Philips:Das große Zittern

Die Finanzkrise erreicht die Großkonzerne: Philips hat als erster europäischer Konzern schlechte Quartalszahlen infolge der Hypothekenkrise gemeldet. Experten geben sich dennoch optimistisch.

S. Boehringer und C. Hoffmann

Die Finanzkrise ist bei den Unternehmen angekommen. Erst veröffentlichte am Freitag der US-Mischkonzern General Electric einen Gewinnrückgang für das erste Quartal. Und Amerikas nach Börsenwert zweitgrößter Konzern erwartet auch für das restliche Jahr deutlich geringere Erträge als seither. Wegen der Vielfalt seiner Aktivitäten gilt GE als repräsentativ für die Lage in vielen Branchen.

Philips: Verluste im TV-Geschäft belasten Philips.

Verluste im TV-Geschäft belasten Philips.

(Foto: Foto: ddp)

Am Montag folgte der niederländische Elektronikkonzern Philips mit noch schlechteren Nachrichten. Wesentlicher Grund auch hier: Der Einbruch des US-Geschäfts.

Das Verbrauchervertrauen ist dort auf den tiefsten Stand seit Anfang der achtziger Jahre gefallen. In der stark auf den Heimatmarkt fokussierten Industrie der Vereinigten Staaten macht der Konsum drei Viertel der Wirtschaftsleistung aus.

Der Pessimist von Goldman Sachs

Ob und inwiefern die Schlappe der führenden Volkswirtschaft der Welt von den anderen beiden Stützen der Weltkonjunktur, Europa und Asien , kompensiert werden kann, ist nun die große Frage. Die führende Investmentbank der Wall Street, Goldman Sachs, verbreitet sehr pessimistische Prognosen dazu.

Goldman-Chefstratege Peter Oppenheimer, hält die bisherigen Gewinnprognosen der Analysten für das laufende Geschäftsjahr für zu hoch. Zwar rechnet der Durchschnitt der Aktienmarktstragen nur noch mit sieben Prozent Gewinnwachstum 2008, was die 600 größten europäischen Firmen angeht. Im Januar war die Prognose noch zweistellig. Trotzdem sei der Ausblick zu optimistisch. Oppenheimer rechnet mit einen Gewinnrückgang in Europa um zwölf Prozent.

Die europäische Wirtschaft sei zwar nicht in Gefahr zu schrumpfen wie in den USA, dazu entwickle sich Asien zu robust. Allerdings erwartet Goldman Sachs auch in Brasilien, Russland, Indien und China eine Abschwächung und damit weniger Umsatzwachstum. "Viele Topmanager halten dennoch an ihrem zuversichtlichen Ausblick für 2008 fest", sagt Oppenheimer. Der Stratege hat ihre Berichte gelesen und hält sie für zu blauäugig.

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Das große Zittern

Als Risiken nennt er insbesondere die steigenden Lohnkosten. Auch überschätzten zahlreiche Konsumgüterhersteller und Einzelhändler seiner Meinung nach die Konsumausgaben. Daneben werde es für einige Unternehmen schwer, die steigenden Kosten für Löhne und Rohstoffe an die Kunden weiterzureichen.

Die Hoffnungen auf ein überdurchschnittliches Wachstum in den aufstrebenden Ländern und eine Abkoppelung von der US-Ökonomie hält Oppenheimer für überzogen. Und schließlich machten die gestiegenen Finanzierungskosten und der schwache Dollar vielen Firmen zu schaffen. All das werde die Gewinnmargen drücken, folgert Oppenheimer. Er ist mit seinem geballten Pessimismus bislang fast allein auf weiter Flur. Zwar sehen auch andere Beobachter einige derselben Einzelrisiken für die europäische Konjunktur, bewerten jedoch deren Durchschlagskraft meist deutlich geringer.

Die Optimisten

So rechnet etwa Carsten Heise, Chefvolkswirt der Allianz, "zeitverzögert auch mit Bremsspuren in der europäischen Konjunktur im zweiten und dritten Quartal diesen Jahres". Gleichzeitig glaubt Heise allerdings, werde die Niedrigzinspolitik sowie das staatliche Konsumprogramm der Regierung Bush die US-Wirtschaft wieder auf Kurs bringen. "Eine Trendumkehr der Weltwirtschaft hin zu einem dauerhaften Abschwung sehe ich daher nicht."

Ähnlich optimistisch äußert sich auch Holger Schmieding, Europa-Volkswirt der Bank of America: "Solange sich das Investitionsklima nicht deutlich eintrübt, und dafür gibt es keine Anzeichen, dürften europäische und vor allem deutsche Unternehmen glimpflich davonkommen." Wegen steigender Löhne und wachsender Beschäftigungsquoten rechnet Schmieding hierzulande mit mehr Konsum. Dies könne dann eine fallende Exportnachfrage kompensieren, mit der das Gros der Experten wegen des im Vergleich zum Dollar teuren Euro fest rechnet.

Prognose für Deutschland

Christian Dreger, Leiter der Konjunkturforschung beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, hält die Auswirkungen der Finanzkrise auf die hiesige Konjunktur auch deshalb für sehr begrenzt, "weil die Verbindung zwischen Finanz- und Realwirtschaft in Deutschland viel geringer ist als in Amerika oder Großbritannien." So hänge etwa der heimische Konsum in den vergangenen 30 Jahren "fast nur am laufenden Einkommen" und nicht am Vermögen. Ein Volk von Mietern, das wenig in Aktien investiert, komme in turbulenten Börsenzeiten besser durch als die stärker vermögensorientierten Verbraucher.

Die unterschiedlichen Prognosen sind ab nächste Woche überprüfbar. Dann beginnt auch in Deutschland die Quartalssaison. Den Anfang bei den Dax-Firmen machen Bayer, BASF und Lufthansa. Es folgen Metro, BMW, Daimler und Volkswagen. Vor allem für die Autobauer gilt: Ein wichtiger Teil ihrer Erträge kam bislang aus den USA. Die Frage ist, ob sich genügend Deutsche und auch Asiaten finden, die für klamme amerikanische Verbraucher in die Bresche springen.

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