Politiker-Aussagen in der Krise:Das Ende des Euro, in Scheiben serviert

Merkel telefoniert, Schäuble empfängt, Juncker appelliert: Die Lage in der Euro-Zone wird immer dramatischer. Längst geht es nicht mehr nur um Hilfen für Griechenland oder Spanien, sondern um das ganze Projekt.

Daniel Brössler, Berlin und Cerstin Gammelin, Brüssel

Die Signale verwirren. Am Mittwoch vergangener Woche mahnt Frankreichs Staatspräsident François Hollande seine Euro-Kollegen, die Beschlüsse des EU-Gipfels vom 29. Juni endlich zügig und entschlossen umzusetzen. Einen Tag später meldet sich Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, zu Wort und erklärt, er werde alles tun, den Euro zu retten. Am Freitag dann telefonieren überraschend die urlaubende Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande miteinander - und verkünden hernach, alles zu tun, den Euro zu retten. Und am Samstag führt Merkel ein ähnliches Telefonat mit Italiens Ministerpräsident Mario Monti.

Zugleich wird bekannt, dass US-Finanzminister Timothy Geithner am Montag nach Deutschland kommen wird - zuerst zu dem auf Sylt urlaubenden Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, danach nach Frankfurt in Mario Draghis Büro. Die dichte Terminfolge lässt keinen Zweifel. Die Lage ist ernst. Und zwar nicht etwa die Lage in Griechenland, Spanien oder anderswo. Nein, es geht nicht um einzelne Länder oder neue Rettungspakete. Es geht ums Ganze. "Die Welt redet darüber, ob es die Euro-Zone in einigen Monaten noch gibt", bringt es Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker auf den Punkt.

Da überrascht es zunächst, dass der Bundesfinanzminister genau in dieser Phase in einem Interview der Welt am Sonntag verkündet, an den "Spekulationen" über weitere Hilfen für Spanien, etwa den Aufkauf von Staatsanleihen über den Euro-Rettungsfonds EFSF, sei "nichts dran". Die Frage allerdings, ob Spanien einen Antrag stellen könnte und diesem dann entsprochen würde, ist Schäuble weder direkt gestellt worden noch hat er sie konkret beantwortet.

Beschluss zum Ankauf von Staatsanleihen gibt es längst

Fest steht, dass es den Beschluss längst gibt, die in den Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM verfügbaren Instrumente effizient und flexibel zu nutzen (und dazu zählt vor allem der Aufkauf von Staatsanleihen zu bestimmten Konditionen). Die Staats- und Regierungschefs aller 17 Euro-Länder haben ihn am 29. Juni auf ihrem Gipfel in Brüssel unterzeichnet. Darin sind auch die Bedingungen aufgeführt, unter welchen die Aufkäufe getätigt werden können - und welche Verpflichtungen der betroffene Staat eingehen muss.

Ausdrücklich erwähnt ist in diesem Zusammenhang auch die Europäische Zentralbank, die als Agent des Euro-Rettungsfonds auftreten und die Anleihen für dessen Bücher aufkaufen soll. Darüber wurde ein separater Vertrag zwischen dem Euro-Rettungsfonds und der EZB unterzeichnet.

Allerdings war zu dem damaligen Zeitpunkt noch eine Bedingung nicht erfüllt, damit der EFSF über die EZB spanische Anleihen aufkaufen konnte: Das war das spanische Bankenproblem. Im Statut des EFSF ist ausdrücklich vermerkt, dass der Fonds nur Anleihen solcher Länder kaufen darf, dessen Banken sicher sind. Doch nun, da Spaniens Banken mit 100 Milliarden Euro gerettet und saniert werden sollen, ist dieses Kriterium formal erfüllt.

Prinzip Hoffnung in Berlin

Schäuble erweckt bisher nicht denn Eindruck, dass ihm das genügt. In einer Reaktion auf die Ankündigung Draghis ließ er sein Ministerium eine Erklärung verbreiten, in der es hieß: "An erster Stelle stehen die Reformanstrengungen der Mitgliedsländer selbst." Und auch die gemeinsame Erklärung von Merkel und Hollande will man in Berlin nicht als grünes Licht für den Anleihenkauf verstanden wissen. Das heißt nun nicht - und da wird es kompliziert -, dass die Bundesregierung dies rundheraus ablehnen würde.

Vielmehr gilt bei jenen, die im sommerlich verlassenen Berlin die Stellung halten, das Prinzip Hoffnung. Aus verschiedenen Gründen käme der Anleihenkauf ganz und gar ungelegen. Er müsste mindestens vom dafür geschaffenen und vertraulich tagenden Neuner-Gremium des Bundestages abgesegnet werden. Nicht ausgeschlossen ist, dass Merkel lieber das Votum des ganzen Plenums einholt. Das würde eine Sondersitzung mit - angesichts der zunehmend skeptischen Stimmung in der Koalition - ungewissem Ausgang bedeuten.

Überdies harrt Berlin der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen ESM und Fiskalpakt. Die für den 12. September angekündigten Urteile der Karlsruher Richter haben zwar mit der Anleihenfrage nicht direkt zu tun. Das Warten aber erhöht die Nervosität und verringert die Bereitschaft, über neue Instrumente zu diskutieren. So rät Schäuble den Spaniern zur Geduld. Von den derzeitigen Zinsen gehe "die Welt nicht unter".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: