Playboy im Steuerparadies:Das System Sachs

Er war Millionenerbe und Kunstsammler, Ehemann von Brigitte Bardot und Geliebter der Kaiserin Soraya. Gunter Sachs war ein Mann mit vielen Facetten. Die Daten des Offshore-Leaks zeigen: Teile seines Vermögens steckte er in komplizierte Firmenkonstrukte in Steueroasen.

Von Bastian Obermayer, Frederik Obermaier und Titus Plattner

Die Hand, die alles steuert, muss unsichtbar sein. Erst recht darf sie nichts unterschreiben. Also macht sich Hanswerner Schwenk, Mitte 50, Privatsekretär, auf den Weg zur Pazifikinsel Rarotonga.

Der Mann im Hintergrund kann sich entspannen, in London, Paris oder St. Tropez, in irgendeinem seiner vielen Anwesen. Sein Name darf in keinem offiziellen Dokument auftauchen, das ist schließlich das Wesen eines anonymen Firmenkonstrukts. Sonst könnte man sich den ganzen Aufwand, die Südsee, die Anwälte, die ganze Geheimniskrämerei, ja sparen.

Die Reise ist beschwerlich für Schwenk, einen Münchner. Rarotonga liegt etwa auf halber Strecke zwischen Neuseeland und Hawaii, dorthin braucht er aus Deutschland gute 40 Stunden. Wenigstens hat sein Geschäftspartner vor Ort, die International Trust Corporation Limited, für ihn Hotel und Mietwagen gebucht. Hanswerner Schwenks Auftrag: Er soll mit seiner Unterschrift bestätigen, dass beim Ausstellen der Aktien der soeben gegründeten Firma Triton Limited alles rechtmäßig vor sich gegangen ist.

Alleiniger Eigentümer der Triton Limited ist offiziell eine Firma namens Trustcorp Limited - der auf dem Papier sehr viele Firmen gehören. Tatsächlich ist das eine Scheinkonstruktion, um den wahren Eigentümer nicht nennen zu müssen. Das ist nämlich das Geschäft der International Trust Corporation Limited: Sie gründet anonyme Briefkastenfirmen und Stiftungen, sogenannte Trusts, und verwaltet sie in aller Diskretion. Das Archipel der Cook-Inseln, zu dem Rarotonga gehört, ist eine typische Offshore-Steuer-Oase: Wer hier Firmen oder Trusts gründet, bezahlt so gut wie keine Steuern und kann, vor allem, mit absoluter Anonymität rechnen. Ein idealer Platz um seine Steuerlast zu minimieren, sei es legal oder illegal.

Der Mann, in dessen Auftrag Hanswerner Schwenk im November 1993 in die Südsee fliegt, ist ein sehr berühmter und sehr reicher Mann. Sein Name ist Gunter Sachs. Schwenk ist schon mehr als 20 Jahre in seinen Diensten, und einer seiner engsten Vertrauten.

Am kommenden Montag sendet die ARD ein aufwendig produziertes Gunter Sachs-Portrait. Es zeigt seine vielen bislang bekannten Seiten: Playboy und Millionenerbe, Ehemann von Brigitte Bardot und Geliebter der Kaiserin Soraya, Fotograf, Regisseur und Kunstsammler, Wohltäter und guter Freund.

Gunter Sachs mit Brigitte Bardot

Gunter Sachs mit seiner Frau Brigitte Bardot 1966 in München.

(Foto: DPA)

Nun scheint es, als würde eine weitere Seite hinzukommen, nämlich die eines Mannes, der für die Verwaltung seines Millionen-Vermögens ein verwinkeltes Offshorekonstrukt errichtete, das für die Finanzbehörden bis zum Schluss undurchschaubar blieb.

In den vergangenen Wochen fand ein Team der Süddeutschen Zeitung, der Schweizer Sonntagszeitung und des NDR bei Recherchen in den vom International Consortium of Investigative Journalism (ICIJ) weltweit bereit gestellten Datenbeständen des Offshore-Leaks viele Dutzend Dokumente, die Gunter Sachs' Offshore-Konstruktion rekonstruierbar machen. Dazu zählen Urkunden und Verträge, kopierte Personalausweise und Gebührenabrechnungen, Unmengen von internen E-Mails und Faxschreiben, aber auch handschriftlich unterschriebene Briefe von Gunter Sachs.

