Opel: Zweifel aus Brüssel:Wutaufstand gegen EU-Kommissarin Kroes

"Anti-deutsches Vorgehen" in der Causa Opel: Der Brandbrief aus Brüssel ruft Zorn in der Politik hervor. Doch die Regierung ist zuversichtlich, die Bedenken auszuräumen.

Die Verhandlungen liegen auf Eis, erst einmal zumindest. Nach dem Brief von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes an Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist der Verkauf von Opel an Magna zunächst einmal gestoppt. In ihrem Schreiben hat die Kommissarin den Verkauf der Opel-Mehrheit an den kanadisch-österreichischen Zulieferer infrage gestellt. Es gebe "deutliche Hinweise", dass die zugesagten Staatshilfen von 4,5 Milliarden Euro für die Übernahme durch Magna nicht den europäischen Wettbewerbsregeln entsprächen.

Die Politik sieht die Übernahme des angeschlagenen Autoherstellers durch das Schreiben von Kroes nicht in Gefahr. "Wenn Missverständnisse ausgeräumt werden sollen, dann werden wir das machen", sagte Guttenberg. "Und da bin ich guter Dinge, dass das in den nächsten Tagen gelingen wird." Auch Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz rechnet nicht damit, dass Brüssel die Entscheidung für Magna noch kippen kann.

Die Brüsseler Behörde hatte von der bisherigen Opel-Mutter General Motors (GM) eine Zusicherung verlangt, dass die Entscheidung für den Verkauf an Magna aus rein betriebswirtschaftlichen Erwägungen gefallen sei - und nicht wegen der staatlichen Förderzusagen.

Zuversicht bei Guttenberg

Guttenberg äußerte Verständnis für das Vorgehen von Kroes. Es habe in den vergangenen Monaten missverständliche Äußerungen gegeben, sagte er unter Anspielung auf Aussagen von Politikern aus den vier Bundesländern mit Opel-Standorten. Diese hatten wiederholt einen Verkauf an den Finanzinvestor RHJ abgelehnt und wollten sich an den Staatshilfen nur im Falle eines Verkaufs an Magna beteiligen. Die Missverständnisse würden ausgeräumt, sagte der Wirtschaftsminister. Er habe sowohl GM von den Bedenken aus Brüssel informiert als auch die Opel-Treuhand, bei der derzeit die Mehrheit der Opel-Anteile geparkt sind. "Jetzt erwarten wir die entsprechenden Antworten noch."

GM Europe wollte sich zur jüngsten Entwicklung nicht äußern. In Kreisen von Magna gab man sich gelassen. Ein Magna-Sprecher war nicht erreichbar.

Deutsche EU-Politiker sind dagegen empört von Kroes' Kritik. "Die EU-Wettbewerbskommissarin Kroes überschätzt sich und entscheidet nicht objektiv", zitierte die Welt am Sonntag Werner Langen, den Vorsitzenden der deutschen Unions-Parlamentarier im EU-Parlament.

"Dann gehen Brüssel schnell die Argumente aus"

Als ehemaliges Aufsichtsratsmitglied von Volvo müsse Kroes sich fragen lassen, ob sie mit ihren Entscheidungen nicht versuche, eine Marktbereinigung durch die Hintertür zugunsten ihres früheren Partners Volvo - heute Ford - durchzusetzen. "Die EU-Kommission muss sich überlegen, ob sie mit ihren Entscheidungen Zigtausende Arbeitsplätze gefährden will", sagte Langen. Und Kommissionschef José Manuel Barroso müsse darauf achten, dass "eine hochumstrittene Kommissarin nicht zwei Wochen vor Ende ihrer Amtszeit Europa durcheinanderbringt". Der Brief von Kroes reihe sich "nahtlos ein in ihre antideutsche Bilanz".

Der Vorsitzende der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, sagte der Zeitung: "Wenn die Verhandlungen mit Magna weiter so gut laufen, gehen Brüssel schnell die Argumente aus. Denn zur Opel-Gesamtlösung sollen eben nicht nur die deutschen Standorte gehören, sondern auch die in Polen, in den Niederlanden und in Portugal."

Unterdessen gehen die Verhandlungen mit den Arbeitnehmern in Deutschland über die Mitbestimmung im neuen Opel-Konzern weiter. "Es gibt noch einen offenen Punkt", sagte Betriebsratschef Franz. Auch deshalb seien die Verträge zwischen GM und Magna noch nicht unterschrieben. Auf einen neuen Termin dafür wollte er sich nicht festlegen. Die Opel-Beschäftigten verzichten auf Lohnbestandteile und sollen dafür mit zehn Prozent an "New Opel" beteiligt werden.

"Es ist völlig unverständlich"

Eine weitere Verzögerung des geplanten Verkaufs von Opel an Magna wird nach Einschätzung von Branchenexperten den Autobauer in Existenznöte bringen. "Eine Verzögerung ­ oder gar Verhinderung ­ des Opel Verkaufs an Magna-Sberbank würde sehr großen wirtschaftlichen Schaden mit sich ziehen. Das Paket nochmals aufzudröseln und den Prozess von vorne zu starten, überlebt Opel nicht", sagte Professir Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen zu den neuen Hürden aus Brüssel für den vorgesehenen Opel-Verkauf an Magna und die Sberbank.

Nach seiner Auffassung hätte Brüssel die Forderung, die Hilfszusagen über 4,5 Milliarden Euro nicht nur an einen Bieter zu knüpfen, schon vor Monaten anbringen können. Seit dem 30. Mai, als Bund, Länder, General Motors und Magna sich auf ein Rettungspaket für Opel geeinigt hätten, sei dieser Deal der EU- Kommission bekannt. "Es ist völlig unverständlich, wieso die EU- Kommission nach fünf Monaten den Vertragsabschluss blockiert und gefährdet", sagte Dudenhöffer. Kommissarin Kroes spiele mit der Existenz und den Jobs der Opel-Mitarbeiter Russisch-Roulette.

Bei der Verhinderung des Opel-Verkaufs sei die Insolvenz von Opel mit der Vernichtung von zahlreichen Arbeitsplätzen ein realistisches Szenario. "Einfach zu warten bis etwas unumkehrbar ist und dann an die Wand fahren zu lassen, kann doch wohl ernsthaft nicht im Interesse aller EU-Mitgliedsländer sein", sagte Dudenhöffer. Er gehe davon, dass die von Brüssel monierten "Unklarheiten" durch Gespräche mit der Bundesregierung sich noch beseitigen ließen.

Der scheidende deutsche EU-Industriekommissar Günter Verheugen hat das Vorgehen der Brüsseler Behörde im Fall Opel derweil verteidigt. Ihr gehe es um eine frühzeitige wettbewerbsrechtliche Klärung der geplanten Übernahme durch den Zulieferer Magna, sagte Verheugen im Deutschlandfunk. Damit solle eine langwierige Prüfung vermieden werden. "Zeit ist das, was wir im Zusammenhang mit Opel und General Motors in Europa am wenigsten haben", sagte Verheugen.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hält die Bedenken der Europäischen Union (EU) gegen eine Übernahme von Opel durch den Zulieferer Magna für unbegründet. "Es gibt keine Verabredung, die gegen EU-Recht verstößt", sagte er in Berlin am Rande der Koalitionsverhandlungen. Er fügte hinzu: "Wir versuchen, die Standorte zu erhalten wie andere Länder auch. Es ist nicht irgendeine Bevorzugung eines Standorts in Deutschland oder anderswo."

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