Party- und Lebenskünstler Ata Macias:Das ganze Fleisch auf den Grill

Party- und Lebenskünstler Ata Macias: "Alle guten Clubs haben eine eiskalte Tür, die dafür sorgt, dass die Lokale heiß bleiben", sagt Ata Macias. Er betreibt unter anderem das Robert Johnson in Offenbach und die Bar Plank im Bahnhofsviertel.

"Alle guten Clubs haben eine eiskalte Tür, die dafür sorgt, dass die Lokale heiß bleiben", sagt Ata Macias. Er betreibt unter anderem das Robert Johnson in Offenbach und die Bar Plank im Bahnhofsviertel.

(Foto: Wolfgang Stahl)

Er hat den Wandel des Frankfurter Nachtlebens mitgestaltet - von der Erfindung des Techno bis zum Club-Restaurant. Jetzt arbeitet Ata Macias an einem Kontrastprogramm.

Interview von Jochen Temsch

Wer in Frankfurt ausgeht, kommt an Ata Macias kaum vorbei. Mit seinem künstlerischen Netzwerk prägt der Techno-DJ, Labelbesitzer, Club-, Restaurant- und Barbetreiber die Partyszene der Stadt seit den späten Achtzigerjahren. International bekannt wurde der 48-Jährige durch seinen Techno-Club Robert Johnson in Offenbach. Mit seiner Bar Plank und dem Restaurant-Club Michel ist er eine treibende Kraft beim Wandel des Bahnhofsviertels zum Ausgehquartier. Das Museum Angewandte Kunst widmete Macias eine Ausstellung. Romuald Karmakar drehte einen Dokumentarfilm mit ihm, der bei der Berlinale läuft: "Denk ich an Deutschland in der Nacht". Aktuell arbeitet Ata Macias an einem Kontrastprogramm: einem Selbstversorger-Bauernhof in Italien.

SZ: Vom DJ zum Bio-Bauer - haben Sie genug von den Frankfurter Nächten?

Ata Macias: Nein, überhaupt nicht. Ich ziehe mich nur hin und wieder in den Marken zurück und genieße die Ruhe. Mein Hof liegt auf 400 Höhenmetern, es sind keine Menschen in der Nähe, nur der Hahn kräht. Es ist das komplette Gegenteil zu dem, was im Nachtleben passiert. Das dauernde Unterwegssein als DJ dreht alles um. Die Nacht wird zum Tag, tagsüber schläft man, und der Biorhythmus ist total im Eimer. Auf dem Land habe ich eine andere Sicht auf die Dinge bekommen.

Zum Beispiel?

Ich bestrafe mich nicht mehr so wie früher. Mein Freund, der DJ Ricardo Villalobos, sagt immer: Wenn er auflegt, wirft er das ganze Fleisch auf den Grill. Wer ins Nachtleben eintaucht, kommt selten am Alkohol und allem anderen vorbei. Du musst dich regenerieren, sonst endest du böse.

Sie werden dieses Jahr 49...

...und fühle mich topfit! Die DJs aus meiner Generation, die ganz großen Namen, wir werden ja alle richtig alt. Das Publikum dagegen ist immer noch Anfang, Mitte 20. Das ist schon sehr lustig. Sehr oft denke ich: Was mache ich hier eigentlich?

Wieso halten sich die Techno-Stars überhaupt so lange?

Weil die Szene so riesig ist. Es ist die größte und am längsten währende Musikszene überhaupt, auch wenn es in der Öffentlichkeit oft nicht so wahrgenommen wird. Viele Ältere gehen heute noch gerne aus und tanzen. Seit mehr als 30 Jahren dauert das nun schon an, seit den Anfängen in Chicago und Detroit, in Berlin und Frankfurt, den Urquellen der Bewegung.

Warum war Frankfurt so bedeutend für die elektronische Musik?

Das hatte etwas damit zu tun, dass es in Frankfurt sehr viele GIs gab, Amerikaner, die sehr gute Clubs machten. Und es gab die Anbindung an die Metropolen durch den Frankfurter Flughafen, über den der Handel mit den Schallplatten lief. Das Neueste aus Chicago und Detroit kam hier an. So haben sich auch Vertriebe in Frankfurt angesiedelt, für Soul, Funk, Blues - und eben auch für House und Techno. Dann sind die Schallplattenläden entstanden, die sich um Nachschub gekümmert haben, allen voran das City Music am Hauptbahnhof. Dort hat Andreas Tomalla gearbeitet, der die Platten unter dem Begriff Techno einsortierte und dem Genre somit den Namen gab. Als DJ Talla 2XLC veranstaltete er ab Mitte der Achtzigerjahre den Technoclub - als Erster, der ausschließlich elektronische Tanzmusik spielte. Es entstand eine Mini-Kultur, die immer größer wurde.

Es gab noch weitere legendäre Clubs: schon in den Siebzigerjahren das Dorian Gray am Flughafen, später das Omen, das Cocoon von Sven Väth - was ist von diesem kulturellen Erbe heute noch übrig?