Die Dokumente belegen detailliert, wie Sachs mithilfe einiger Berater ein anonymes Firmengeflecht auf den Cook-Inseln errichtete. Und damit nicht genug: Nach SZ-Recherchen hatte Gunter Sachs auch in anderen Steueroasen noch Beteiligungen an Firmen, in denen wohl Werte und Schulden im hohen Millionenbereich lagen.

Eine Schweizer Großkanzlei half Gunter Sachs beim Gründen der Firmen

Noch bevor Privatsekretär Hanswerner Schwenk 1993 seine Reise in die Südsee antrat, waren die meisten Formalitäten bereits geregelt. Schon am 15. September 1993 hatte ein Anwalt der Zürcher Großkanzlei Lenz & Staehelin jene "Triton Limited" per Fax angemeldet. Wenig später war das "Company Kit", eine Art Gründungs-Set für Briefkastenfirmen, auf dem Weg nach Zürich. Der Preis: 2700 Dollar.

Lenz & Staehelin betreute die Sachsschen Offshore-Firmen auch in den nächsten zwei Jahrzehnten. Das bezeugen zahlreiche Faxe, Briefe und Mails, die zwischen den Anwälten und der International Trust Corporation Limited, die später Portcullis Trustnet hieß, hin und her gingen.

Das Südsee-Konstrukt sah so aus: Zwei Briefkastenfirmen, neben der Triton Limited noch eine weitere Firma namens Tantris Limited, verwalteten als Trustees fünf Trusts, die von 1994 bis 2007 gegründet wurden: den Moon Crystal Trust, den Espan Water Trust, den Sequoia Trust, den Triton Trust und den Parkland Oak Trust.

Diese fünf Trusts waren die undurchsichtigen Gefäße, in die Sachs Teile seines Vermögens gepackt hat. Laut der Gründungsurkunde des Parkland Oak Trusts vom 18. Mai 1994 waren seine drei Söhne Rolf, Christian Gunnar und Claus Alexander Sachs die Begünstigten, wie auch in drei weiteren Trusts.

Aber auch Gunter Sachs selbst hatte zumindest auf das Vermögen von zwei Trusts nachweislich noch Zugriff. Und damit auch die Pflicht, es zu deklarieren. "Vermögenswerte in solchen Trusts sind dem Gründer zuzurechnen. Sie müssen deswegen nach Schweizer Recht gemeldet werden, wie überhaupt das weltweite Einkommen, Vermögen und auch Firmenbeteiligungen,", sagt Andreas Kolb, ein Steuerrechts-Anwalt, der selbst auf vermögende Privatkunden spezialisiert ist.

Aber weder in Gunter Sachs' letzten Steuererklärungen, noch im offiziellen Erbschaftsinventar - in diese Dokumente hatte die Süddeutsche Zeitung Einsicht - wurden die fünf auf Rarotonga angemeldeten Trusts angegeben. Das Erbschaftsinventar wurde von zwei Nachlassverwaltern angefertigt und am 6. Juli 2012 unterschrieben. Einer von ihnen ist ausgerechnet jener Lenz & Staehelin-Mann, der 1993 per Fax die erste Firma in der Südsee gegründet hatte und anschließend Direktor und Trustee der Sachs-Firmen wurde. Zudem kümmerte sich die Kanzlei über die Jahre auch um die Bezahlung der jährlichen Gebühren an Portcullis Trustnet, rund 2000 Dollar pro Trust.

Die beiden Nachlassverwalter des Verstorbenen - der Lenz & Staehelin-Anwalt sowie ein Münchner Jurist - erklären auf Anfrage, sie hätten die Trusts rechtmäßig "transparent behandelt": Also zwar nicht die Trusts selbst, wohl aber das darin enthaltene Vermögen deklariert.

Bei der Steuerverwaltung des Kantons Bern, wo Sachs zuletzt seinen Wohnsitz hatte, schätzt man die Rechtslage anders ein. Eine Sprecherin meint, es genüge eben gerade nicht, wenn bei solchen Trusts "lediglich die vom Trust gehaltenen Vermögenswerte deklariert werden", es müssten vielmehr "Belege, Urkunden oder Bescheinigungen Dritter" eingereicht werden, um die Existenz des Trusts nachzuweisen.

Andernfalls wäre auch in keiner Weise nachprüfbar, was in einem Trust liegt.

