Pläne gegen Schulden:Koalition erwägt höhere Sozialabgaben

Womöglich müssen die Deutschen bald mehr zur Arbeitslosenversicherung zahlen - der Beitrag könnte von 2,8 Prozent auf 4,5 Prozent steigen. Das erwägt nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die Bundesregierung. Zur Sanierung des Haushalts sind drakonische Maßnahmen nötig.

Claus Hulverscheidt

Die Krise kommt beim Bürger an: Angesichts des Rekorddefizits im Haushalt wird in der Koalition darüber nachgedacht, von 2011 an den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zu erhöhen.

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Angesichts des gigantischen Schuldenbergs ist die Bundesregierung auf der Suche nach neuen Geldquellen.

(Foto: Foto: ddp)

In Fraktionskreisen hieß es, ohne einen solchen Schritt werde die Regierung auf Jahre hinaus Milliarden an die Bundesagentur für Arbeit (BA) überweisen müssen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hatten Union und FDP bereits bei den Koalitionsverhandlungen darüber diskutiert, den BA-Beitrag von heute 2,8 auf 4,5 Prozent anzuheben.

Wegen der neu im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse muss die Regierung die Neuverschuldung um Konjunktureinflüsse bereinigt bis zum Jahr 2016 um insgesamt 60 Milliarden Euro reduzieren.

"Klassisches Programm reicht nicht"

Das bedeutet, dass das Defizit von 2011 an Jahr für Jahr um zehn Milliarden Euro sinken muss. "Das sind Dimensionen, bei denen ein klassisches Sparprogramm nicht mehr ausreicht", sagte der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, Clemens Fuest, der SZ. Er befürchte deshalb, dass am Ende die Mehrwertsteuer angehoben werden müsse.

Genau das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) aber bisher kategorisch ausgeschlossen - was auch der Grund ist, warum schon bei den Koalitionsverhandlungen die Frage des BA-Beitrags aufkam.

Angesichts der spürbar steigenden Ausgaben für das Arbeitslosengeld kommt die Bundesagentur mit dem jetzigen Satz von 2,8 Prozent des Bruttolohns bei weitem nicht aus. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) muss deshalb allein für das kommende Jahr 16 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt zuschießen. Für 2011 kalkuliert man regierungsintern mit 14 Milliarden Euro. Würde der BA-Beitrag auf 4,8 Prozent steigen, könnte Schäuble dagegen gänzlich auf Zuschüsse verzichten und das Etatdefizit entsprechend senken.

"Es war schon ein Fehler, dass der Beitragssatz in der letzten Legislaturperiode überhaupt so weit gedrückt wurde, statt einen Puffer zu behalten", hieß es in den Kreisen. Deshalb werde man jetzt um eine Erhöhung nicht herumkommen - jedenfalls dann nicht, wenn die Regierung tatsächlich die Steuern weiter senken und einen sozialen Kahlschlag vermeiden wolle.

Zahlreiche Einzelmaßnahmen

Im Blick hat die Koalition darüber hinaus den Steuerzuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung, der 2011 ebenfalls fast 16 Milliarden Euro erreichen wird. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Jürgen Koppelin kündigte zudem an, man werde zahlreiche Rüstungsprogramme überprüfen.

Nach Einschätzung des Beiratsvorsitzenden Fuest wird die Koalition darüber hinaus zahlreiche Subventionen abbauen müssen. Er nannte als Beispiele die Pendlerpauschale, die steuerliche Absetzbarkeit von Arbeitszimmern, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz sowie Vergünstigungen im Energie-, Umwelt- und Agrarbereich. CSU-Chef Horst Seehofer forderte eine Kraftanstrengung von Bund und Ländern, um Defizite zu verringern und zugleich die Steuern 2011 noch einmal um 20 Milliarden Euro senken zu können.

Der Chef-Haushälter der FDP-Fraktion, Otto Fricke, warnte davor, nur einzelne gesellschaftliche Gruppen zu belasten, sein Unions-Kollege Norbert Barthle sagte, wie viel tatsächlich gespart werden müsse, hänge vom Ausgang der Steuerschätzung im Mai ab. Die Opposition forderte die Regierung auf, ihre "Geheimpläne" umgehend auf den Tisch zu legen.

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