Pipers Welt:Frisches Geld für Menschen

In der Ökonomie wird eine neue Idee diskutiert: QEP.

Von Nikolaus Piper

Einen neuen Begriff gilt es in der Ökonomie zu begrüßen: "Quantitative Easing for People", kurz QEP. Seit der Finanzkrise drucken Europäische Zentralbank, Federal Reserve und Bank of England Abermilliarden an frischem Geld (das herkömmliche "Quantitative Easing"), in der Hoffnung, die Deflation abzuwehren und dem Aufschwung Kraft zu geben. Jetzt treten linke Politiker und Ökonomen mit dem Versprechen auf, das viele gedruckte Geld so auszugeben, dass es einen echten Aufschwung produziert und "den Men-schen" zugute kommt. Der neue britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn hat QEP zum Programm erhoben. Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis unterstützt das Konzept. Beim gewerkschaftsnahen deutschen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) legte Abteilungsleiter Andrew Watt ein Arbeitspapier vor unter dem Titel: "Quantitative Easing with Bite" ("Lockere Geldpolitik mit Biss"). Auf Facebook schließlich gibt es eine Kampagne, die die Europäische Zentralbank von QEP überzeugen soll und die bereits 1000 Unterstützer gefunden hat.

Der Grundgedanke von QEP ist simpel: Bisher sind die Notenbanken indirekt vorgegangen, sie haben Staatsanleihen gekauft und Geld gedruckt, immer in der Hoffnung, dass die Unternehmen die niedrigen Zinsen für neue Kredite und Investitionen nutzen. QEP dagegen ist direkt. Die Notenbanken sollen es dem Staat geben, damit er es investieren kann. Das ist zunächst einmal ein radikaler Tabubruch. Mit herkömmlichem Quantitative Easing haben EZB, Fed und Bank von England das Verbot der Staatsfinanzierung durch Notenbanken nur angekratzt. Jetzt soll es gebrochen werden.

Piper, Nikolaus

Jeremy Corbyn, der neue Labour-Chef, möchte eine National Investment Bank gründen, die in Mietwohnungen, Straßen, Digitalprojekte und Ähnliches investiert. Die Bank von England würde per Gesetz verpflichtet, deren Anleihen zu kaufen. Die Politiker wären nicht mehr vom normalen Kapitalmarkt abhängig, Austerität wäre nicht mehr notwendig. Und was Corbyn seine Investitionsbank, ist Varoufakis und anderen die EZB und Europäische Investitionsbank (EIB).

Das Heimtückische an all diesen Plänen ist, dass sie kurzfristig wirken können. Wenn die Inflationsrate so niedrig ist, wie derzeit, dann schadet es in der Tat wenig, wenn die Regierungen mit frisch gedrucktem Geld Wohnungen bauen. Aber was kommt danach? Was ist, wenn, wie zu erwarten, Inflation, einsetzt? Wird die Bank von England dann aufhören (dürfen), frisches Geld zu drucken, wo es doch bis dahin so gut funktioniert hat? Wahrscheinlich nicht. Die Notenbank wäre gefangen. Ohnehin wäre sie dann nicht mehr dieselbe. Durch ihre neuen Pflichten hätte sie ihre Unabhängigkeit verloren, könnte Inflation nicht mehr bekämpfen, wie sie will. Das würden früher oder später auch die Kapitalmärkte mitbekommen und einen Risikoaufschlag verlangen. Der Preis für QEP würde fällig.

4,5 Billionen Dollar

... hat die Bilanzsumme der amerikanischen Notenbank Federal Reserve mittlerweile erreicht. Vor der Finanzkrise 2007 war es weniger als eine Billion. Hier zeigt sich am deutlichsten der Effekt von "Quantitative Easing". Obwohl das Programm offiziell beendet ist, steigt die Bilanzsumme immer noch weiter.

Tatsächlich steckt hinter dem Konzept von QEP eine monströse Anmaßung, die Vorstellung nämlich, dass Stabilitätspolitik, wie sie die Notenbanken heute qua Gesetz betreiben müssen, nur den Banken und nicht "den Menschen" hilft und dass ein bisschen Inflation besser für die einfachen Leute sei. Wer die Siebzigerjahre in Großbritannien erlebt hat, der weiß, wie grundfalsch diese These ist. Hoffentlich befassen sich die Vordenker der neuen Geldpolitik einmal mit der Geschichte des 20. Jahrhundert und erkennen ihren Irrtum rechtzeitig.

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