So einen Ort wie das Dorian Gray hat es damals nur einmal in ganz Europa gegeben - eine Urwiege des Ausgehens, die sich 20 Jahre lang gehalten hat. Doch inzwischen ist es weg, wie alle anderen alten Clubs bis auf das Robert Johnson, das wir vor 18 Jahren aufgemacht haben. Von der alten Garde ist außer mir nur noch DJ Talla da. Sven Väth, der wohl bekannteste Vertreter der Frankfurter Szene, hat der Stadt ja leider nach dem Ende seines Clubs Cocoon den Rücken gekehrt - dann aber noch die Ehrenbürgerwürde verliehen bekommen. Sonst ist alles, was in Frankfurt Rang und Namen hat, nach Berlin gezogen, dem Epizentrum der elektronischen Musik. Die Frankfurter Szene ist heute klein, aber gut. Uns bleiben ja noch Produzenten und DJs wie Roman Flügel, Gerd Janson, Lauer oder die Tuff City Kids. Wir haben auch eine neue, junge Generation in Frankfurt, die dafür sorgt, dass es spannend bleibt.

Warum sind Sie nicht auch nach Berlin gezogen?

Ich mag Frankfurt. Mit Berlin kann ich nicht so viel anfangen, es ist mir zu groß. Da bleibt jeder in seinem Kiez, keiner besucht den anderen. Da ist es hier familiärer. In 25 Minuten ist man durch ganz Frankfurt gelaufen. Es ist überschaubar. In einer Stadt, die ich nicht überschauen kann, würde ich mich unwohl fühlen.

Wohin gehen die Frankfurter, wenn sie ausgehen?

Ins Bahnhofsviertel. Es war schon in den Fünfzigerjahren legendär wegen seiner Nachtclubs. Die sind dann alle verschwunden. Heute ist es wieder sehr, sehr spannend. Die Barkultur ist hipper denn je. Und Essen, das ist das neue Ausgehen, das hat Hochkonjunktur im Bahnhofsviertel. Die Restaurants dürfen laut sein. Nach dem Essen geht man in eine Bar und dann noch in einen Club. Das war früher anders, da saß man zu Hause, bis man Tanzen ging. Außerdem tummeln sich hier die Chinesen, jeder geht ins Pak Choi und bestellt traditionelles Essen. Nachts sind die Straßen voll.

Warum konzentriert sich alles hinterm Hauptbahnhof?

Hier werden die Bürgersteige nie hochgeklappt. Im Rest von Frankfurt, der eher konservativ ist, sieht es anders aus. Wir haben noch eine kleine Straße in Sachsenhausen, in der es die alten Kneipen gibt, aber da ist um 22 Uhr Schicht.

Und es gibt das Robert Johnson - aber außerhalb, in Offenbach.

Es funktioniert trotzdem, obwohl wir zur entfernten Lage auch noch eine sehr harte Tür haben. Wer sich in Frankfurt vergnügt hat und dann noch wirklich Lust spürt zu tanzen, der muss den Weg auf sich nehmen - auf die Gefahr hin, von unseren Türsteherinnen abgewiesen zu werden.

Wieso haben Sie nur Frauen an der Tür?

Weil sie deeskalieren. Sie sind nicht so aufgepumpt wie Männer, die schnell in Konflikt geraten. Den Einlass regeln Frauen besser. Wir wollen eine gute Mischung im Club haben. Nur dadurch entsteht diese besondere Atmosphäre. Alle guten Clubs haben eine eiskalte Tür, die dafür sorgt, dass die Lokale heiß bleiben.

Wie sieht es mit den vielen Angestellten aus, die in Frankfurt leben - prägen die das Nachtleben auf spezielle Weise?

Wir haben wenige Gäste aus dem Banken- und Versicherungswesen. Für die gibt es andere Clubs, die andere Musik spielen und völlig anders zelebrieren, etwa mit Champagnerflaschen im VIP-Bereich. Auch da ist Frankfurt sehr groß im Nachtleben, aber damit habe ich nichts zu tun.

Sie stehen für einen unkommerziellen, künstlerischen Ansatz. Im Robert Johnson gibt es keine Reklame, nicht einmal sichtbaren Alkohol hinterm Tresen. Sind Sie nie in Versuchung gekommen, mehr Profit herauszuschlagen?

Unternehmen haben uns unglaubliche Summen geboten, um bei uns werben zu dürfen. Aber keine Chance. Zu uns kommen extra Gäste aus ganz Europa, weil sie bestimmte DJs gezielt in unserer Atmosphäre hören wollen. Es ist eine besondere Form der Kommunikation: Die DJs haben keine Kanzel, sondern arbeiten nahe an der Tanzfläche, man kann sie berühren. Wir haben einen Tresen und eine Toilette, wo sich alle treffen. Alles befindet sich auf einer Stufe, alles auf Augenhöhe.

Und wann werden Sie Ehrenbürger von Frankfurt?

Wahrscheinlich, wenn ich wegziehe.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: