Pipers Welt:Fakten tun weh

Warum wollen viele Amerikaner immer noch Donald Trump wählen, obwohl der Kandidat doch nachweislich unzählige Male die Unwahrheit gesagt hat?

Von Nikolaus Piper

Warum sind eigentlich so viele Amerikaner immer noch entschlossen, Donald Trump zu wählen, obwohl der Kandidat doch nachweislich unzählige Male die Unwahrheit gesagt hat? David Ignatius, Kolumnist der Washington Post, hat die Erklärung dafür in den Sozialwissenschaften gesucht. Und er wurde fündig.

Die Rede ist vom confirmation bias, einem Effekt, der meist mit "Bestätigungsfehler" übersetzt wird: Menschen neigen dazu, Fakten, die ihre vorgefasste Meinung bestätigen, eher zu akzeptieren als solche, die ihr widersprechen. Der Effekt wurde erstmals 1960 von dem britischen Psychologen Peter Wason beschrieben und seither in etlichen Studien bestätigt. Forscher der Stanford-Universität stellten zum Beispiel 1979 für ein Experiment zwei Gruppen von Menschen zusammen; die eine bestand aus Befürwortern der Todesstrafe, die andere aus Gegnern. Dann präsentierten sie den Probanden zwei Studien - die eine schien zu belegen, dass die Todesstrafe durch Abschreckung Verbrechen verhindert, die andere das Gegenteil. Nach der Präsentation blieben nicht nur beide Gruppen bei ihren Meinungen, sie vertraten sie auch noch vehementer als zuvor. Die Auseinandersetzung mit den Fakten hatte zur weiteren Polarisierung geführt.

Nimmt man die Theorie vom Bestätigungsfehler ernst, dann ist klar, dass sich gesellschaftliche Kontroversen nicht durch die Präsentation von Fakten entschärfen lassen. Man kann auch Donald Trump nicht durch Fakten beikommen. Im vergangenen Jahr zum Beispiel behauptete er, nach dem Terroranschlag von 11. September 2001 hätten Tausende von Moslems in New Jersey gejubelt. Die Meldung ist längst als frei erfunden entlarvt, trotzdem wird sie von vielen Trump-Anhängern immer noch geglaubt.

Pipers Welt: Nikolaus Piper bewundert die Italiener, die trotz ihres dysfunktionalen Staates erfolgreich wirtschaften.

Nikolaus Piper bewundert die Italiener, die trotz ihres dysfunktionalen Staates erfolgreich wirtschaften.

Die Sache mit dem confirmation bias ließe sich auch auf Deutschland anwenden. Zum Beispiel auf die Kampagne gegen die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta. Jedes neue Faktum zu dem Streit führt dazu, dass sich die Fronten weiter verhärten. Das Ceta-Abkommen mit Kanada etwa liegt vor, es ist nicht geheim, und bisher konnte auch niemand sagen, worin denn nun genau der Schaden für Demokratie und Sozialstaat durch Ceta liegen soll. Das wird aber nicht verhindern, dass demnächst wieder Hunderttausende gegen TTIP und Ceta auf die Straße gehen. Es verursacht emotionale Kosten, manchmal auch materielle, seine Meinung zu ändern. Man hat viel Geld für eine Opernpremiere ausgegeben und muss nun feststellen, dass die Inszenierung abscheulich ist. Gesteht man dies ein, muss man auch die Opernkarte innerlich abschreiben.

"Mit Fakten zu argumentieren, hilft nichts. Es macht die Sache nur schlimmer", schrieb Christopher Graves, Global Chairman der PR-Agentur Ogilvy im Harvard Business Review. Und wenn man Vorurteile zitiere, um sie zu widerlegen, popularisiere man sie unbeabsichtigt. Graves ging es in seinem Artikel um das lebensgefährliche Vorurteil, dass Impfen zu Autismus führt. Er rät Ärzten es mit affirmation zu versuchen, mit Bestätigung: Ich weiß, dass du dein Kind liebst, wenn du es nicht impfen lässt. Trotzdem ist dein Verhalten gefährlich, von Masern kann ein Kind schließlich sterben.

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...Prozent der amerikanischen Wähler würden sich für den Republikaner Donald Trump entscheiden, wenn jetzt Wahlen wären, 42,3 Prozent für Hillary Clinton. Dies ergab der Durchschnitt der Meinungsumfragen aus dem Monat August, den das US-Nachrichtenportal "Real Clear Politics"veröffentlicht. Der Vorsprung Clintons ist bisher stabil, aber auch relativ klein.

Man weiß nicht so recht, wie man dieses Rezept auf den politischen Streit im Allgemeinen und auf die Wähler von Donald Trump im Besonderen anwenden soll. Vielleicht muss man bei dem Mann einfach darauf vertrauen, dass er sich selbst demontiert. Er braucht dazu ja keine Fakten.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

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