Gunter Sachs legte bei der Verwaltung seiner Südsee-Firmen extremen Wert auf Geheimhaltung. Über Jahre hinweg stand sein Name nicht in den Kundendateien von Portcullis - eine höchst seltene Ausnahmeregelung. In den elektronischen Akten dreier seiner Trusts wird im April 1999 von einem Mitarbeiter festgehalten: "Keine Informationen zum Gründer, offensichtlich sehr geheim. Keine Info zu Bank-Daten. Keine Willenserklärung des Stifters."

Gunter Sachs sicherte sich in einer absolut vertraulichen Umgebung doppelt ab, gegen die sonstigen Gepflogenheiten. Er war also geheim im Geheimen, anonym in der Anonymität.

Nun existieren Dokumente, die genau belegen, welches Vermögen in die Trusts eingelegt wurde. Die Nachlassverwalter kamen der Bitte der SZ, diese Dokumente einsehen zu können, jedoch nicht nach. So bleibt die Frage, ob und welche Werte aus den Trusts den Steuerbehörden gemeldet wurden, im Ungewissen.

Es geht um 470 Millionen Schweizer Franken

Diverse Anfragen an die Erben des Verstorbenen, an seine Anwälte und Geschäftspartner blieben im Einzelnen unbeantwortet. Als Antwort kam lediglich ein Schreiben der beiden Nachlassverwalter, die zwar im Kontakt mit den Erben stehen, jedoch ausdrücklich nicht für sie sprechen. In diesem Schreiben heißt es: "Alle Vermögenswerte, die dem Erblasser Gunter Sachs im Zeitpunkt seines Todes gehörten, sind im Erbschaftsinventar und in den bei den zuständigen Steuerbehörden eingereichten Erbschaftssteuererklärungen per Todestag aufgeführt." All diese Werte seien den Steuerbehörden aber "schon zu Lebzeiten von Herrn Sachs für die Zwecke seiner Einkommen- und Vermögensteuer offengelegt" worden.

Um welche Größenordnungen es bei Gunter Sachs geht, erfährt man in dem erwähnten Erbschaftsinventar: Sein Vermögen zum Todeszeitpunkt ist dort mit 470 Millionen Schweizer Franken angegeben. Der verstorbene Playboy hatte das seltene Glück, gleich in zwei Familiendynastien hineingeboren zu werden: Der Vater, der Industrielle Willy Sachs, besaß das Motorenwerk "Fichtel und Sachs" - allein der Verkauf des Großteils seiner Anteile daran brachte Gunter Sachs später wohl über 200 Millionen D-Mark ein. Und die Mutter, Elinor von Opel, war als Enkelin von Adam Opel, dem Gründer der Firma Opel, mit einem nicht viel kleineren Erbe ausgestattet. Alter Geldadel, wohin Sachs sah.

Mit seinem Cousin, dem Rennfahrer Frederick von Opel, scheint Sachs Firmengründungen in Panama, einer weiteren Steueroase, angegangen zu haben. Beide sind als Präsidenten und gesetzliche Repräsentanten jeweils einer in Panama angemeldeten Firma registriert. Die Sachssche Firma trägt den Namen "Dirki Finance S.A.", die seines Cousins heißt "Muraccio Investment S.A.".

Zwischen diesen Firmen muss es eine Verbindung geben: Sie wurden am selben Tag, am 16. September 1977 gegründet, und in beiden Firmen amtierten dieselben zwei Schweizer Treuhänder als Direktoren. Dazu befragt behaupten beide, sich an keine Details mehr erinnern zu können, von Opel war für die SZ nicht erreichbar.

Auch die Panama-Firma wurde weder in Sachs' letzten Steuererklärungen erwähnt, noch im Erbschaftsinventar. Laut des panamaischen Firmenregisters ist sie aber bis heute aktiv. Zu dieser Firma gaben die Nachlassverwalter keine Stellungnahme ab.

Noch ist die Liste von Offshore-Firmen aber nicht zu Ende: Gunter Sachs hielt nämlich auch Anteile an vier Firmen, die zwischen 2003 und 2008 in den Steueroasen Britische Jungferninseln, Jersey und Luxemburg gegründet wurden. 2008 legte er sie dann alle ins selbe Nest, ins verschwiegene Großherzogtum Luxemburg.

Jetzt wird es kompliziert, aber ein genauer Blick lohnt sich: Gemäß offiziellen Dokumenten hatten diese Firmen zeitweise ein Kapital von etwa neun Millionen Franken, dazu Bankschulden von rund 77 Millionen Schweizer Franken und etliche Immobilien in der Schweiz, die den Banken wohl als Sicherheit für die Schulden dienten und entsprechend wertvoll sein dürften.

