Porsche:Erst nach Hause, dann ins Gefängnis

Nach der Razzia bei Porsche kommt ein Manager des Sportwagenkonzerns in U-Haft.

Von Klaus Ott

Als am Mittwoch fast 200 Polizisten und Staatsanwälte bei der Porsche AG in Stuttgart anrückten, sah alles noch nach Routine aus. Eine weitere Razzia eben in der Abgasaffäre, die mindestens schon zehnte Durchsuchung in Deutschland. Für die Ermittler ist es längst zur Gewohnheit geworden, nach Unterlagen und Dateien zu suchen, die Aufschluss geben über mutmaßlich manipulierte Abgasmessungen bei Dieselfahrzeugen von Volkswagen und anderen Herstellern. Und für die Juristen und Manager der betroffenen Konzerne sind unangemeldete Besuche keine große Überraschung mehr. Der Umgang soll freundlich gewesen sein. Teilweise sei sogar gescherzt worden, heißt es über die Razzia bei der Porsche AG, die zu Volkswagen gehört.

Einen Tag später war Schluss mit lustig. Ein führender Porsche-Manager wurde am Donnerstag einem Ermittlungsrichter in Stuttgart vorgeführt und kam auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft. Wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Das teilte Porsche-Vorstandschef Oliver Blume am Freitag der Belegschaft mit, in einer Rundmail. Blume betonte, das Unternehmen stehe auch für Integrität.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die beim Abgasskandal mit großem Aufwand und sehr hartnäckig bei gleich mehreren Konzernen ermittelt, hat bei der Integrität allerdings so manche Zweifel. Erst recht nach der Ereignissen der vergangenen Tage. So ohne weiteres wird schließlich nicht Untersuchungshaft angeordnet. Der betreffende Manager soll am Mittwoch, als die Razzia begann, gerade auf dem Weg in sein Büro bei Porsche gewesen sein, als er einen Anruf von seiner Familie erhalten habe. Zuhause seien gerade Polizisten zugange. Der Manager aus dem Bereich Motorenentwicklung sei heimgefahren, mehr als 100 Kilometer immerhin, anstatt erst einmal mit den bei Porsche vorstellig gewordenen Ermittlern zu reden. Ein Fehler, vielleicht. Zuhause sei der Manager von den dort tätigen Beamten dann in Gewahrsam genommen und nach Stuttgart zurück gebracht worden.

Durchsuchungen bei Porsche

Razzia bei Porsche: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht des Betruges an Kunden und der strafbaren Werbung nach.

(Foto: Sina Schuldt/dpa)

So wird das in Kreisen von Verfahrensbeteiligten erzählt. Die spontane Heimfahrt alleine reiche allerdings nicht für den Verdacht, der Manager habe unterwegs da möglicherweise etwas verschwinden lassen, sagen Insider. Die Staatsanwaltschaft habe beim Ermittlungsrichter mehr vorgetragen. Was das sein soll, ist noch unklar. Aber klar ist immerhin, dass dieser Manager damit rechnen konnte, in den Fokus der Ermittler zu geraten. Bereits im vergangenen Jahr waren in den Medien Unterlagen aufgetaucht, die den früheren Audi-Mitarbeiter und heutigen Porsche-Manager nicht gut aussehen lassen. Er könnte von Tricksereien bei Abmessungen gewusst haben.

Sein Anwalt war nicht für eine Stellungnahme zu der Untersuchungshaft erreichbar. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wollte es ursprünglich dabei belassen, den Porsche-Mann als Beschuldigten in die Ermittlungsakten einzutragen. Zusammen mit Entwicklungsvorstand Michael Steiner und einem früheren Beschäftigten des Sportwagen-Herstellers. Nach der Razzia wäre wieder Ruhe gewesen, zumindest bis zur nächsten Durchsuchungsaktion. Was dann am Mittwoch aber passierte und schließlich zu der Verhaftung führte, sorgt für neue Aufregung. Nicht ohne Grund versucht Porsche-Chef Blume mit seiner Rundmail, die Belegschaft zu beruhigen. Porsche entwickele und produziere selbst keine Diesel-Motoren und keine Diesel-Software, schreibt Blume. Man habe auch nicht gewusst, dass bei bestimmten Motoren unzulässige Steuerungsgeräte eingebaut gewesen seien, mit denen die Abgasreinigung abgeschaltet worden sei.

Oliver Blume

"Porsche steht nicht nur für faszinierende Produkte und High-Performance. Porsche steht auch für Werte wie Tradition, Innovation, Kultur - und Integrität."

Deutlicher musste Blume gar nicht werden, um der Belegschaft zu sagen, wohin das zielt. Auf Audi in Ingolstadt, eine weitere Volkswagen-Tochter. Mitte vergangenen Jahres hatte Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück kräftig ausgeteilt gegen die Ingolstädter Marke mit den vier Ringen, die Dieselmotoren mit Manipulations-Software nach Stuttgart geliefert haben soll. Dies seien "kranke Motoren" gewesen, schimpfte Hück in der Bild am Sonntag. "Wir fühlen uns von Audi betrogen."

Die Abgasaffäre sorgt für eine angespannte Stimmung zwischen Porsche und Audi

Hück sagte damals, er werde "nicht zulassen, dass Porsche durch Tricksereien von Audi in Gefahr gerät". Nun haben Porsche-Manager trotzdem ein Aktenzeichen bei der Justiz, und einer von ihnen befindet sich gar hinter Gittern. Als zweiter Untersuchungshäftling in der Abgasaffäre in Deutschland; nach Wolfgang Hatz, der in München im Gefängnis sitzt. Hatz war der Vorgänger von Steiner als Entwicklungsvorstand bei Porsche. Die Untersuchungshaft von Hatz hat allerdings mit dessen früherer Tätigkeit als Leiter der Aggregate-Entwicklung bei Audi zu tun. Dort, in Ingolstadt, sind nach Erkenntnissen der Behörden die mutmaßlich illegalen Abgastricksereien im vergangenen Jahrzehnt ausgeheckt worden. Und von Ingolstadt führen die Spuren, denen die Ermittler nachgehen, zu Porsche nach Stuttgart. Dass zeigt alleine schon der Umstand, dass bei der Razzia am Mittwoch außer mehreren Porsche-Standorten auch Audi durchsucht worden war. Offenbar hofften die Ermittler, dort auch Belege für eine angebliche Verwicklung von Hatz in die Affäre zu finden. Er sitzt vor allem wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft. Der frühere Audi-Manager und spätere Porsche-Vorstand Hatz bestreitet sämtliche Vorwürfe.

Der Abgasskandal hat bei Volkswagen begonnen und den Konzern mehr als 20 Milliarden Dollar an Schadenersatzzahlungen und Strafen in den USA gekostet. Dass die Affäre nun im VW-Imperium von Audi mehr und mehr auf Porsche übergreift, dürfte die Stimmung zwischen Stuttgart und Ingolstadt nicht verbessern. Porsche-Chef Blume versucht derweil, den Schaden halbwegs zu begrenzen. Die Nachricht über Durchsuchungen "in unserem Haus" sei angesichts der enormen Strahlkraft der eigenen Marke naturgemäß in aller Munde, schrieb Blume der Belegschaft. "Vermutlich werden Sie auch in Ihrem privaten Umfeld darauf angesprochen." Vorstandschef Blume appellierte an die Beschäftigten, sie sollten sich "davon bitte nicht verunsichern" lassen. "Ich zähle auf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir sind Porsche."

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