennt keine Quellen, doch das ist normal in diesen Tagen, in denen es um Porsche und VW geht, um eine Übernahmeschlacht, die immer schmutziger wird, immer brutaler. Und es geht längst nicht mehr nur um die Sache, sondern auch um Eitelkeiten und Feindschaften, um Einfluss und Macht. Und natürlich um sehr viel Geld. Um sieben oder acht Milliarden Euro, vielleicht zehn oder zwölf.

Das Geschäft ist nur auf den ersten Blick simpel: Porsche kauft Volkswagen - oder vielleicht umgekehrt. Raffinierte Finanzinstrumente spielen eine Rolle, mit denen die Stuttgarter den Rivalen trickreich übernehmen wollen. Beteiligt sind zwei Konzerne, eine halbes Dutzend Banken und viele Kanzleien - und seit kurzem auch, als mögliche Retter, Scheichs aus dem Emirat Katar. So weiß am Audi-Jubiläums-Abend auch jeder, was er meint, als Conferencier Thomas Gottschalk die 1800 Gäste begrüßt und sagt: "Ich dachte, es wären schon ein paar Scheichs da." Er spielt an auf einen Deal, der ähnlich kompliziert erscheint wie jene Derivate namens ABS, CDS oder MBS, mit denen Banken die Welt an den Rand des Abgrunds getrieben haben.

Nun jedoch steht Porsche am Abgrund. Und es steht dort auch Wiedeking, der Mann, dessen Plan es war, einen globalen Autokonzern zu formen. Geführt aus Zuffenhausen, nicht mehr aus Wolfsburg, geführt von ihm, dem stoischen Westfalen, dem Teilzeit-Landwirt, der einen alten Porsche-Traktor fährt, wenn er im schwäbischen Bietigheim Kartoffeln anbaut.

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Dieser Wendelin Wiedeking soll, so berichten Leute, die es eigentlich wissen müssen, in den vergangenen Tagen Besuch bekommen haben von zwei Menschen, die noch mächtiger sind als er und deren Familien das Wiedeking'sche Unternehmen weitestgehend gehört. Wolfgang Porsche, der wichtigste Mann aus dem Familienstrang der Porsches, und einer aus dem verwandten Clan der Piëchs - nicht Ferdinand, sondern ein anderer - sollen den Porsche-Chef aufgesucht haben und ihm sinngemäß gesagt haben: Es gehe nicht mehr, man müsse sich trennen. Leider.

Bedenkzeit erbeten

Wiedeking soll um Bedenkzeit gebeten haben, was Menschen aus dem innersten Zirkel des Sportwagen-Bauers so verstanden haben, dass der Porschechef erstmal ausrechnen will, was ihm aus seinem bis 2012 laufenden Vertrag noch zusteht. Je nach Rechenmethode kommt man schnell auf mehr als 100 Millionen Euro, mithin die höchste Abschiedszahlung, die es in Deutschland je gegeben hätte. Es könne sehr schnell gehen, werde aber teuer, sagt einer, der Einblick hat, doch in diesen "sauren Apfel" müsse man dann beißen, um zu einer Lösung zu gelangen.

Wiedeking will aber nicht gehen. Jedenfalls nicht freiwillig. Meldungen, die von einem baldigen Abgang berichten, seien "falsch und konstruiert", behauptet Firmensprecher Anton Hunger. "Das ist Mobbing. Hier wird ein Medienkrieg geführt." Auch das angebliche Dreier-Gespräch dementiert man bei Porsche: "Wenn es so wäre, wüssten wir es."

Ein Krieg: Ja, das trifft es am besten, was sich zwischen Porsche und VW abspielt, dem kleinen Sportwagenhersteller mit seinen 11.000 Beschäftigten und dem Konzern mit 350.000 Mitarbeitern. So lange dieser Krieg dauert, werden die Medien - mal aus Wolfsburg und Hannover, mal aus Zuffenhausen - mit Gerüchten und Halbwahrheiten, ja auch Lügen gefüttert, um die Gegenseite mürbe zu machen.

Ausgetragen wird dieser Krieg auch zwischen zwei Vettern, die sich offenbar nicht mehr viel zu sagen haben. Da steht auf der einen Seite Wolfgang Porsche, der Mann hinter Wiedeking und dessen Idee, VW zu schlucken. Auf der anderen Seite Ferdinand Piëch, der große Auto-Konstrukteur, der einst selbst den VW-Konzern führte und nun dessen Aufsichtsrat. Den Vettern geht es um die Macht, beide wollen den "integrierten Autokonzern" durchsetzen, doch sie verstehen darunter etwas völlig anderes. Der eine will das Unternehmen von Zuffenhausen aus führen, der andere von Wolfsburg, der eine will, dass Wiedeking das Sagen hat, der andere, dass VW den Konzern beherrscht. So sind Wolfgang Porsche und Ferdinand Piëch nicht mal in der Lage, ihre widerstreitenden Interessen zu integrieren.

