Plastikmüll:Danke für die Gebühr

Der Handel sagt den Plastiktaschen den Kampf an - auf sanften Druck. Tüten kosten jetzt etwas. Die EU will den Verbrauch in den Mitgliedsländern senken.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Bei Lengermann & Trieschmann ist es seit drei Wochen vorbei mit den kostenlosen Tüten. 20 Cent nimmt das Modehaus im Herzen von Osnabrück neuerdings für jede Plastiktasche. Und was ist passiert? "Nichts", sagt Mark Rauschen, Chef des Modehauses. "Der Sturm der Entrüstung blieb aus, ganz im Gegenteil." Viele Kunden seien geradezu dankbar, dass sie nicht mehr für jedes paar Socken eine Tüte bekommen. "An der Kasse löst das erstaunliche gruppendynamische Prozesse aus", sagt Rausch. Und die Zahl der Tüten sei um 75 Prozent zurückgegangen.

So ähnlich soll es nun überall zugehen in der Republik. Am Dienstag unterzeichneten Handel und Bundesumweltministerium eine entsprechende Vereinbarung. Darin verpflichtet sich der Einzelhandel, zunächst 60 Prozent aller Plastiktüten nicht mehr kostenlos auszugeben. Von 2018 an soll der Anteil auf 80 Prozent steigen. Ein jahrelanger Streit hat damit ein zunächst friedliches Ende gefunden. Denn hinter der Vereinbarung stehen Vorgaben der EU: Sie hat als Obergrenze für Plastiktüten einen jährlichen Verbrauch von zunächst 90, ab 2025 nur noch 40 Tüten je EU-Bürger gesetzt. Einige EU-Staaten haben schon Steuern oder Abgaben auf die Beutel erhoben, Deutschland dagegen entschied sich für eine Selbstverpflichtung. Deren Vorteil sei, "dass es nun eine gesellschaftliche Debatte gibt", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Wohl wahr, denn auch im Handelsverband HDE hatte es zuvor zähe Debatten gegeben. "Der Handel steht bereit, seinen Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz zu leisten", sagt nun dessen Präsident Josef Sanktjohanser. Für Gesetze gebe es keinen Grund.

Plastiktüten
(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Ganz vom Tisch sind gesetzliche Vorgaben aber noch nicht. Jährlich soll nun überprüft werden, wie die Abmachung wirkt. Mit derzeit rund 71 Tüten je Bundesbürger und Jahr liegen hiesige Kunden noch unter der ersten EU-Schwelle. Um aber die 40 Tüten zu erreichen, "ist noch einiges zu tun", sagt Hendricks. Jährlich soll der Handel daher überprüfen lassen, wie viel sich getan hat. Sollten die Erfolge ausbleiben, so warnt die Ministerin, könnten "ordnungsrechtliche Schritte" doch noch folgen.

Umweltschützer fordern das schon lange. "Lösen lässt sich das Tüten-Problem nur mit Steuern oder Abgaben", sagt Thomas Fischer, Abfallexperte bei der Deutschen Umwelthilfe. "Diese Übereinkunft dient eher dazu, die Plastiktüte am Leben zu halten." Für zu viele Einzelhändler sei die mit dem eigenen Logo bedruckte Tüte nach wie vor ein willkommenes Marketing-Instrument, und ein billiges noch dazu: Viele Tüten kosten in der Herstellung nicht einmal einen Cent. Auch im Umweltbundesamt, als Behörde dem Umweltministerium unterstellt, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Die Vereinbarung nehme nur Plastiktüten in den Blick, kritisiert Behördenchefin Maria Krautzberger. "Einwegtüten sollten aber generell vermieden werden, egal ob sie aus Plastik, Papier oder Stoff sind", sagt sie. Wirklich umweltfreundlich sei nur, Tüten mehrfach zu nutzen. Auch verlangt das Umweltbundesamt Einblick in die Zahlen, die der Handel künftig erheben will. Wobei das Abkommen die Gutachter, die die Zahl der Tüten erheben sollen, zur Verschwiegenheit verpflichtet.

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