Deklariert sind in Erbschaftsverzeichnis und Steuererklärungen lediglich zwei dieser vier Firmen, und auch diese wohl weit unter ihrem tatsächlichen Wert - die übergeordnete Holding Sunrise Water mit Null, die K-Berg mit 60 000 Schweizer Franken. Die anderen beiden Firmen, K-Buchs und K-Erlen, sind den Finanzbehörden bis heute unbekannt.

Diese Handhabung verwirrt selbst Fachleute. Unterbeteiligungen müssen nicht unbedingt deklariert werden - "wenn dies nicht getan wird, muss zwingend die Holding selbst korrekt bewertet werden", erklärt Andrea Opel, Professorin für Steuerrecht an der Universität Luzern.

Dokumente, die der SZ vorliegen, deuten darauf hin, dass dies nicht korrekt erfolgt ist. Demgemäß liegen in zwei Firmen Schweizer Immobilien, deren Buchwert weit unter dem Verkehrswert liegt.

Die Nachlassverwalter bestreiten, die Steuerbehörden ungenügend über den Firmenwert informiert zu haben.

Eines wird aus diesem Gewirr von Firmen, Beteiligungen, Schulden und Steueroasen offenbar: Gunter Sachs betrieb einen unwahrscheinlichen Aufwand, um Teile seines Millionenvermögens im Verborgenen verwalten zu können. Bis hierhin kommt man auf elf Offshore-Firmen, von deren Existenz die Finanzbehörden nichts wissen. Selbst das eher zart ausgeprägte Steuersystem der Schweiz war ihm offenbar Anreiz genug, sich Steuervermeidungsstrategien zu überlegen.

Wer sich das komplizierte Netzwerk der Sachsschen Offshore-Firmen ansieht, der versteht: Es war gewiss nicht leicht, den Überblick zu behalten. Aber angeblich hatte Gunter Sachs in jedem seiner vielen Häuser und Wohnungen, am Ende waren es 13, ein voll eingerichtetes Arbeitszimmer. Das jedenfalls hört man aus Sachs' engstem Umfeld. Und der oft als Lebemann verschriene "Sexy Sachs", so nannte der Boulevard ihn in den Sechzigerjahren, arbeitete dort angeblich oft schon früh am Morgen.

Die Offshore-Leaks-Dokumente zeigen, dass Sachs tatsächlich an der Instandhaltung seiner Steueroasen-Firmen mitarbeitete. Es gibt eine Reihe von persönlich verfassten Briefen, in denen er die Ernennung und Absetzung von Trustees bekanntgibt, juristisch korrekt eingeleitet mit der Formel "in Ausübung der Rechte, die mir als Gründer des Trusts übertragen wurden".

Gezeichnet: Gunter Sachs.

Was droht jetzt nach der Enthüllung?

Sachs hatte sich aber auch professionelle Unterstützung organisiert. Zum einen die Anwälte von Lenz & Staehelin, zum anderen aber eine Genfer Firma mit dem Namen Galaxar S.A. Dahinter verbirgt sich sein "Family Office", eine Firma, die nur mit der Verwaltung und Mehrung seines Vermögens befasst war. Nach Angaben eines Ehemaligen kümmerten sich weltweit fast 30 Mitarbeiter um die Immobilien in Europa und den USA, die Kunstsammlung, die Autos und Yachten.

Geschäftsführer dieser Galaxar war bis zu Sachs' Tod der deutsche Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Wolfgang Reinicke, ein ehemaliger Weltbankberater. Die Galaxar war in die Sachsschen Offshore-Unternehmungen voll eingebunden: Reinicke war nicht nur Direktor zweier Firmen auf den Cookinseln, sondern auch Geschäftsführer oder Verwaltungsrat in den vier Luxemburg-Firmen. Wolfgang Reinicke wollte auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben und verwies auf die Erklärung der beiden Nachlassverwalter.

Samstag, der 6. Mai 2011. Gunter Sachs ist aus den Vereinigten Staaten ins Schweizerische Gstaad zurückgereist - in sein Chalet, ein altes Bauernhaus. Nach dem Abendessen setzt er sich an seinen Schreibtisch, schreibt einen Abschiedsbrief, in dem er "die ausweglose Krankheit A." erwähnt, und erschießt sich.

