Pläne im Aufsichtsrat:Telekom-Chef Ricke vor dem Rauswurf

Der Deutschen Telekom laufen die Kunden weg, und der Aktienkurs will einfach nicht richtig steigen. Die Geduld des Aufsichtsrats mit dem Konzernchef scheint jetzt aufgebraucht zu sein: Kai-Uwe Ricke muss aller Voraussicht nach noch dieses Jahr gehen.

Ulrich Schäfer

Der Aufsichtsrat des Bonner Konzerns werde im November zu einer Sondersitzung zusammenkommen, erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus informierten Kreisen. Bei dem Treffen soll vorrausichtlich die anstehende Vertragsverlängerung von Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke nicht mehr auf der Tagesordnung stehen.

Pläne im Aufsichtsrat: Das Vertrauen der Mitarbeiter in das Management ist erschüttert: Telekom-Chef Ricke muss vorraussichtlich gehen.

Das Vertrauen der Mitarbeiter in das Management ist erschüttert: Telekom-Chef Ricke muss vorraussichtlich gehen.

(Foto: Foto: Reuters)

Als Nachfolger ist René Obermann im Gespräch, der Chef der Mobilfunksparte T-Mobile. Auch über dessen mögliche Berufung könnte der Aufsichtsrat in der Sondersitzung beraten.

Ricke war in die Kritik geraten, weil der Telekom die Kunden weglaufen, er massiv Personal abbaut und der Aktienkurs nicht steigt.

Spekulationen in den vergangenen Wochen

Bereits in den vergangenen Wochen war immer wieder darüber spekuliert worden, ob Rickes Vertrag, der bis Herbst 2007 läuft, verlängert wird.

Zuletzt hatten mehrere Medien gemutmaßt, Ricke werde statt der üblichen Verlängerung um fünf Jahre nur ein neuer Vertrag über drei Jahre angeboten.

Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel hatte diese Berichte als ,,blanken Unsinn'' bezeichnet. Sie entbehrten jeder Grundlage. Darüber hinaus lehnte Zumwinkel, der auch Vorstandschef der Deutschen Post ist, jeden Kommentar ab.

Entscheidung am vergangenen Mittwoch

Offenbar soll der Vertrag von Ricke nun überhaupt nicht verlängert werden. Das Präsidium des Aufsichtsrats habe auf seiner Sitzung am vergangenen Mittwoch entschieden, die Vertragsverlängerung nicht auf die Tagesordnung der nächsten Aufsichtsratssitzung zu setzen, hieß es in den informierten Kreisen.

Das nächste reguläre Treffen der Aufseher war ursprünglich für den 5. Dezember vorgesehen. Stattdessen werde das Gremium nun aber schon in der zweiten Novemberhälfte tagen, bestätigten mehrere mit der Sache vertraute Personen der SZ.

Als Termin für die außerordentliche Aufsichtsratssitzung werde der 19. November angestrebt, hieß es an anderer Stelle.

Noch kein formaler Beschluss

Den Aufsehern könnte dann auch der Vorschlag unterbreitet werden, René Obermann zum neuen Telekom-Chef zu berufen. Formal gebe es über den Wechsel an der Telekom-Spitze allerdings noch keinen Beschluss, hieß es.

Telekom-Chef Ricke vor dem Rauswurf

Der 43-jährige Obermann gehört seit vier Jahren dem Konzernvorstand der Telekom an. Er leitet die Mobilfunkttochter T-Mobile. Der damalige Telekom-Chef Ron Sommer hatte ihn 1998 vom Mobilfunkbetreiber Hutchison zur Telekom nach Bonn geholt.

Obermann hatte als Student ein eigenes, schnell wachsendes Unternehmen gegründet, den Telefonhändler ABC Telekom in Münster, und dieses später an den Hongkonger Konzern Hutchison Whampoa verkauft.

Spekulationen auch über andere Kandidaten

In den vergangenen Wochen war immer wieder auch über andere Kandidaten für die Nachfolge Rickes spekuliert worden. Anfangs wurde etwa der Name des jetzigen Karstadt-Chefs Thomas Middelhoff genannt, der zuvor jahrelang den Medienkonzern Bertelsmann geleitet hatte. Zuletzt wurde darüber berichtet, dass Vodafone-Vorstand Thomas Geitner an die Telekom-Spitze rücken könnte.

Ricke war in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert worden. Die Haupteigentümer der Telekom, der Bund und die amerikanische Investmentgesellschaft Blackstone, bemängelten, dass der Telekom im Festnetz-Geschäft seit Jahresbeginn mehr als eine Million Kunden davongelaufen seien und der Aktienkurs seit vier Jahren praktisch nicht steige.

Neue Strategie

Ricke hatte daraufhin im September dem Aufsichtsrat eine neue Strategie präsentiert und die Tarife gesenkt. Er konnte damit aber die Haupteigentümer offenbar nicht überzeugen.

Dem Bund gehören noch immer knapp 32 Prozent der Telekom, gut die Hälfte davon hält die Staatsbank KfW. Der Finanzinvestor Blackstone erwarb im Frühjahr einen Anteil von 4,5 Prozent. Das Bundesfinanzministerium lehnte jeden Kommentar ab: Zu unternehmensinternen Angelegenheiten nehme man keine Stellung, sagte ein Sprecher.

Auch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat hatten den Telekom-Chef kritisiert, weil er Zehntausende Stellen streichen oder auslagern will.

Auch Aufsichtsrat unter Druck

Der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats, Verdi-Vorstand Lothar Schröder, sagte, er selber stehe deswegen unter Druck aus den eigenen Reihen: ,,Es wird immer wieder die Forderung an mich herangetragen, bei mangelnder Einsicht der betreffenden Vorstandsmitglieder Konsequenzen zu ziehen''.

Das Vertrauen vieler Mitarbeiter in das Management sei ,,zutiefst erschüttert''. Sollte der Aufsichtsrat Ricke abberufen, müsste nach Angaben aus den informierten Kreisen auch der Vorstand der Festnetz-Sparte, Walter Raizner, gehen.

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