In diesem Krieg jedoch tauchen jene, die ihn führen, seit Monaten kaum auf. Sie schicken andere vor. Nur ein einziges Mal kam einer der Beteiligten aus der Deckung, ausgerechnet Ferdinand Piëch, der nur selten eine Gesichtsregung zeigt, oft verdrießlich wirkt und bei dem nie klar ist, was er als nächstes tun wird. So erschien Piëch im Mai unerwartet bei der Präsentation des neuen VW Polo auf Sardinien. Am Strand demütigte er den Porsche-Chef wie es in deutschen Unternehmen bislang als undenkbar galt. "Hat Wiedeking noch Ihr Vertrauen?", wurde er gefragt. Piëch zögerte einige Sekunden. "Zur Zeit noch", sagte er knapp. Und dann: " Das 'noch' können Sie streichen."

Und beim Audi-Jubiläum in Ingolstadt muss Wendelin Wiedeking mit der zweiten Reihe vorlieb nehmen, ganz am rechten Rand sitzt er da, von seinen Widersachern Piëch und Christian Wulff mindestens 30 Meter entfernt. Das Protokoll hielt den Sicherheitsabstand für nötig.

Dabei stand Piëch anfangs hinter Wiedekings Plan. "Der war Feuer und Flamme", berichtet einer von Porsche. "Piëch wollte immer VW haben." Der 72-jährige Patriarch und Wiedeking, 56, ähneln sich in vielem. Beide sind begeisterte Autotechniker und extrem selbstbewusst, sie neigen zur Eigenmächtigkeit und sind stur wie Esel. Harmonie halten sie für Kinderkram. Der Umgang beschränkte sich auf Wesentliches wie Aufsichtsratssitzungen. "Blutsbrüder sind die nie geworden", berichtet einer, der beide Alpha-Tiere gut kennt. Immerhin: Man respektierte sich. Schließlich war Porsche, als Wiedeking vor 17 Jahren anfing, marode. Dann erwirtschaftete er enorme Gewinne, so dass der Clan unermesslich reich wurde.

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Ferdinand Piëch macht in diesen Tagen deutlich, wer das Sagen bei VW hat. Seine Macht hat er über Jahre aufgebaut, vor allem mit kompromisslosen Entscheidungen.

Der Bruch kam im März, als die Finanzkrise das Übernahmemodell Wiedekings mit seinen für Laien kaum verständlichen Optionen auf VW-Aktien zu Fall gebracht hatte. Porsche brauchte Kredite von zwölf Milliarden Euro, und Piëch musste einen Teil seines Besitzes an der Salzburger Porsche-Holding verpfänden, einer äußerst lukrativen Autohandelsgesellschaft der Familie. Seither bekämpft er Wiedeking mit der ihm eigenen Unerbittlichkeit - nur selten aber öffentlich.

Stattdessen redet Christian Wulff für ihn. Niedersachsens Ministerpräsident hat sich zuletzt verhalten wie ein Vasall des "Alten", wie Piëch im VW-Konzern ehrfurchtsvoll genannt wird. Dabei waren sich der CDU-Politiker und der Manager lange spinnefeind.

Eine Achse wie aus Gusseisen

Als sich Piëch im Herbst 2007 daran machte, VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder fintenreich zu entmachten, stellte sich Wulff gegen Piëch. Später kamen die beiden sich näher. Heute wirkt die Achse zwischen Wolfsburg und der Staatskanzlei wie aus Gusseisen. Wenn Wulff, der 20 Prozent von VW für Niedersachsen vertritt, sich über Porsche äußert, klingt es, als gebe Piëch den Text vor. Mal fordert er, nun müsse schnell eine Einigung her, vulgo: Porsche und Wiedeking müssten kapitulieren. Dann legt er im Internet-Chat bei sueddeutsche.de nach und urteilt über Wiedekings Plan: "Eine feindliche Übernahme kann nicht klappen." Das heißt: Es wird keine Lösung mit Wiedeking geben, weil der bei Managern und Belegschaft von VW als Firmenfeind Nummer eins gilt. Und natürlich schickt die Landesregierung auch ihre Spindoktoren los, um hintenrum ihre Sicht zu erzählen.

