Pläne von Investor René Benko:Karstadts Zukunft steht in Innsbruck

Wer wissen will, wie sich der neue Eigentümer Benko die Zukunft des Konzerns vorstellt, muss nach Innsbruck fahren. Dort steht das "Kaufhaus Tyrol". Die Vergangenheit findet sich in Iserlohn.

Von Kirsten Bialdiga, Karl-Heinz Büschemann und Max Hägler, Innsbruck/Iserlohn

Die Zukunft hat einen Knick, und sie stammt von David Chipperfield. Der britische Stararchitekt hat in der Innenstadt von Innsbruck ein Einkaufszentrum entworfen und dessen Fassade in einer Zickzacklinie laufen lassen. Das gibt dem sandsteinfarbenen Haus mit seinen großen Fenstern die Leichtigkeit, um die historischen Gebäude der Nachbarschaft nicht zu erdrücken. Dahinter verbirgt sich ein Einkaufszentrum, wie es sie in anderen Städten auch gibt. Doch dieses genießt Kultstatus. Deshalb kann die Chipperfield-Fassade in Tirols Landeshauptstadt auch etwas über die Zukunft von Karstadt sagen, wenigstens andeuten.

Wo heute Touristen auf der Maria-Theresien-Straße unter Sonnenschirmen ihren Cappuccino trinken, war früher auch schon ein Kaufhaus Tyrol. Es war ein Traditionsgeschäft, das am Schluss nur noch ein Ramschladen war mit Wühltischatmosphäre. Unrentabel. Unattraktiv. Ein Schandfleck an der vornehmen Straße. Ohne Zukunft. Niemand trank hier seinen Cappuccino. Dann kam René Benko.

Der 37-jährige Immobilienunternehmer kaufte vor knapp zehn Jahren das alte Haus, erwarb noch ein paar Grundstücke drumherum, überzeugte die Stadtverwaltung von seiner Idee und baute nach erbittertem Widerstand der Denkmalschützer für 155 Millionen Euro sein Einkaufszentrum mit 55 Läden und sechs Restaurants. Seitdem ziehen sie hier den Hut vor dem gebürtigen Innsbrucker. Zum Beispiel Thomas Hudovernik, der Vorsitzende der Kaufleute-Vereinigung: "Das Kaufhaus Tyrol ist für Innsbruck eine Aufwertung." Es helfe allen Läden der Stadt, "weil es ein Magnet ist". Die Stadtverwaltung schwärmt, dass das Benko-Haus den Umsatz in der Stadt um zehn Prozent erhöht hat.

Kann dieser Mann, der gerade für einen Euro die Karstadt AG gekauft hat, auch die verstaubte Warenhauskette wieder auf Hochglanz bringen? Kann dieser René Benko die ganze Gruppe oder nur ein paar Filialen in guten Lagen retten und daraus Einkaufszentren machen wie in Innsbruck? Bei vielen der 17 000 Karstadt-Mitarbeiter geht die Furcht um, dass sie in die Hände eines Immobilienmoguls geraten sind, der es nur darauf absieht, die Perlen des Konzerns für sich zu nutzen und den Rest zu schließen oder an den Konkurrenten Kaufhof zu verscherbeln.

In Iserlohn haben sie Angst: Die dortige Filiale gilt als sehr gefährdet

Eines der gefährdeten Karstadt-Häuser steht in Iserlohn, einer Stadt mit 95 000 Einwohnern im südlichen Westfalen. Das Haus am Schillerplatz kommt nur noch knapp über die Runden. Vor 15 Jahren arbeiteten hier 200 Leute, jetzt sind es noch 150. Konkurrenz durch Ketten wie C&A, H+M oder das Internet und auch fehlende Investitionen sorgten für den Niedergang, der in den Auslagen zu besichtigen ist.

Kaufhaus Tyrol

Benko-City Innsbruck: Das "Kaufhaus Tyrol" hat das Bild der Maria-Theresien-Straße verändert.

(Foto: Ute Zscharnt für David Chipperfield Architects)

Schon jetzt werden bei Karstadt in Iserlohn Winterstiefel und Christbaumschmuck verkauft. Zum Schleuderpreis. "Das ist Ware aus dem vergangenen Jahr", bemerkt ein Kunde mit Kennerblick. "Solche Verschleuderungsaktionen dienen vor allem einem Ziel: Um jeden Preis Bargeld in die Kasse zu bekommen", erklärt ein ehemaliger Karstadt-Manager. Ein gutes Zeichen sei das nicht. Draußen sieht es nicht besser aus. Nur zwei Schaufenster sind dekoriert, wie man es kennt, mit Puppen, Dekomaterial und allem Drum und Dran. Hinter den übrigen Scheiben hängen nur Werbeplakate. An der schwarzgrauen Außenfassade breitet sich Rost aus. Ob René Benko an dieser Filiale Gefallen findet?

Angestaubtes Image, aufsässige Gewerkschaften

Bürgermeister Peter Paul Ahrens, ein studierter Raumplaner, hat schon vorgesorgt. Mitte Juli hat die Stadt die Karstadt-Immobilie gekauft. Nur einen hohen einstelligen Millionenbetrag habe das gekostet, sagt der SPD-Bürgermeister, aus dem bereits der Immobilieninvestor spricht, der auch ohne einen Benko klarkommt: "Wir wollen den Standort am liebsten gemeinsam mit Karstadt entwickeln, aber wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, wollen wir gewappnet sein."

