Pipers Welt:Offenheit bringt Erfolg

Der am Montag verstorbene Nobelpreisträger Douglass North hatte recht : Offene Gesellschaften sind besser dafür gerüstet, Krisen zu meistern.

Von Nikolaus Piper

Es gehört zu den traurigen Dingen im Leben, dass man Menschen oft erst verstehen lernt, nachdem sie gestorben ist. Douglass North, der große Wirtschaftshistoriker und Nobelpreisträger, ist am Montag mit 95 in seinem Sommerhaus in Michigan gestorben. Bekannt war North, weil er entdeckte hatte, wie sehr die Qualität von Institutionen - also Rechtsstaat, Vereine, Vertragswesen und anderes - darüber entscheidet, ob ein Land wirtschaftlich Erfolg hat oder nicht. Weniger bekannt ist, was North zur Gewalt in Gesellschaften zu sagen hatte. Es lässt sich direkt auf die dramatischen Ereignisse der vergangenen Wochen - Flüchtlingskrise und Terror - anwenden. Nachzulesen sind die Gedanken in "Gewalt und Gesellschaftsordnungen". Sein letztes Buch, das er zusammen mit dem Ökonomen John Wallis und dem Politologen Barry Weingast geschrieben hatte, erschien 2013 auf deutsch.

Es lohnt sich heute mehr denn je, darin zu lesen. Nach North gibt es zwei Typen von Staaten: Erstens "natürliche Staaten". In ihnen sichern sich Eliten das Gewaltmonopol und die Ressourcen und organisieren die Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen. Natürliche Staaten sind in vorgeschichtlicher Zeit entstanden, auch heute noch leben gut 85 Prozent der Erdbevölkerung in solchen Gemeinwesen. Den zweiten Typ von Staaten nennt North "open access societies" (Gesellschaften mit offenem Zugang). Sie lösen das Gewaltproblem durch Wettbewerb und Mitsprache. Offene Gesellschaften sind ökonomisch ungleich erfolgreicher als natürliche Staaten. Sie sind erst Ende des 18. Jahrhunderts in Westeuropa entstanden. Nur 25 Länder mit ungefähr 15 Prozent der Erdbevölkerung sind, so North, heute offene Gesellschaften.

Piper, Nikolaus

Natürliche Staaten begrenzen die Teilhabe ihrer Bürger und sind den offenen Gesellschaften daher weit unterlegen. Die Welt wäre reicher und sicherer, wenn sich letztere überall durchsetzen könnten. Doch der Übergang ist extrem schwer. Die Eliten müssten bereit sein, schreibt North, mehr Menschen Zugang zu den Ressourcen zu geben, sie müssten zulassen, dass ihre Untertanen sich frei selbst organisieren. Das Militär schließlich müsste der Kontrolle der Eliten entzogen werden. Ohne diese Bedingungen könne der Wechsel zu einer offenen Gesellschaft nicht gelingen.

Gutmeinende Menschen im Westen verstehen das oft nicht und machen alles noch schlimmer. "In einer Gesellschaft mit begrenztem Zugang, in der die Bedingungen für den Wandel nicht erfüllt sind, gefährdet eine Politik, die in offenen Gesellschaften funktioniert (freie Märkte und Wettbewerb), die Sicherheit der Eliten. Gewalt ist dann an der Tagesordnung". Das war die Tragik des arabischen Frühlings, der in Diktatur, Bürgerkrieg und in Flüchtlingsströmen epochalen Ausmaßes endete. Das Problem zeige sich heute im Nahen Osten. "Irak ist der klassische Fall einer Gesellschaft mit begrenztem Zugang, die zusammengebrochen ist, und die nicht durch irgendetwas anderes ersetzt wurde. Wir sind gerade dabei herauszufinden, wie man mit so einer Situation umgeht - nicht sehr erfolgreich, wie ich hinzufügen möchte." Das ist schön ausgedrückt.

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Dollar im Jahr betrug das Pro-Kopf-Einkommen Ägyptens 1952, ein bisschen mehr als in Südkorea (104 Dollar). Heute hat Korea 18 000 Dollar erreicht, Ägypten ist bei 2200 Dollar geblieben. Beide Länder sind klassische Beispiele für richtige und falsche Entwicklungsstrategie. Korea öffnete sich, Ägypten wehrte sich gegen den Kapitalismus. (In aktuellen Dollars, Quelle: Weltbank, SZ)

North' Botschaft ist nicht sehr optimistisch, was die Beseitigung der Fluchtursachen betrifft. Man kann Demokratie und Marktwirtschaft nicht exportieren. Versuche, dies zu tun, enden im Desaster. Immerhin hat North einen Ratschlag für westliche Helfer. Er selbst hatte immer wieder Regierungen armer Länder beraten. Davor habe er jedesmal sechs Monate verbracht, um sich in die Kultur und die Geschichte des Landes einzulesen.

Man kann dies auch Bescheidenheit nennen.

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