Zu diesem Zeitpunkt befindet sich neben dem Butler auch Sachs' bester Freund Samir Sibaei mit im Chalet. Sibaei hat Sachs die vergangenen 50 Jahre begleitet, als Studienfreund, als Trauzeuge bei Sachs' erster Hochzeit, eine Zeitlang auch als Sekretär. In seiner Autobiografie schreibt Sachs über die Freundschaft: "Wir waren Co-Architekten unserer Leben."

Möglicherweise war der aus Beirut stammende Sibaei auch Co-Architekt der Sachsschen Finanzkonstruktionen, jedenfalls war er an zahlreichen Stellen involviert: als Direktor und Trustee der Südsee-Vehikel und als Verwaltungsrat des Family Office. Auf SZ-Anfrage antwortete er bis Mittwochnachmittag nicht.

Das war das System Gunter Sachs, das über viele Jahre im Verborgenen funktionierte - und von dem viele profitierten, Sachs selbst, seine Söhne als Begünstigte, Samir Sibaei und all die Dienstleister, also die Rechtsanwälte, Direktoren, Verwaltungsräte, Trustees und Geschäftsführer der Offshore-Firmen. Und die Briefkastenfirmen-Anbieter selbst.

Nur dem Staat war außen vor in dieser Konstruktion.

Aber Gunter Sachs ist tot, und es stellt sich nur mehr die Frage, welche Folgen all das im Hier und Heute haben wird. Steuerhinterziehung ist in der Schweiz nur eine Ordnungswidrigkeit, und für den Tatbestand spielt es keine Rolle, ob sie absichtlich oder unabsichtlich begangen wurde. Denn auch das ist möglich: Dass sowohl Sachs wie auch seine Nachlassverwalter in der weitverzweigten Offshore-Konstruktion die Übersicht verloren haben.

Das zentrale Dokument in dieser Frage ist das Erbschaftsinventar. Den unterzeichnenden Anwälten drohen rechtliche Konsequenzen, meint der Schweizer Steuerrechtler Kolb, "so man ihnen nachweisen kann, dass sie bei der Steuerhinterziehung mitgewirkt oder dazu angestiftet haben".

Auf die Erben kommen hohe Nachzahlungen zu, sollten die Schweizer Steuerbehörden feststellen, dass Sachs, seit 1976 Schweizer Bürger und seit 2008 in Gstaad gemeldet, Steuern hinterzogen hat. Und möglicherweise auch Bußgelder, "wenn sie Vermögenswerte wider besseres Wissen nicht deklariert haben", erklärt Kolb.

Gunter Sachs befand sich schon einmal im Auge eines Steuerskandals: Als er und seine Brüder Mitte der Siebzigerjahre die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen hatten, in die Schweiz gezogen waren und wenig später ihre Fichtel & Sachs-Anteile für etwa 330 Millionen D-Mark verkaufen wollten, schlugen die Finanzbehörden los: Am 22. Januar 1976 durchsuchten zehn Mitarbeiter des Finanzamts Sachs' Bauernhof in der oberbayerischen Rechenau, fünf andere Beamte sein Münchner Büro, es folgten Wohnungen auf Sylt und in Hamburg - immer auf der Suche nach dem Beweis, dass Sachs einen festen Wohnsitz in Deutschland hatte. Sie hatten keinen Erfolg.

So wurde aus dem Steuerfall Sachs die "Affäre Sachs", eine Titelgeschichte im Spiegel. Gunter Sachs fühlte sich verfolgt. Für ihn liefen die Ermittlungen der Finanzbehörden im "Fluchtpunkt Neid" zusammen. In seiner Autobiografie beschrieb er ein Treffen mit "drei hohen Herren der Finanz". Da sei ihm herausgerutscht: "Wenn wir Müller, Maier, Huber hießen, säßen wir nicht hier". Die drei, fügt er hinzu, hießen Müller, Meyer und Huber.

Es ist wohl eine Anekdote ohne Wahrheitswert. Jedenfalls sagt der letzte noch lebende dieser drei, Finanzstaatssekretär Albert Meyer, er könne sich weder daran erinnern, noch seien sie je alle drei mit Sachs in einem Raum gewesen.

Gunter Sachs hatte wohl manchmal seine ganz eigene Wahrheit, und vielleicht hat er einfach gerne übertrieben. Nur gegenüber dem Finanzamt war der begnadete Unterhalter offenbar ziemlich verschwiegen. Gemessen an gesetzlichen Vorgaben muss man wohl sagen: zu verschwiegen.

Mitarbeit: Miranda Patrucic

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