Am Freitag hat der Bürgermeister schon mit Verantwortlichen der Karstadt-Zentrale in Essen gesprochen. Ob Iserlohn einer der Standorte ohne Zukunft sein könnte, wollte er wissen. Erfahren hat er nicht viel. Eines ist aber klar: Sollte Benko sich zur Schließung entschließen, müsste er eine hohe Ablösesumme an die Stadt zahlen, um aus dem Mietvertrag herauszukommen. Der kann erstmals 2021 gekündigt werden.

Langlaufende Mietverträge für Filialen, aufsässige Gewerkschaften, die sich gegen Personalabbau sperren, Sozialpläne, ein angestaubtes Image und unrentable Lagen machen es dem Neubesitzer Benko nicht einfach, das Problem zu lösen, das er sich aufgehalst hat. Noch verrät er nicht, was er plant. Damit will er bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung warten. Wann die stattfindet, bleibt auch noch ein Geheimnis. Man schmiedet Pläne, und im Zentrum der Strategie steht Aufsichtsratschef Stephan Fanderl, von dem es heißt, der habe das Vertrauen Benkos. Schon wird spekuliert, ob Fanderl bald den Chefposten übernimmt. "Der hat die richtigen Gene", sagt ein Benko-Mann über den Manager, der kürzlich angekündigt hatte, bei Karstadt drohten 20 der 83 Filialen die Schließung.

Stararchitekt David Chipperfield plant bereits für Bozen

A handout picture shows Austrian property investor Benko

Investor René Benko: Karstadt und Kaufhof, das hätte sich für ihn gut gefügt. Doch Eigentümer Metro hat sich anders entschieden. Aber wieso?

(Foto: Reuters)

Bei Benko halten viele Karstadt für einen Fall von krassem Missmanagement, für das auch der bisherige Besitzer Nicolas Berggruen verantwortlich sei. Zwei Chefs hintereinander, die wie Andrew Jennings und Eva-Lotta Sjöstedt aus dem Ausland kommen und beide mit den Finessen des deutschen Einzelhandels nicht vertraut waren, seien ein grober Fehler gewesen. Berggruen hatte im Interview mit der SZ freimütig zugegeben, dass er sich nicht genug um das Unternehmen gekümmert hat, das er vor vier Jahren gekauft hatte. Aber kann ein Finanzjongleur wie dieser René Benko zum Händler werden, der sich Filiale für Filiale um Karstadt kümmert?

Benko ist ein Ausnahmeunternehmer, dessen Aufstieg nicht jedem geheuer ist. Mit 17 Jahren hat er schon angefangen mit seinen Geschäften. Heute wird sein Vermögen auf 850 Millionen Euro geschätzt. Der Mann, der in der Öffentlichkeit kaum auftritt, hat aber die Fähigkeit, einflussreiche Unterstützer und Finanziers um sich zu scharen. Im Aufsichtsrat seiner Firma Signa sitzt der ehemalige österreichische Bundeskanzler und heutige Lobbyist Alfred Gusenbauer (SPÖ) sowie aus Deutschland der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Benko hat aber auch eine Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung hinter sich wegen eines Vorfalles in Italien, den die Richterin einen "Musterfall von Korruption" nannte. Seine 1999 gegründete Signa ist stolz darauf, bisher mit Investitionen in Immobilien in besten Lagen Erfolg zu haben. Benko versteht sich als Entwickler, als Verwerter von Immobilien. Als Kaufhaus-Betreiber, der sich in einem Warenhauskonzern um Sortimente und Lagerhaltung kümmern müsste, ist der Dynamiker bisher nicht aufgefallen.

Er kann einen Kaufhauskonzern führen, behaupten seine Mitarbeiter. "Das Kaufhaus Tyrol ist keine Blaupause für Karstadt", behauptet ein Benko-Mann. Der Konkurrent Kaufhof mache doch vor, dass das System Kaufhaus noch funktioniert. Das müsse auch bei Karstadt klappen. Daran glauben Benko, seine Berater und Aufsichtsratschef Fanderl. "Deswegen haben wir bereits 200 Millionen Euro investiert", heißt es bei Signa . Ein Immobilienunternehmer müsse nicht immer Immobilienunternehmer bleiben.

Nicht nur die Karstadt-Mitarbeiter wollen wissen, wie ihr neuer Eigentümer das Kunststück schaffen will, diese Firma wieder in Ordnung zu bringen. Auch in Innsbruck fragt sich mancher, ob Benko sich mit dem Schritt nach Deutschland übernimmt. "Wie der das schafft, ist uns ein Rätsel", sagt ein Innsbrucker Unternehmer. Hat Benko in seiner 150 Mitarbeiter zählenden Firma überhaupt die Management-Kraft, das Projekt zu stemmen? Seien sie unbesorgt, sagt ein Benko-Vertreter: "Wir übernehmen uns nicht."

Schon geht es weiter mit Benkos rasenden Geschäften. Gerade bietet er für ein Einkaufszentrum im Südtiroler Bozen. Flächen sind bereits gesichert. "Wir sind optimistisch, den Zuschlag zu bekommen", heißt es bei Benko. Stararchitekt Chipperfield arbeitet schon an den Entwürfen.

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