Otto übernimmt Manufactum:Kulturschock in der Küche

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Die Otto Group hat den Kulthändler Manufactum übernommen. Massenware mit Prolo-Image trifft auf edles Design und minimalistische Ästethik.

Julia Bönisch

Den Vollraumkühlschrank "Candy", den Kiefer-WC-Sitz zu 9,99 Euro und jede Menge Mode aller Größen und Stile - all das kann der Kunde im Otto-Katalog bestellen. Drei Mal im Jahr, im April, August und Dezember erscheint das tausend Seiten starke Heft in einer Auflage von 20 Millionen Exemplaren. "Aktualität, Innovation, Inspiration und Frische" soll der Otto-Katalog laut Eigenwerbung bieten. Doch eigentlich geht es um das Preis-Leistungsverhältnis: Alles nur Mögliche kann man bestellen, zum möglichst günstigen Preis - Otto verkörpert das Prinzip des Massenkonsums.

Kritischer Blick: Die Otto Group hat den Kulthändler Manufactum gekauft. (Foto: Foto: dpa)

Der Manufactum-Katalog dagegen liest sich wie ein Feuilleton. Weitschweifig, detailverliebt und umständlich sind die Produktbeschreibungen. Viele Informationen wirken überflüssig oder gar absurd - ebenso wie die Produkte: Da wäre etwa das Hufeisenspiel zu 48 Euro, dessen Eisen angeblich für die Kavallerie der Schweizer Armee hergestellt wurden, aber dort leider nie zum Einsatz kamen. Im gleichen Atemzug wird von dem großen Ernst schwadroniert, mit dem die nordamerikanischen Cowboy-Enkel das Hufeisen warfen.

Stilbewusst und exklusiv

Der Manufactum-Katalog bietet noch etwa 4300 andere Produkte dieser Art an. Nicht günstig, sondern möglichst stilbewusst, kein Plastik, kein Schnickschnack, keine Artikel aus Billiglohnländern. Bei Manufactum bekommen die Kunden exklusiven Haushaltsbedarf, hier gibt es Formschönheit für Qualitätsliebhaber.

Ein Tochterunternehmen der Otto Group, die Heinrich Heine GmbH, hat Manufactum nun gekauft. Und führt damit zusammen, was offenkundig nicht zusammenpasst. Zwar war die Otto Group über ihre Tochter Heine schon seit 1998 an Manufactum beteiligt, doch das Image des Spezialversenders dürfte trotzdem unter den neuen Besitzern leiden.

Der gelernte Buchhändler Thomas Hoof hatte Manufactum 1988 ursprünglich als Antwort auf anonyme, billig produzierte Massenware gegründet. Der Slogan "Es gibt sie noch, die guten Dinge" brachte es auf den Punkt: Nichts Banales sollte es sein, eben nichts Otto-mäßiges. Der 59-Jährige formuliert seine Kult-Kataloge angeblich selbst und veröffentlicht in seinem Verlag Manuscriptum gerne copyrightfreie Literatur. Der Schöngeist war auch einmal Landesgeschäftsführer der Grünen und pflegt ökonomische Vorstellungen, die sich mit der Mentalität der neuen Eigner nicht besonders gut vertragen dürften.

Doch offenbar wollte Hoof die Herausforderungen - vor allem den Ausbau des Auslandsgeschäfts - nicht alleine schultern. Bereits vor zwei Jahren suchte er angeblich einen Nachfolger. Mangels Kandidaten scheiterte der Rückzugsversuch, und Hoof musste weitermachen, bis er nun in der Otto Group einen geeigneten Käufer fand.

Dort sieht man in der Übernahme kein Problem. Schließlich sei man kein Discount-Anbieter, so Unternehmenssprecher Thomas Voigt. "Wir sind den Umgang mit gehobenen Zielgruppen gewöhnt. Zudem vertreiben wir unsere Produkte genau wie Manufactum über den Katalog, online und stationär, also über Filialen."

Manufactum erwirtschaftete zuletzt mit 150 Beschäftigten einen Umsatz von 100 Millionen Euro. Die Otto Group will nun international expandieren und neben den bisher sechs Filialen weitere Geschäfte gründen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau des Online-Geschäfts. Kontinuität will Otto auch gewährleisten: Thomas Hoof soll Manufactum weiterhin als Berater zur Verfügung stehen.

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