Pelzhandel:Marderhund am Hinterkopf

Marderhund

Das Fell des Marderhundes ziert viele Kaputzen, aber nur wenige Jackenbesitzer wissen das.

(Foto: dpa)
  • An vielen Kapuzen findet sich das Fell von chinesischen Marderhunden - der Hinweis darauf auf dem Etikett fehlt jedoch häufig.
  • Hersteller und Händler scheinen stattdessen lieber Bußgelder in Kauf zu nehmen.

Von Michael Kläsgen

Männer tragen es, Frauen sowieso, aber auch Kinder und manchmal sogar Babys - und das, obwohl es wegen der Chemikalien, die in Europa verboten sind, Hautreizungen auslösen können soll. An vielen Kapuzen ist es an diesem Nachmittag zu sehen, manchmal auch als Bommel an Mützen. Es ist das gleiche Fell, das eine Tierschützerin aus einer Kiste in dem schwarzen Zelt holt, das Animals United mitten auf die Münchner Einkaufsstraße gestellt hat: Marderhund aus China, braunbeige schimmerndes Fell, lange, sehr feine Haare, die sich, wenn man sanft pustet, leicht zur Seite neigen; unten Leder; wenn man ein kleines Büschel anflämmt, riecht es nach verbranntem Haar.

So gut wie keiner der Passanten interessiert sich für das Zelt. "Dabei sind in Umfragen fast alle gegen das Tragen von Pelz", sagt Melanie Reiner, die Vorstandsvorsitzende von Animals United. Sie muss auf die Menschen zugehen. Viele sagen, sie wüssten gar nicht, was sie da tragen. Eine zieht die Jacke aus und schaut auf das Etikett: kein Hinweis auf Echtfell. Stehen müsste dort nach EU-Recht zumindest der Vermerk: "Enthält nicht-textile Teile tierischen Ursprungs." Man könne den Pelz nun in ein Labor schicken, genetisch untersuchen lassen und bei einem positiven Befund dem Händler oder Hersteller zuschicken. "Im schlimmsten Fall droht dann ein Bußgeld", sagt Reiner. "Das Risiko nehmen manche gern in Kauf."

Echtfell ist in der Herstellung billiger als Kunstfell

Die Gewinne sollen gigantisch sein. Diejenigen, die den Tieren in China, wie in Internet-Videos zu sehen ist, das Fell teils bei lebendigem Leib über die Ohren ziehen, sollen gerade mal umgerechnet 70 Cent pro Marderhund erhalten. Ganze Marderhundfell-Platten kann man über german.alibaba.com zwischen 50 und 80 Euro das Stück bei Großhändlern in China kaufen. Die Jacken mit Kragenbesatz sind hier ab 50 Euro in Geschäften erhältlich. Nur: Das Fell taucht in keiner Statistik auf, weil es nicht deklariert oder als Kunstfell gekennzeichnet wird, wie Proben der Stiftung Warentest bestätigen. Denn Kunstfell wird akzeptiert, Echtfell ist aber billiger in der Herstellung.

"Betrügereien können wir nicht ausschließen", sagt ein Sprecher des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie. Der Fellbesatz werde in China, in Osteuropa, in Rumänien oder der Türkei an die Jacken oder die Mützen genäht. Herkunft und Art seien kaum zurückzuverfolgen. Hier könnte eine der Ursachen liegen, weshalb der Marderhund vom Etikett verschwindet. Der Handel mit seinem Fell ist wohlgemerkt nicht verboten. Das Tier ist ein Zwitter, mehr Marder als Hund. In manchen Bundesländern, in denen er sich derzeit ausbreitet, darf er sogar gejagt werden. Nur: Im Handel darf sein Fell nicht einfach unterschlagen werden.

Was die Jacke teurer macht, wird in Kauf genommen

Susanne Kolb-Wachtel, die Anwältin der deutschen Pelzindustrie, sitzt in einem Café in Berlin und beschreibt einen anderen Trick: Wo mal "chinese raccoon" oder "raccoon dog" draufstand, also Marderhund, falle auf dem Handelsweg nur ein Wort weg und dann stehe da noch "raccoon", also "Waschbär". Das klinge besser und mache die Jacke teurer.

1 Milliarde

Euro Jahresumsatz machen die Pelzhändler in Deutschland ungefähr seit vielen Jahren. "Doch da sind alle Importe außen vor, die direkt in China gekauft oder über Agenturen in China gelaufen sind", sagt Susanne Kolb-Wachtel, Geschäftsführerin des Deutschen Pelzinstituts. "Die Wirtschaftsprüfer von PriceWaterhouseCoopers Italien gehen von einem Marktvolumen von 3,5 Milliarden Euro aus." Ist der Schwarzmarkt 2,5 Milliarden Euro groß? Genaue Zahlen gibt es nicht. Schon allein, weil ausländische Händler in Deutschland nicht erfasst werden.

