Politik und Wirtschaft:So arbeiten Lobbyisten

Der Einfluss auf die Politik nimmt zu. Auf einen Abgeordneten kommen in Berlin mittlerweile statistisch acht Profi-Einflüsterer.

Von Uwe Ritzer

Ein erfahrener, ehemaliger Spitzenmanager formulierte es unlängst drastisch: "Wir brauchen Lobbyismus und er wird deswegen immer massiver, weil wir ein unvorstellbar schlechtes Parlament und eine unvorstellbar schlechte Regierung haben." Im selben Atemzug bat der Mann eindringlich, ihn nur ja nicht namentlich zu zitieren. Denn Freunde macht sich nicht, wer so redet.

Lobbyismus ist ein Begriff, der negativ besetzt ist. Er steht im allgemeinen Sprachgebrauch dafür, dass sich Einzelinteressen gegen das Gemeinwohl durchsetzen, weil hinter ihnen einflussreiche, und das heißt vor allem finanzstarke Kreise stehen. Lobbyisten nennen sich auch selten Lobbyisten, sondern lieber unverfänglicher Berater, Türöffner oder Repräsentanten.

Auf einen Abgeordneten kommen statistisch acht Profi-Einflüsterer

Von denen gibt es so viele wie noch nie. Allein in Berlin sind es schätzungsweise 5000. Statistisch kommen also auf einen Bundestagsabgeordneten acht professionelle Einflüsterer. Auch Umwelt- und Nichtregierungsorganisationen betreiben Lobbyarbeit, wenngleich ihre finanziellen Mittel meist bei einem Bruchteil dessen liegen, was etwa Tabak-, Lebensmittel- oder Energiekonzerne ausgeben.

Lobbyismus gab es schon immer. Der Begriff leitet sich historisch von der Lobby ab, der Vorhalle des Parlamentes nämlich, in der Interessenvertreter (aber auch Bürger) ihre Anliegen den Politikern vortragen. Diese wägen hernach im Parlament alle Argumente sorgfältig ab und entscheiden im Sinne des Gemeinwohls. Ein demokratisch gewolltes Wechselspiel also. So weit die Theorie. Sie hat mit der Wirklichkeit kaum noch etwas zu tun.

Ob die Tabakgesetze verschärft oder Lebensmittel per Ampel auf den Verpackungen als gesund oder ungesund eingestuft werden sollen, wenn es um Energie-, Agrar- oder Gesundheitspolitik geht oder darum, die Finanzindustrie an die Kandare zu nehmen - es gibt kein nennenswertes Politikfeld, in das Lobbyisten nicht massiv eingreifen, und das oft erfolgreich. In den Koalitionsvertrag der Bundesregierung etwa wurde ein Bekenntnis zu Kohlekraftwerken erst nach dem massiven Eingreifen von Lobbyisten einschlägiger Konzerne über SPD-Kanäle aufgenommen.

Wobei Lobbyisten nicht nur bei Ministern und Abgeordneten ansetzen, sondern in Ministerien und wichtigen Behörden. Dort also, wo Gesetze vorbereitet und Positionen des jeweiligen Ressorts entwickelt werden. Lobbyisten schrieben sogar schon an Gesetzen mit. Nur selten bekommt die Öffentlichkeit davon etwas mit. Verstärkt versuchen Lobbyisten auch direkt in der Gesellschaft Einfluss zu gewinnen, indem sie Schulen, Hochschulen oder Bürgerinitiativen unterwandern.

Das alles entfaltet Wirkung. Wie das Magazin The Economist enthüllte, zahlten 2010 von den 100 größten Unternehmen in den USA jene zehn Prozent am wenigsten Steuern, die am meisten Geld für Lobbyisten ausgaben. Ihre Steuerrate lag bei 17 Prozent während jene der lobbyistisch wenig aktiven Firmen bei 26 Prozent lag.

Was auffällt: Lobbyisten arbeiten mehr und mehr verdeckt. Vertreter von Verbänden sind als solche erkennbar, wenn sie ihre Positionen vertreten. Man weiß, wofür sie stehen. Das gilt nicht für die wachsende Zahl der Lobby-Söldner. Diskrete Dienstleister, bei denen oft nicht klar ist, in wessen Auftrag sie mit welchem Ziel und - vor allem - mit wie viel Geld sie unterwegs sind. Erst vor wenigen Tagen lehnte es die Regierungsmehrheit im Bundestag ab, alle Lobbyisten samt den entsprechenden Informationen in einem verbindlichen Register zu erfassen.

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