Pakt für Europa:Geld gibt es nur für die Braven

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Es wird um jedes Detail gefeilscht, denn es geht um die Zukunft des Euro: Der neue Fiskalpakt der Europäischen Union soll künftig Hilfszahlungen mit Wohlbetragen der Länder verknüpfen. Ende des Monats soll das Werk fertig sein.

Cerstin Gammelin und Hans-Jürgen Jakobs

Zwanzig Jahre nach Maastricht soll es gelingen. Zwanzig Jahre, nachdem der Grundstein für die Europäische Währungsunion gelegt wurde. Zwanzig Jahre, nachdem sich die Spitzenpolitiker des Kontinents in der alten niederländischen Stadt alles Mögliche in die Hand versprochen haben - vor allem, auf solide Staatshaushalte zu achten und nicht dem Schuldenmachen zu frönen.

Eine Idee, die schon bald Historie war: versprochen, gebrochen. Nun aber arbeiten die Unterhändler in der Europäischen Union (EU) seit vorigen Freitag mit einiger Erregung am neuen Vertrag zur Stabilität, Koordination und Regierungsführung ( Treaty of Stability, Coordination and Governance).

Er soll gewissermaßen die Magna Charta für Maastricht sein, viele Jahre später. Am 30. Januar, zum nächsten EU-Gipfel, soll das Werk fertig sein, begutachtet werden können und spätestens im März zum Abschluss kommen. Hinter den Kulissen wird um jedes Detail gefeilscht, schließlich geht es um viele Milliarden - und um die Zukunft des Euro. Nur wenn dieses Agreement, von Kanzlerin Angela Merkel und anderen als "Fiskalpakt" belobigt, gelingt, könnte an den Kapitalmärkten wieder Vertrauen einkehren.

Umkämpfter Passus

Die EU-Strategen scheinen zu wissen, was die Stunde geschlagen hat. In der aktuellen Fassung - Stand Dienstag, 19 Uhr - findet sich beispielsweise ein neuer Passus, der intern stark umkämpft war. Er stellt eine Verbindung, eine Art Junktim, her zwischen der großzügigen Gabe von Hilfsgeldern und der Pflicht, im Staatshaushalt nicht zu sündigen.

Das Einhalten von Schuldengrenzen soll demnach "als Bedingung berücksichtigt werden" für das Gewähren von Finanzhilfen unter dem neuen Euro-Rettungsschirm. Der soll schon Mitte des Jahres wirken und heißt in bester bürokratischer Tradition European Stability Mechanism, also Europäischer Stabilitätsmechanismus, was vom Namen her schon mal auf Kompaktes deutet. Den Deutschen ist diese Verbindung sehr wichtig: Gezahlt wird nur, wenn jemand brav ist - und sich an die Regeln hält.

Die zentrale Regel besagt, dass Regierungen Gesetze erlassen müssen, die eines garantieren: dass sofort, automatisch, ungewünschte Abweichungen von den mittelfristigen Haushaltszielen korrigiert werden. Dass es also überall Schuldenbremsen gibt wie in Deutschland. Zielwert ist dabei, dass jedes Land maximal ein strukturelles Defizit in Höhe von 0,5 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) haben darf. Strukturell, das bedeutet unabhängig von konjunkturellen Einflüssen: Im Abschwung, wenn die Steuereinnahmen sinken und die Ausgaben der Sozialkassen steigen, darf das Defizit also höher sein, im Aufschwung sollen die Regierungen dafür Überschüsse erwirtschaften.

Die 0,5 Prozent sind eine alte Zielmarke, an die sich aber die meisten bisher nicht gehalten haben, auch Deutschland und Frankreich nicht. Für jedes Land gibt es, so der Plan, künftig einen eigenen Fahrplan zur Stabilität, mit konkreten Zwischenzielen. Es sei denn, "ungewöhnliche Ereignisse" jenseits der Kontrolle der Vertragsparteien kommen dazwischen, wie es im Entwurf heißt. Die EU-Kommission in Brüssel hat das Sagen in diesen Schuldenfragen, es sei denn, eine "qualifizierte Mehrheit" der Euro-Länder ist anderer Meinung. Ein kleines Schlupfloch gibt es also auch hier, aber immerhin kann ein Land einen Sünderstaat der Euro-Zone vor den Europäischen Gerichtshof bringen. Auf diese Idee ist Angela Merkel gekommen.

Diese Regeln sollen verhindern, dass die Schulden weiter steigen. Doch die Staaten sollen den existierenden Berg an Verbindlichkeiten sogar abtragen. Länder wie Deutschland, deren Staatsschuld mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht, sollen die Schuld Jahr für Jahr abbauen. Das heißt, sie müssen Überschüsse erwirtschaften.

Damit das alles einfacher fällt, sieht der neue Vertrag ganz viel Zusammenarbeit vor. Es gilt das Motto: Hallo, Partner! So sollen sich die Länder vorher über geplante Reformen, Anleihen und Budgetentwicklungen informieren. Es gehe um "bessere Koordinierung". Euro-Bonds, also gemeinsam herausgegebene Staatsanleihen, sind nicht vorgesehen.

Am 1. Januar 2013 soll der Vertrag in Kraft treten - wenn er bis dahin von 12 der 17 Euro-Länder verabschiedet wurde. Zunächst war ein Quorum von neun Staaten vorgesehen, aber manche Politiker hatten moniert, es müssten mehr Mitglieder auf dem Weg zur Stabilität mitgenommen werden. Auch die Zahl 15 ist noch möglich - was den Ablauf in Gefahr bringen könnte. Dann brauchen sich nur das schuldenexzessive Griechenland, das von der Bankenkrise gebeutelte Irland und ein weiterer Staat querlegen, und schon ist es um die Sache geschehen.

Zum Schluss, in Artikel 16, steht etwas, das Verfassungsjuristen interessieren dürfte: Da heißt es, innerhalb von höchstens fünf Jahren soll der Vertrag in den legalen Rahmen der Europäischen Union eingepasst werden, alles schön in Übereinstimmung mit EU-Verträgen.

Was das Abkommen nicht erfassen kann, sind politische Risiken. In Frankreich etwa hat François Hollande gute Chancen, Präsident Nicolas Sarkozy zu beerben. Von Schuldenbremsen hält der Sozialist nichts. Großbritanniens Premier David Cameron hat sich schon im Dezember dem Fiskalpakt verweigert. Und Italiens Regierungschef Mario Monti erklärte pünktlich zu seinem Besuch bei Angela Merkel, man solle die Reformbereitschaft seiner Landsleute nicht überstrapazieren. Sparen tut weh.

© SZ vom 12.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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