Parteien:Was die große Koalition vorhat

Schnelleres Internet, Forschung, mehr Solarparks: ein Überblick über die ersten Verhandlungsergebnisse.

Von Markus Balser, Michael Bauchmüller und Henrike Roßbach, Berlin

Sonnenaufgang in Berlin

Windräder bei Berlin. Der Anteil erneuerbarer Energien soll schneller wachsen als bisher geplant.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Schon die Schilder am Konferenzraum machten klar, dass die Koalitionsverhandlungen in die entscheidende Phase kommen. AG Digitales: "Open end" stand an der Tür der 17-köpfigen Arbeitsgruppe zur Digitalisierung. Erst um vier Uhr früh habe man sich auf ein Kapitel geeinigt, das im Zentrum eines Koalitionsvertrages stehen soll. Auch bei den Themen Steuern, Energie und Umwelt gibt es Fortschritte. Die bisherigen Ergebnisse im Einzelnen:

Digitalisierung

Union und SPD haben sich nach Angaben von Verhandlungskreisen auf Ebene der sogenannten Facharbeitsgruppe auf ein Digitalprogramm einer neuen großen Koalition geeinigt. Eine neue Regierung will demnach die digitale Spaltung des Landes bekämpfen und vor allem den Ausbau des schnellen Internets auch in ländlichen Regionen massiv vorantreiben. Neben bis zu zwölf Milliarden Euro mehr Geld soll es auch neue Förderabläufe geben. Denn bislang wurden zwar schon vier Milliarden Euro für den Ausbau bereit gestellt. Abgeflossen sind wegen zäher Bürokratie jedoch erst 90 Millionen Euro. Die Koalitionäre fürchten wegen der Welle bevorstehender Investitionen, dass es zu Engpässen bei den nötigen Baumaßnahmen kommt. Ziel ist der flächendeckende Ausbau von Gigabitnetzen bis 2025. Noch in dieser Legislaturperiode sollen wenigstens alle Gewerbegebiete ans Hochleistungsnetz angeschlossen werden. Zudem planen die Koalitionäre einen raschen Ausbau des E-Governments in Deutschland. Der Bund soll dafür Standards festlegen. Entstehen soll demnach ein zentrales, einheitliches Portal für Bürger und Unternehmen. Dies wolle man in dieser Legislaturperiode mit "großer Dynamik" vorantreiben, heißt es weiter. Experten forderten am Donnerstag einen großen Wurf: "Die Digitalisierung ist Deutschlands Schicksalsfrage", sagte der Präsident des Branchenverbands Bitkom, Achim Berg. Die Koalitionsparteien hätten die bislang offen gelassen "Wir erwarten jetzt eine ambitionierte Antwort."

Wirtschaft

Schon im Sondierungspapier war ein "Fachkräfteeinwanderungsgesetz" geplant gewesen; die Arbeitsgruppe Wirtschaft hat diesen Punkt übernommen. Der Zuzug "qualifizierter Arbeitskräfte" soll so gesteuert werden, heißt es in einem Entwurf des Arbeitsgruppenpapiers. Geplant ist auch eine "Ausstattungsoffensive" für Berufsschulen und eine Mindestausbildungsvergütung. Die Gebühren für die Meisterausbildung sollen ganz- oder teilweise erstattet werden - ein Herzenswunsch des Handwerks. Mit Frankreich zusammen soll ein "Zentrum für Künstliche Intelligenz" in öffentlicher Hand entstehen. Für forschende kleine und mittelgroße Unternehmen soll es eine steuerliche Forschungsförderung geben, "die bei den Personal- und Auftragskosten für Forschung und Entwicklung ansetzt". Vorgeschlagen haben die Wirtschaftspolitiker auch eine bessere steuerliche Abschreibung "für alle Wirtschaftsgüter, die der digitalen Transformation dienen".

Klima

Die deutschen Klimaziele sollen künftig verbindlicher werden. Union und SPD verständigten sich darauf, ihren eigenen Klimaschutzplan "vollständig" umzusetzen - mitsamt seinen Vorgaben für jeden einzelnen Sektor. Bis 2030 müsste so etwa der Verkehrsbereich 40 Prozent weniger Kohlendioxid verursachen als heute. Eine eigene Kommission soll den Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohle aufstellen - "einschließlich eines Abschlussdatums".

Energie

Der Anteil erneuerbarer Energien soll schneller wachsen als bisher geplant, auf rund 65 Prozent am Stromverbrauch bis 2030. Schon 2019 und 2020 sollen zusätzliche Ausschreibungsrunden für Wind- und Solarparks laufen. Gezielt sollen dabei auch Investitionen in Süddeutschland gefördert werden. Die bessere Verteilung soll die Stromnetze entlasten. Insgesamt soll der Ausbau der Stromnetze schneller vonstatten gehen - womöglich auch durch verstärkten Einsatz von Erdkabeln. Bis 2050, so will es sich die Koalition vornehmen, soll der Energieverbrauch um 50 Prozent sinken. Der Ansatz heiße: "efficiency first".

Umwelt

Die neue Koalition will mehr in den Naturschutz investieren, sowohl national als auch international. So soll ein "Wildnisfonds" entstehen, um die Ausweitung geschützter Gebiete zu fördern. Die Ausbreitung des Wolfes wolle die Koalition "vernünftig managen". Die Sicherheit des Menschen habe dabei "oberste Priorität". Zusätzliches Geld soll auch in den Hochwasserschutz fließen. In der Atompolitik will sich die neue Koalition will für eine "Anpassung" des Euratom-Vertrages an die "Herausforderungen der Zukunft" einsetzen. Er preist die Atomenergie bis heute als "unentbehrliche Hilfsquelle". Auch will sie prüfen, wie sich der Export deutscher Kernbrennstoffe an ausländische Anlagen "rechtssicher" unterbinden lässt, wenn es Zweifel an deren Sicherheit gibt. Der Passus zielt vor allem auf die umstrittenen belgischen Anlagen Doel und Tihange. Sie beziehen auch Brennstoffe aus Deutschland.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: