Paradise Papers:Glücksspiel und Geldwäsche versetzen Banken in Aufruhr

Paradise Papers: Einfach am Automaten zocken: Das geht in Las Vegas (Foto) und ist auch in Deutschland legal. Für Online-Kasinos gilt das nicht - trotzdem blüht das Geschäft.

Einfach am Automaten zocken: Das geht in Las Vegas (Foto) und ist auch in Deutschland legal. Für Online-Kasinos gilt das nicht - trotzdem blüht das Geschäft.

(Foto: John Locher/AP)

In den Paradise Papers zeigte sich, wie deutsche Banken systematisch gegen Glücksspielgesetze verstoßen. Jetzt interessieren sich auch Staatsanwälte für einige Fälle.

Von Jan Strozyk und Jan Willmroth, Hamburg/Frankfurt

Einige Compliance-Beauftragte in deutschen Banken waren ziemlich sauer, als sie von der Sache erfuhren. Recherchen im Zusammenhang mit den Paradise Papers hatten offengelegt, wie Geldhäuser am Geschäft illegaler Online-Kasinos mitverdienen. Ausländische Zahlungsdienstleister, so zeigte sich, wickeln Geldtransfers an Internet-Glücksspielanbieter systematisch über deutsche Konten ab. Das ist im umstrittenen Glücksspielgesetz ausdrücklich verboten. Die Banken setzen sich dem Vorwurf aus, Beihilfe zu illegalen Glücksspielen oder sogar zur Geldwäsche zu leisten.

Die ersten unangenehmen Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Weitere Recherchen verdeutlichen, wie der Druck auf die Banken gestiegen ist. Mittlerweile sind sowohl die Finanzaufsicht Bafin als auch das niedersächsische Innenministerium aktiv geworden, das im Auftrag der übrigen Bundesländer die Zahlungsströme an illegale Glücksspielanbieter überwacht. Nach Informationen von SZ und NDR haben Banken bereits eigene Kunden wegen des Verdachts der Geldwäsche angezeigt. Die Staatsanwaltschaft München prüft Ermittlungen gegen die Wirecard Bank.

Glücksspiele im Netz sind in Deutschland nur in Einzelfällen legal

Die Bafin erklärte, sie habe mit allen betroffenen Banken Kontakt aufgenommen, um deren Geschäftsbeziehungen zu Glücksspielanbietern zu überprüfen, und zwar "unmittelbar nachdem die Vorwürfe bekannt geworden sind". Zu den konkreten Ergebnissen wollte sich die Behörde unter Verweis auf Verschwiegenheitspflichten nicht äußern. "Würde sich anlässlich einer Prüfung ergeben, dass der Kunde unerlaubt Glücksspiel anbietet", sagte ein Sprecher, "wäre eine Kontoführung für ein solches Unternehmen zu unterlassen."

Das Innenministerium in Hannover reagiert auf Nachfragen vorsichtiger. Zu konkreten Verfahren, Maßnahmen oder Beteiligten äußerten sich die Beamten nicht. Man stünde in Kontakt zu einigen Banken und Zahlungsdienstleistern, hieß es. Weitere Banken sahen sich zu vorauseilendem Gehorsam veranlasst: Sie hätten rechtliche Einordnungen erfragt, heißt es aus der Landesbehörde. Womöglich, um problematische Kundenbeziehungen aufzuklären.

Glücksspiele im Netz sind in Deutschland nur in Einzelfällen legal, mit Ausnahme weniger Anbieter in Schleswig-Holstein sind Online-Kasinos grundsätzlich verboten. Banken begehen mindestens eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie Geld für nicht lizenzierte Online-Kasinos entgegennehmen oder Gewinne an Kunden ausschütten. Möglicherweise machen sie sich auch strafbar. Dennoch wickeln zahlreiche deutsche Banken solche Zahlungen ab.

Für die Banken geht es um ihren Ruf

Reporter von SZ und NDR hatten in einer Stichprobe belegt, wie Geld deutscher Kunden über Konten der DZ-Bank, der Wirecard-Bank, der Deutschen Handelsbank, der Postbank, der Hypo-Vereinsbank und der VR-Bank Westmünsterland zu illegalen Kasinos flossen. Sobald Banken auch Gewinne aus illegalem Glücksspiel auszahlten, gerieten sie sogar unter Geldwäscheverdacht, befindet das niedersächsische Innenministerium.

