Pharma-Patron Merckle:Auch Patriarchen irren

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Einfach so verzockt: Adolf Merckle ist vom Pharma-Patron zum Fehlspekulanten geworden. Das zeigt: Familienunternehmer wirtschaften nicht immer besser als Großkonzerne.

Elisabeth Dostert

Erst Schaeffler, dann Merckle: Familienunternehmer sind also auch nicht besser als die Konzerne, die keinen Clan im Hintergrund haben! Den Schluss jedenfalls legen die Meldungen der vergangenen Tage nahe. Die Schaefflers brauchen womöglich die Hilfe ausländischer Staatsfonds, um die Übernahme des Reifenherstellers Continental zu stemmen, heißt es. Den Termin für ihre Offerte hatten die Franken falsch gewählt. Nach dem Kursverfall beim börsennotierten Konzern könnte die Familie Continental heute um einige Milliarden Euro billiger haben. Schade eigentlich: Die Geschichte las sich doch anfangs so schön, wie die unternehmerische Interpretation des biblischen Kampfes von David gegen Goliath. Und wer freut sich nicht, wenn der - gemessen am Umsatz - Schwächere über den Stärkeren siegt.

Adolf Merckle hat sich mit VW-Aktien massiv verspekuliert. (Foto: Foto: dpa)

Und nun soll auch noch die milliardenschwere Familie von Adolf Merckle, zu deren verschachteltem Imperium Firmen wie Ratiopharm, Phoenix, Kässbohrer und Heidelberg-Cement gehören, mit VW-Papieren einige hundert Millionen Euro verzockt haben. Der Clan wettete auf sinkende Aktienkurse, wie viele gewöhnliche Anleger und Hedgefonds auch. Möglicherweise wurde er dabei von seinen Bankern falsch beraten. Nebenbei bemerkt: Eine andere Dynastie, die Familie Porsche/Piëch, setzte auf steigende Kurse und hat damit in den vergangenen Wochen ihr Vermögen geschickt um einige Milliarden Euro vermehrt.

Trotzdem ramponieren Nachrichten wie die über Schaeffler und Merckle das Image des Familienunternehmers, so wie es in der breiten Öffentlichkeit immer noch gepflegt wird: ein Hort der Stabilität, geführt von einem unfehlbaren Patriarchen, der in Generationen denkt, nicht in Quartalsberichten - kurzum: der Gegenentwurf zum hochbezahlten angestellten Manager, der nur das eigene Einkommen maximiert und weder dem Wohle der Belegschaft noch dem der Gesellschaft dient - und über kurz oder lang über seine Geldgier stolpert.

Das eine Bild ist so falsch wie das andere. Es sind Zerrbilder. Familienunternehmer sind so wenig unfehlbar wie angestellte Manager in börsennotierten Konzernen. Ihre Zeithorizonte mögen unterschiedlich sein. Familien denken tatsächlich eher in Generationen und angestellte Manager tendenziell in der Laufzeit ihrer Arbeitsverträge. Aber auch langfristiges Denken schützt nicht vor Fehlern. Auch die Gier nach Renditen ist in der Bevölkerung statistisch normal verteilt. Gezockt wird in allen Einkommensklassen, das zeigen die Merckles und die vielen Kleinsparer, die mit Investmentpapieren der Bank Lehman auf die Nase gefallen sind.

Weltweit tätige Familienunternehmen wie Schaeffler oder Merckle agieren heute genauso wie global aufgestellte Konzerne mit breit gestreutem Aktionärskreis. Sie können gar nicht anders, denn beide stehen im internationalen Wettbewerb um die gleichen Märkte und die gleichen Kapitalquellen. Die Art, wie sich die Schaefflers mit Hilfe der Banken über Aktien und Optionen an Continental anpirschten, ist nur ein Beispiel für die Ebenbürtigkeit der Konzerne, unabhängig von der Eigentümerstruktur.

Aus der Wahl des Termins für ihre Offerte lässt sich den Franken kaum ein Vorwurf machen. Wer wusste schon im Juli, welches Ausmaß die Krise noch annehmen würde und wie stark die Kurse einbrechen? Wer sollte den Vorwurf auch formulieren? Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg müssen sich auf keiner Hauptversammlung den Fragen von Kleinaktionären und institutionellen Investoren stellen. Schaeffler hat sich für vier Jahre auf eine Minderheitsbeteiligung von 49,99 Prozent an Continental verpflichtet. Zum Preis von 75 Euro wurden aber deutlich mehr Conti-Aktien angedient, für die sie nun einen Käufer finden müssen - notfalls mit Preisnachlass. Das Risiko des teuren Einkaufs tragen die Schaefflers aber alleine mit ihrem Vermögen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu Konzernen im Streubesitz.

In unsicheren Zeiten mag die Sehnsucht der Menschen nach Vorbildern besonders groß sein. Pauschal erfüllen diese Sehnsucht jedoch auch Familienunternehmer nicht.

© SZ vom 18.11.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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