Patrick Drahi:Parvenü im Kaufrausch

Altice SA Chairman Patrick Drahi And Numericable SA Chief Executive Officer Eric Denoyer Attend A News Conference On Merger Plans With SFR

Die Übernahme von SFR, dem zweitgrößten Mobilfunkanbieter Frankreichs, war sein Meisterstück: Patrick Drahi bevorzugt dennoch Billigflüge mit Easyjet.

(Foto: Ivan Guilbert/Bloomberg)

Vor einem Jahr mischte der Milliardär Frankreichs Mobilfunkmarkt auf. Jetzt steigt er in den amerikanischen Kabelmarkt ein. Seine Strategie ist aber ziemlich riskant.

Von Leo Klimm, Paris

Patrick Drahi ist keiner, der sich in den Vordergrund drängt. Wenn er wieder einmal eine Firma übernommen hat oder irgendwo eine Filiale eröffnet, mischt sich dieser freundlich-arglos wirkende Mann lieber unters Publikum und lässt andere reden. Zu den wenigen Dingen, die Patrick Drahi öffentlich äußert, gehört ein Bekenntnis zu seinem einstigen Mentor und Lehrmeister, den US-Kabelmagnaten John Malone: "Er ist mein Vorbild". Das hat Drahi im Frühjahr 2014 gesagt.

Jetzt greift der weitgehend unbekannte Franzose sein Vorbild an. Und zwar auf dessen eigenem Terrain. Der Lehrling will den Meister übertrumpfen: Drahi steigt mit dem Kauf des Regionalversorgers Suddenlink in den amerikanischen Kabelmarkt ein. Und könnte Malone und dessen Telekomkonzern Liberty Global bald zum Kampf um den Branchenriesen Time Warner Cable (TWC) herausfordern. Hartnäckig halten sich Gerüchte, Drahi lote ein Angebot für den TWC-Konzern aus, an dem auch Malone Interesse hat.

Er kaufte auch Medientitel. So ist er Mehrheitseigner von "Liberation" und "L'Express"

In anderthalb Jahren hat Drahi schon 36 Milliarden Euro für Zukäufe ausgegeben - größtenteils geliehenes Geld. Die aggressive, schuldenfinanzierte Strategie kontrastiert mit der diskreten Persönlichkeit des 51-jährigen Selfmade-Unternehmers. Drahi hat sich diese Strategie bei Malone abgeschaut. Sie hat ihm in kurzer Zeit zu einem Vermögen verholfen, das dem einschlägigen Forbes-Ranking zufolge 16 Milliarden Dollar beträgt. Das macht Drahi zum drittreichsten Franzosen. Sein Einstieg bei Suddenlink verrät nun seinen Ehrgeiz, aus einem auf Europa konzentrierten Firmenkonglomerat einen weltumspannenden Konzern zu formen.

Drahi selbst schweigt zu alledem natürlich. Dexter Goei, der die Geschäfte von Drahis Holding Altice führt, wird dafür umso deutlicher: Goei lässt keinen Zweifel, dass die Mehrheitsübernahme des Kabel-Anbieters Suddenlink, der durch die Übernahme mit 9,1 Milliarden Dollar bewertet wird, erst der Anfang sein soll. "Es wird eine weitere Konzentration in den Vereinigten Staaten geben und wir stehen dabei hoffentlich im Mittelpunkt", so Goei. "Das Ziel ist, unser Portfolio so auszubalancieren, dass künftig mindestens die Hälfte der Erlöse aus den USA kommt."

Der Kabelmarkt dort ist im Umbruch. Neue Anbieter von Medieninhalten wie die Internetkonzerne Netflix und Google machen etablierten Kabelbetreibern Abonnenten abspenstig. Das begünstigt Fusionen und den Ausbau schneller Breitband-Netze. Beides wurde bisher vor allem mit John Malone in Verbindung gebracht. Trotz des Konsolidierungsdrucks gilt der US-Kabelmarkt als wichtiger Baustein für Konzerne, die - wie Drahis Holding Altice - gerade aus der Verschmelzung von Infrastruktur und Medieninhalten Profit schlagen wollen. Drahis Vertrauensmann Goei heizt die Spekulationen an: Abgesehen von einer Übernahme des Branchenführers Comcast sei für Altice alles denkbar. Also auch ein Kampf mit Malone um TWC.