Wulff gerät in diesen Tagen, in denen alles auf ein Finale furioso zuläuft bei Porsche und VW, vor allem mit einem Mann immer wieder aneinander: mit Uwe Hück, dem Betriebsratschef von Porsche. Hück ist versierter Thai-Boxer und würde auch eine gute Figur als Türsteher abgeben. Der Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf ist für Wiedeking so etwas wie der Mann fürs Grobe. Und so fällt er am Mittwochabend im "Heute-journal" über Wulff her, diesen "großen Pharisäer". Der solle "jetzt endlich mal die Klappe halten", der habe keine Ahnung von Porsche, sitze nicht mal im Aufsichtsrat des Unternehmens und "nervt uns im Moment". Als die Moderatorin Hück vorhält, bei ihm lägen wohl die Nerven blank, kontert er: "Überhaupt nicht, ich bin heute ganz locker drauf. Ich bin immer so, fragen Sie meine Frau, in der Früh, abends, nachts, überall, in der Dusche, seien Sie nicht erschrocken, so bin ich, und so werde ich auch bleiben." Es ist eine denkwürdige Episode in dem denkwürdigen Auto-Drama.

Drittes Treffen binnen 24 Stunden

Am nächsten Morgen legt der bullige Betriebsratschef nach. Er schiebt seine 190 Zentimeter Körperlänge nahe an die Mikrofone vor dem Werkstor 2 in Zuffenhausen. Gerade hat die dritte Betriebsversammlung binnen 24 Stunden stattgefunden, wieder mit Wiedeking, diesmal für die Frühschicht. Hück, schwarze Weste, schwarze Hose, weißes Hemd wie meist, hat wieder eine Botschaft für Wulff: "Erzählt der doch glatt im CDU-Präsidium, Porsche sei von VW so gut wie gekauft. Das akzeptiere ich nicht, das ist unanständig." Hück ist auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Porsche und Mitglied des Präsidiums, in dem außerdem sein VW-Pendant Bernd Osterloh, Chefaufseher Wolfgang Porsche und Piëchs Bruder Hans Michel sitzen. "Mit WoPo und Michel Piëch habe ich gestern noch gesprochen", sagt Hück, "es gibt noch keine grundsätzliche Einigung zwischen den beiden Familien."

Aber diese Lösung, kündigt Hück an, werde es geben. Spätestens nächsten Donnerstag. Dann tagen am selben Tag in Sondersitzungen die Aufsichtsräte von Porsche und VW in Stuttgart. Um zwölf Uhr kommen die Kontrolleure von Volkswagen zusammen, um 16 Uhr die von Porsche. Dann, endlich, soll das monatelange Gezerre zwischen Stuttgart und Wolfsburg, zwischen Baden-Württemberg und Niedersachsen, zwischen Wolfgang Porsche und Ferdinand Piëch eine Ende haben. Dann soll klar sein, wer in dem neuen Autokonzern die Macht hat. Und wer ihn führt: Wiedeking oder ein anderer.

"Am 23. Juli wird entschieden, und eine Entscheidung ohne Diskussion im Aufsichtsrat wird es nicht geben", brüllt Hück geradezu in die Mikrofone. Also könnte es möglicherweise ohne Vorab-Einigung unter den zerstrittenen Familieneigentümern zu einer Kampfabstimmung im Gremium kommen? "Ich bin immer in Kampfstimmung", sagt Hück .

Wendelin Wiedeking verschwindet von der Betriebsversammlung, ohne auch nur einen Satz in die Kameras zu sagen. Er wird sich weiter darum bemühen, das Emirat Katar auf seine Seite zu ziehen. Er verhandelt seit Wochen mit Vertretern aus dem Golfstaat, der bis zu sieben Milliarden Euro frisches Geld in Porsche pumpen will. Die Scheichs erwägen, so viel ist bekannt, sich zu 25 Prozent an der Porsche-Holding zu beteiligen und dem mit zehn Milliarden Euro verschuldeten Unternehmen seine Optionen auf weitere 25Prozent an VW abzukaufen. Wiedeking wäre, anders als Piëch und Wulff, bereit, die Macht mit den Kataris zu teilen.

So wird am Donnerstag aus seiner Entourage laut betont: "Wendelin Wiedeking wird nicht zurücktreten, sein Vorstandsvertrag läuft bis 2012." Er selbst verhaspelt sich abends in Ingolstadt nur kurz: "Ich bin ein glücklicher Aufsichts-, äh, Vorstandschef", sagt er, "und fühle mich in dieser Rolle pudelwohl." Jedoch: Ein Vorstandschef muss nicht zurücktreten - er kann auch entlassen werden.

© SZ vom 17.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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