Pipers Welt:Was jetzt hilft

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An dieser Stelle schreibt jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Nach dem Amtswechsel im Weißen Haus ist die Zukunft des Welthandels offen. Trump spricht von Strafzöllen statt von Marktöffnung. Nun ist es an der Zeit, die WTO zu stärken.

Von Nikolaus Piper

Bilder gibt es, die sind so anachronistisch, dass sie schon wieder aktuell sind. Als die CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon Anfang des Monats zu ihrer Klausurtagung zusammentraf, versammelte sich davor auch ein kleines Häuflein Demonstranten. Sie protestierten nicht gegen die Flüchtlingspolitik oder die Maut oder gegen irgendein anderes CSU-Thema, sondern gegen - TTIP und Ceta, die beiden Handelsabkommen zwischen der EU einerseits und den Vereinigten Staaten und Kanada andererseits. Wie einem Bericht des Trostberger Tagblattes zu entnehmen ist, durfte die "Initiative Stopp TTIP" auch einen offenen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer übergeben.

Protestieren gegen TTIP? Heute? Seit dem 8. November, dem Wahlsieg von Donald Trump ist die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft mausetot. Selbst wenn nicht jeder Tweet aus dem Trump Tower für bare Münze zu nehmen ist - zu hoffen, ein paar Berater würden aus Trump, dem Protektionisten, einen Freihändler machen, wäre kühn. Nach menschlichem Ermessen wird TTIP, zusammen mit der Schließung des Lagers Guantanamo, auf der Liste gescheiterter Projekte aus der Ära Obama enden. Was bleibt, vielleicht, ist Ceta, ausgehandelt mit Justin Trudeau, dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Kanadas, als Solitär und Erinnerung an andere Zeiten.

Die TTIP-Gegner, die im vergangenen Jahr zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen waren, sollten sich jetzt eigentlich nicht in Seeon die Beine in den Bauch stehen, sondern nach Berlin fahren und an diesem Freitag die Inauguration Trumps feiern. Schließlich hat er ihnen die Arbeit abgenommen. Wahrscheinlich wird es noch einige Zeit dauern, bis der kritischen Öffentlichkeit so richtig klar wird, wie sehr sich die Welt nach der amerikanischen Wahlnacht geändert hat. Als im vergangenen Jahr Papiere aus den TTIP-Verhandlungen an Greenpeace geleakt wurden, war die Aufregung groß. Denn offenbar wollten die Amerikaner BMW, Daimler, VW und all die anderen nur dann ohne Zölle ins Land lassen, wenn die Europäer ihrerseits ihre Gentechnik-Vorschriften lockern, ein Anathema für Deutsche.

Heute geht es nicht länger um mehr oder minder konsequente Marktöffnung, sondern um das Gegenteil. BMW soll 35 Prozent Strafsteuer auf Autos zahlen, die aus Mexiko in die Vereinigten Staaten einführt werden, sagt der neue Präsident, Und dass es unfair sei, wenn man auf deutschen Straßen keine Chevrolets sehe. Nun wird sicher irgendwann ein Berater dem neuen Mann etwas von globalen Lieferketten erzählen und ihm erklären, dass Chevrolets in Deutschland Opel heißen.

Es bleibt die Tatsache, dass sich die Einstellung zum Welthandel in Washington so radikal geändert hat, wie sich das bis vor wenigen Monaten noch niemand vorstellen konnte.

TTIP hatte mit Werten zu tun. Demokratien, nicht Autokratien sollten die Regeln setzen

Spätestens jetzt sollte man sich daran erinnern, dass die Handelsabkommen TTIP, Ceta und das transpazifische Abkommen TPP auch etwas mit Werten zu tun haben sollten, mit westlichen Werten, von denen in diesen Tagen - aus gutem Grund - so viel die Rede ist. Die Sache mit den Werten hat bei den ganzen Protesten gegen TTIP früher nie eine Rolle gespielt. Deshalb lohnt es sich, obwohl die Zeit darüber hinweggegangen ist, nochmals in den Verhandlungsauftrag der EU für TTIP hineinzuschauen. Dort ist von "gemeinsamen Werten in Bereichen wie Menschenrechte, fundamentale Menschenrechte, Demokratie und Herrschaft des Rechts" die Rede. Die "nachhaltige Entwicklung" wird beschworen, "anständige Arbeit für alle" sowie der "Schutz und die Erhaltung der Umwelt und der natürlichen Ressourcen".

TPP und TTIP sollten auch verhindern, dass wirtschaftlich erfolgreiche, aber autoritär geführte Staaten - also vor allem die Volksrepublik China - künftig die Spielregen auf den Weltmärkten festlegen. Deshalb war es so bitter mitanzusehen, wie in Davos Chinas Präsident Xi Jinping die Lücke nutzte, die Amerika hinterließ, und sein Land als Vorkämpfer für den Freihandel und gegen den Protektionismus darstellte. Ausgerechnet China, das seinen Heimatmarkt immer mehr abschottet und wo ein Ausländer noch nicht einmal ohne chinesische Partner eine Firma kaufen darf.

Aber man soll auch das Positive sehen. Trumps Pläne für Strafzölle würden, jedenfalls in der Form, in der er sie der Bild-Zeitung und Twitter anvertraut hat, den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) widersprechen. Die EU könnte gegen einen Anti-BMW-Mexiko-Zoll vor der WTO klagen, und sie würde wohl recht bekommen. Trump müsste seine Strafsteuer zurücknehmen, oder aber die EU bekäme das Recht auf Vergeltung. Die Europäer könnten die USA dann mit Strafzöllen belegen und zwar dort, wo es wehtut, bei Agrarimporten etwa und bei Dienstleistungen.

Die WTO, bei vielen Globalisierungsgegnern ebenfalls verhasst, bekommt so eine ganz neue Bedeutung, als Retterin vor der Willkür Trumps. Grundlage der WTO ist das Prinzip der Nichtdiskriminierung: "Kein Land darf zwischen seinen Handelspartnern diskriminieren. Es darf nicht zwischen seinen eigenen und ausländischen Produkten, Dienstleistungen und Staatsbürgern diskriminieren." Und die WTO ist mächtig, weil sie Geschädigten die Chance bietet, sich zu wehren. Bisher haben sich die USA als mit Abstand mächtigstes Mitglied immer an Schiedssprüche der Organisation gehalten. Selbst Trump dürfte es schwerfallen, die von den USA mitaufgebaute Ordnung fundamental zu schädigen, die WTO zu torpedieren oder sie gleich den Chinesen zu überlassen. Andererseits, was weiß man schon heutzutage? Vielleicht sollten die Leute, statt gegen TTIP, zur Abwechslung mal für die WTO demonstrieren.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

© SZ vom 20.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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