Wenn ein Megadeal denkbar ist für Altice, dann heißt das, dass Drahi ihn schon durchdacht hat. So, wie bei Drahi alles sehr durchdacht und berechnend wirkt: Der gelernte Telekom-Ingenieur nutzt zum Aufbau seines Firmen-Imperiums sämtliche Tricks zur Steueroptimierung. Er lebt mit seiner Familie in der Schweiz, den Sitz von Altice hat er in Luxemburg angesiedelt. Das hat ihm in Frankreich, wo er den Großteil seiner Erlöse erzielt, viel Kritik eingebracht.

Überhaupt bricht er mit allen Codes des Pariser Establishments, das über den Parvenü nur die Nase rümpft. Drahi leistet sich keine Sekretärin und keinen Chauffeur. Wenn er montagmorgens von Genf nach Paris reist, tut er das gern in einem Billigflieger von Easyjet.

Patrick Drahi, Sohn marokkanischer Juden, kommt erst mit 15 Jahren nach Frankreich. Nach einem ersten Job bei Philips beginnt er 1994, in der Provence Kabelanschlüsse zu verkaufen. So baut er seinen eigenen kleinen Netzbetreiber auf - den er an John Malone verkauft. Der US-Magnat beschäftigt Drahi dann als Manager und lehrt ihn die eiskalte Logik der Finanzinvestoren, die mit Krediten reihenweise Firmen kaufen. 2001 hat Drahi genug gelernt. Er macht sich wieder selbständig und kauft, dem Vorbild folgend, auf Pump so viele Kabelfirmen, bis er den französischen Markt kontrolliert. Im vergangenen Jahr dann steigt Drahi endgültig zum Telekom-Tycoon auf: Im Gefecht um SFR, den zweitgrößten Mobilfunkanbieter Frankreichs, sticht er den Industriellen Martin Bouygues aus. Es ist Drahis bisher wichtigster Deal, 17 Milliarden Euro wert.

Binnen weniger Jahre hat der Parvenü auf diese Weise ein Konglomerat mit 35 000 Mitarbeitern erschaffen, zu dem auch Kabelbetreiber, Fernsehsender und Mobilfunkanbieter in Israel, Portugal, Belgien, der Schweiz, der Dominikanischen Republik und jetzt in den USA gehören. Wie es sich für einen gestandenen französischen Milliardär gehört, hat Drahi sich kürzlich ein paar klassische Medientitel geleistet. Er ist nun Mehrheitseigner der linken Zeitung Libération und des konservativen Magazins L'Express.

Wagt Drahi bald die Übernahme von TWC, an der Börse anderthalb mal so teuer wie Altice, wäre das ein Vorstoß in neue Dimensionen. Auch in Sachen Risiko. Nach dem Einstieg bei Suddenlink sind die Schulden von Altice mit 30 Milliarden Euro schon fast fünf Mal so hoch wie der Betriebsgewinn. Erklärtes Ziel ist es, schnell weitere "Verschuldungsmöglichkeiten zu schaffen". Das aber setzt starkes Wachstum und harte Einsparungen voraus, wie Drahi sie bei SFR durchgesetzt hat.

Sein Kaufrausch ist riskant, denn er ist nur dank niedriger Zinsen an den Finanzmärkten möglich. Das verleitet die Banken, Drahi Milliarden zu leihen. Sollte dieses für Schuldenmacher ideale Umfeld verschwinden, könnte sein Firmenkonstrukt platzen wie eine Blase. Die Ratingagentur Moody's behandelt die Altice-Aktie schon als Spekulationsobjekt. Dennoch sind viele Anleger begeistert von Drahis waghalsiger Expansion. Nach der Suddenlink-Übernahme ist die Altice-Aktie vier Mal so viel wert wie vor einem Jahr.

Dabei gibt es Branchenkenner, die gar nicht ernsthaft mit einem Gebot Drahis für Time Warner Cable rechnen. "Die Gerüchte könnten auch einfach nur gestreut werden, um den Preis in die Höhe zu treiben, den John Malone am Ende für TWC zahlen muss", glaubt eine Analystin. Sollte es so kommen, hätte Patrick Drahi zwar doch nicht seinen Lehrmeister übertrumpft. Aber sehr gut geblufft.

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