Kolb-Wachtel ist das Feindbild der Tierschützer, dabei spricht sie oft wie sie. "Takko und Kik etwa kaufen direkt und billig in China und machen uns jede Menge Ärger wegen fehlender oder falscher Kennzeichnung", sagt sie. Kolb-Wachtel kämpft für die Einhaltung des Labels "Origin Assured" oder künftig "Welfur". Denn es garantiere, dass das Fell direkt bei einer zertifizierten und staatlich geprüften Farm oder im zertifizierten Auktionshaus gekauft worden ist. Tierschützer halten das für Augenwischerei. "Es gibt keinen guten und schlechten Pelz", sagt Thomas Pietsch der Tierschutz-Organisation "Vier Pfoten" aus Hamburg. Auch die Nerze auf den Farmen in Dänemark lebten in winzigen Käfigen mit Gitterboden und würden in den sechs Monaten ihres Daseins nicht artgerecht behandelt.

Tierschützer entlarven Echtfell auch bei Billig-Herstellern

Die Tierschützer würden jeglichen Pelz am liebsten verbannen. Aber in einer offenen Gesellschaft wird man nicht jedem vorschreiben können, was er anzuziehen hat. Nur die Kennzeichnung muss stimmen, so schreibt es das Gesetz vor. Pietsch empfiehlt, bei Markenherstellern anzufragen. Bei Closed haben Vier Pfoten nach eigenem Bekunden mit der Verbraucherzentrale Hamburg erreicht, dass falsch deklarierte Jacken mit Echtpelz aus den Geschäften verschwanden. Lea Schmitz, Biologin beim deutschen Tierschutzbund, sagt: "Eigenen Recherchen zufolge nutzt die Jackenfirma Milestone Felle von Marderhunden, die falsch gekennzeichnet sind, als Waschbärfell." Melanie Reiner von Animals United erklärt, man habe schon bei Deichmann, Forever 18, Karstadt Sports, Kult, Tom Tailor und Müller Drogeriemarkt Echtfell entlarven können, das nicht gekennzeichnet war.

Aber egal, bei welchem Händler oder Hersteller man nachfragt, immer ist alles in bester Ordnung. Kik versichert, die Ware genauestens zu prüfen und nur Kunstfell zu verwenden. Takko teilt mit, man eröffne im April sogar einen Arbeitskreis zur Qualitätssicherung. Und Madeleine Moden beteuert: "Ja, wir garantieren, dass wir keine Marderhunde aus China einkaufen und als zertifiziertes Echtfell beziehungsweise als Waschbär etikettieren."

Viele Marken wollen die Herkunft der Pelze nicht preisgeben

Der Stiftung Warentest verweigerten von 23 Pelzartikel-Anbietern 17 die Antwort darauf, welche Pelze sie verwenden und woher diese stammen, darunter Breuninger, Woolrich, Canada Goose, Burberry oder Fendi. Wo die verwendeten Felle produziert werden, gab kein einziges Unternehmen preis. Selbst wenn man Proben einschickt, wie Warentest es getan hat, etwa bei dem Institut für Mikrobiologie in Dillingen, und falsch deklariertes Fell findet, scheint das viele Händler nicht zu stören. Sie nehmen notfalls ein Bußgeld hin.

Bei den Lieferanten ist die Sache ähnlich obskur. Anfrage an Daniel Terberger, den Chef der Katag AG, eines Einkaufsverbunds, der 370 meist mittelständische Händler und deren 1500 Modehäuser mit fast allem versorgt, auch mit Pelzprodukten. Der deutschen Bekleidungsindustrie geht es nicht gut, vor allem Mittelständler ächzen unter enormem Margendruck. Antwort Terberger: "Wir lassen unsere Ware an der Deutschen Fell-Börse zertifizieren", sagt er. "Das ist ein deutsches Zertifikat. Etwas Besseres gibt es nicht. Wir sind uns der Sensibilität des Themas bewusst."

Wirklich zuständig fühlt sich niemand

Dazu Kolb-Wachtel: "Eine Deutsche Fell-Börse gibt es nicht." Das räumt später auch Angelika Schindler-Obenhaus ein, die Einkaufschefin der Katag AG. Terberger habe das Pelz-Institut gemeint. Aber Mitglied ist die Katag dort nicht. Am liebsten wäre es ihr, sagt sie, wenn der Gesetzgeber klare Vorschriften beschließen würde, so dass Art und Herkunft des Fells gekennzeichnet werden müssten.

In der Schweiz gilt das schon in etwa so. Auch der Bundestag beschloss im November ein Gesetz, das die Überwachung in Deutschland verbessern soll. Es tritt in wenigen Tagen in Kraft. Zuständig für die Einhaltung der Kennzeichnungspflicht sind die Landesbehörden. Aber wer genau? Ein Sprecher des Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sagt, er habe den ganzen Tag telefoniert, aber es sei wie beim Buchbinder Wanninger gewesen: Niemand habe sich zuständig gefühlt. Ohnehin werde kein Beamter in Geschäfte gehen können, um dort auf Verdacht Jacken zu kaufen. Auch beim Zoll ist der Marderhund ein "Nicht-Thema". Die Behörden könnten nur auf Hinweise reagieren. In den letzten fünf Jahren wurden so lediglich zwei Fälle mit insgesamt 400 Jacken an die Bundesbehörden weitergeleitet. Keine gute Nachricht für den Marderhund.

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