Parmalat-Skandal:Ermittlungen bei Banken und Wirtschaftsprüfern

Der Fall Parmalat wird zunehmend bizarr — und er zieht weiter Kreise.

Von Karl-Heinz Büschemann, Lothar Gries und Ulrike Sauer

Von seiner steilen Karriere hatte Angelo Ugolotti gar nichts mitbekommen. In dem italienischen Skandal-Unternehmen Parmalat leitete er die Telefonzentrale.

Doch als in dem Milchkonzern plötzlich alles drunter und drüber ging, als Staatsanwälte ermittelten und der Firmenchef Calisto Tanzi wegen des Verdachts auf betrügerischen Betrug und Bilanzfälschung ins Gefängnis gewandert war, erfuhr der Telefonisten-Chef, dass er in Dutzenden von Auslandsfilialen zwischen den Vereinigten Staaten und Singapur den Aufsichtsräten vorsaß.

Anscheinend hatte die Konzernleitung auch Beschäftigte heimlich als Strohmänner eingesetzt. Ugolotti will nun auf Nachzahlung klagen. Wenn er schon so viele Ämter besetzt habe, dann wolle er auch Geld sehen.

Der Fall Parmalat wird zunehmend bizarr - und er zieht weiter Kreise. Längst laufen Ermittlungen gegen ausländische Banken, darunter auch die Deutsche Bank.

Dass der Fall Parmalat eine internationale Dimension hat, sagt auch Tommaso Padoa-Schioppa, italienisches Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank: "Das internationale Profil des Falls wird in der gegenwärtigen Debatte stark vernachlässigt", kritisierte er.

Der Konzern sei stark internationalisiert, und die in den Finanzkollaps verwickelten Banken meist ausländische Institute. Die Parmalat-Anleihen seien außerhalb Italiens emittiert worden, auch bei den Wirtschaftsprüfern und Ratingagenturen handele es sich um internationale Firmen.

Wohnungen durchsucht

Die mit Europas größtem Bilanzschwindel befassten Staatsanwälte machen sich inzwischen an die Arbeit, die Verantwortung der internationalen Banken, Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfern an dem betrügerischen Bankrott feststellen, der Mitte Dezember aufgeflogen war.

Damals hatte sich herausgestellt, dass ein Konto auf den Cayman-Inseln, auf dem angeblich 3,95 Milliarden Euro von Parmalat liegen sollten, nicht einmal existierte. Insgesamt fehlen in den Büchern des 1961 gegründeten Lebensmittelunternehmens wahrscheinlich 10 Milliarden Euro.

Die italienische Finanzpolizei durchsuchte am Freitag die Mailänder Filiale der Bank of America, die offensichtlich der Hauptgläubiger von Parmalat ist. Auch die Privatwohnung des früheren Mitarbeiters der Bank, Luca Sala, wurde durchsucht. Das Geldhaus hatte eine Parmalat-Anleihe über rund 500 Millionen Euro emittiert.

Gegen Scala wurde inzwischen in Mailand auch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, das erste gegen einen Bankmanager. Scala ist seit März Berater des Nahrungsmultis. Damit stieg die Zahl der Ermittlungsbescheide im Fall Parmalat auf 25.

Auch für die Wirtschaftsprüfer wird die Situation heikel. Offensichtlich fand das muntere Treiben von Betrug und Vertuschen unter den Augen der internationalen Prüfungsgesellschaften Grant Thornton und Deloitte Touche statt. Beide Gesellschaften hatten sich die Prüfungsarbeit bei Parmalat etwa geteilt. Gegen die Mailänder Deloitte-Partner Adolfo Mamoli und Giuseppe Rovelli wurde jetzt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung eingeleitet.

Angst vor den Folgen

Die Verstrickung von Grant Thorton ist offenbar so groß, dass sie sich die weltweit arbeitende Prüfungs-Organisation in der Nacht zum Freitag von ihrem italienischen Zweig mit sofortige Wirkung trennte, um das Vertrauen ihrer weltweiten Kunden nicht zu verlieren.

David McDonnell, der Chef von Grant Thornton International, erklärte: "Unsere Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass die italienische Thornton SPA für die nächste Zukunft nicht in der Lage sein wird, effektiv zu arbeiten und das Ansehen der internationalen Organisation zu schützen".

Die Zweiggesellschaft sei nicht in der Lage gewesen, die nötigen Informationen schnell herbeizuschaffen. "Wir haben das Vertrauen in die italienische Gesellschaft verloren."

Der Bilanz-Skandal beim amerikanischen Energieunternehmen Enron hatte dazu geführt, dass die beteiligte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen, einer der führenden Adressen der Welt, heute praktisch von der Bildfläche verschwunden ist.

Alte Bekannte

Schwieriger wurde auch die Position der Deutschen Bank, die im November ihren Anteil an der Parmalat-Tochter-Finanziaria von 2,5 auf 5,1 Prozent erhöht hatte, diese Beteiligung aber Anfang Januar wieder auf 1,57 Prozent reduzierte. Dabei handele es sich um die Aktienposition eines Kunden, so die Bank.

Direkt sei die Bank nicht an Parmalat beteiligt. Doch am Freitag wurde bekannt, dass die Verbindungen des Kreditinstituts zu Parmalat enger waren als bislang bekannt. Die Bank bestätigte, dass einer ihrer in Italien tätigen Investmentbanker, Massimo Armanini, zwischen 1998 und 2000 für das Nordamerikageschäft des Nahrungsmittelriesen verantwortlich war. Auch der seit Mitte 2003 amtierende Italien-Chef des Geldhauses, Vincenzo de Bustis, stand in enger Beziehung zur Familie von Calisto Tanzi.

Die Bank wies jedoch Vermutungen zurück, sie sei aufgrund dieser Beziehungen schon länger über die wahren finanziellen Verhältnisse bei Parmalat informiert gewesen. Solche Spekulationen seien an den Haaren herbeigezogen, hieß es in der Zentrale des Institutes in Frankfurt.

Das Bankhaus bekräftigte den Entschluss, "in vollem Umfang" mit den italienischen Behörden und der Staatsanwaltschaft kooperieren zu wollen. Das sehen die Ermittler in Italien offenbar anders. Sie beklagen, vier Bank-Manager hätten bei einer ersten Vernehmung nur das Nötigste gesagt; daher sollen sie nun zu einem zweiten Mal vorgeladen werden.

Vier Deutsche-Bank-Manager waren vor drei Tagen in Parma fast sieben Stunden lang über ihre Beziehungen zu Parmalat und die Umstände einer Anleihe befragt worden. Das Geldinstitut hatte noch am 15. September 2003 eine Schuldverschreibung von Parmalat in Höhe von 350 Millionen Euro angeboten und bei verschiedenen Investoren platziert.

Die Staatsanwältinnen seien mit den Aussagen aber nicht zufrieden gewesen. Sollte die Bank wider besseres Wissen die Anleihe zum Kauf angeboten haben, muss sie mit einer Anklage und Schadenersatzforderungen rechnen. Nach Berichten der Zeitung Il Sole 24 Ore lasten die Ermittler der Deutschen Bank auch an, noch am 10. Dezember rund zehn Millionen Euro Bargeld aus den Kassen des bereits in schwerer Not steckenden Konzerns empfangen zu haben.

Sollte sich der Verdacht erhärten, dass die Banker zu diesem Zeitpunkt die verzweifelte Lage Parmalats kannten, könne daraus der Vorwurf abgeleitet werden, zum Bankrott des Skandalkonzerns beigetragen zu haben, schreibt die Zeitung Il Sole 24 Ore.

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