Für die Institute geht es auch um ihren Ruf. In Bankenkreisen heißt es, das Thema werde bis hoch in die Geschäftsleitungen diskutiert. Einige Banken haben zwischenzeitlich Geldwäscheverdachtsmeldungen gegen mehrere Zahlungsdienstleister eingereicht, für die sie Konten führen und die das Geld der Spieler an die Kasinobetreiber weiterreichen. Jahrelange, lukrative Geschäftsbeziehungen stehen mit einem Mal auf dem Prüfstand.

Da zeigt der Fall der VR-Bank Westmünsterland. Ein Sprecher erklärte, man stehe mit dem Zahlungsdienstleister in Kontakt, weitere technische Maßnahmen "zur Verhinderung von Zahlungsvorgängen in Bezug auf Online-Glücksspielanbieter" seien geplant. Ähnlich äußerte sich die DZ-Bank. Ein Sprecher der Postbank sagte, weder erlaube noch dulde die Bank Überweisungen im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel. Entsprechende Vereinbarungen seien mit allen Kunden abgeschlossen worden, die Finanzdienstleistungen anbieten. Hypo-Vereinsbank und Deutsche Handelsbank teilten lediglich mit, man erfülle alle regulatorischen Vorgaben.

Vollkommen zugeknöpft reagierte der Finanzkonzern Wirecard auf Nachfragen. Die Recherchen hatten gezeigt, dass die Bank ein Konto für den Sportwettanbieter Tipico führte, über das Ein- und Auszahlungen für illegale Online-Kasinospiele erfolgten. In diesem Zusammenhang prüft die Münchener Staatsanwaltschaft nun ein Ermittlungsverfahren gegen Wirecard. Offenbar unterhält oder unterhielt der Konzern weitere Kundenbeziehungen zu Glücksspielanbietern. So bieten mehrere Online-Kasinos, die auch auf den deutschen Markt abzielen, Einzahlungen mit Prepaid-Karten von Wirecard an.

Bankenverband: Vorgaben zum Umgang mit Glücksspiel sind zu unkonkret

Hinweise auf Wirecard-Kunden aus dem Glücksspielbereich finden sich außerdem in Unterlagen aus den Paradise und Panama Papers. Demzufolge hat die Bank ein Konto für eine Briefkastenfirma der Kanzlei Mossack Fonseca bereitgestellt, hinter der ein lettischer Geschäftsmann steht. Dieser hatte unter anderem eine in Deutschland illegale Poker-Webseite mit dem Namen "Adam Eve Poker" betrieben. Die Wirecard-Bank kündigte die Geschäftsbeziehung Ende 2014 einseitig auf. Der Geschäftsmann war nicht zu erreichen. Die Bank wollte sich zu den Vorgängen nicht äußern und erklärte lediglich, man halte sich "an alle geltenden rechtlichen und regulatorischen Vorgaben".

Mit diesen Vorgaben hat der Bundesverband Deutscher Banken schon länger ein Problem. In einer internen Einschätzung der Verbandsführung von 2014 heißt es, die Banken hätten "keine Neigung, zu noch einem 'guten staatlichen Zweck' kostenträchtige Maßnahmen zu treffen". Zudem gebe es für Banken in der öffentlichen Diskussion um das Glücksspiel "wohl keinen einzigen positiven Aspekt". Deshalb habe man "den Ball immer flach gehalten". Zu den konkreten Zitaten äußerte sich der Verband nicht. In einer Stellungnahme heißt es, die Beschränkung der Zahlungsströme an illegale Anbieter sei nicht hinreichend konkret geregelt. Im Massengeschäft des Zahlungsverkehrs könnten Kreditinstitute nicht erkennen, "ob eine Transaktion einen Konnex zu illegalem Glücksspiel aufweist". Man sei mit den Behörden im Dialog. Dieser Dialog scheint sich auf einmal wieder intensiviert zu haben.

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