Opel verzichtet auf Bürgschaften:Vielen Dank, wir machen's jetzt alleine

Schwer enttäuscht von der Bundesregierung nimmt Opel sein Schicksal selbst in die Hand. Der Autohersteller zieht alle Anträge auf staatliche Bürgschaften in Europa zurück. Doch was heißt das für die Arbeitsplätze hierzulande?

Der US-Autohersteller General Motors hat die Nase voll von der Gängelei und will seine Europa-Tochter Opel nun ohne Staatshilfe sanieren. Die Folge: Opel zieht alle Anträge auf Bürgschaften europäischer Staaten zurück - und rechnet mit der Regierung Merkel ab.

Opel zieht alle Bürgschaftsanträge in Europa zurück

Was wird aus Opel? Das Unternehmen zieht alle Bürgschaftsanträge in Europa zurück.

(Foto: dpa)

"Die Entscheidung der deutschen Regierung letzte Woche war eine Enttäuschung für uns", sagte Nick Reilly, GM-Europa-Präsident und Vorsitzender der Opel-Geschäftsführung. Er ergänzte: "Wir wissen die Unterstützung, die uns von einigen europäischen Regierungen, insbesondere in Großbritannien und Spanien, zugesagt wurde, sehr zu schätzen."

Seine Enttäuschung über die ablehnende Haltung der Bundesregierung verschwieg der Opel-Boss nicht. "Man hatte uns deutlich gemacht, dass die Bürgschaften, die andere europäische Unternehmen im Rahmen eines EU-Programms zur Abmilderung der gegenwärtigen Wirtschaftskrise erhalten haben, genauso für Opel zur Verfügung stehen würden. Nach einem sehr langen, von den Regierungen vorgegebenen Prozess, stellt sich nun heraus, dass dies nicht der Fall ist."

Keine Werkschließungen und Entlassungen geplant

Der Finanzbedarf für Opel habe sich zwar nicht geändert. Allerdings habe sich gezeigt, dass der Vorgang weit komplexer und langwieriger sei als zunächst erwartet, erklärte das Unternehmen. "Unter diesen Umständen haben GM und Opel entschieden, die Finanzierung intern zu regeln", teilte das Unternehmen mit. Damit sei der Weg frei für eine schnelle Umsetzung des Zukunftsplans.

Bei einer eilig einberufenen Telefon-Pressekonferenz bekräftigte Reilly, dass dieser Plan durch den Rückzieher bei den Rückstellungen nicht angetastet werde. Weitere Werkschließungen und Entlassungen seien nicht geplant, so der Opel-Chef. Das Geld für die Restrukturierung solle nun aus den "weltweit verfügbaren Finanzmitteln von GM" bereit gestellt werden.

Die Glaubwürdkeit GMs sei durch die lange Hängepartie um Staatshilfen nicht beeinträchtigt worden, so Reilly: "Im Gegenteil, ich denke, die Glaubwürdigkeit von GM hat zugenommen. Wir haben uns an die empfohlenen Richtlinien für der Gewährung von Staatsbürgschaften gehalten und außerdem den Zukunftsplan an den Wünschen der deutschen Regierung ausgerichtet." Nun werde die versprochene Hilfe doch nicht gewährt, aber GM weiche vom eingeschlagenen Weg nicht ab.

Reilly erinnerte daran, dass GM bei der Beantragung der Hilfen noch in der Insolvenz gesteckt habe, und vom amerikanischen Steuerzahler gerettet worden sei. Daher sei die Finanzausstattung des US-Konzerns inzwischen "etwas besser", weswegen GM Opel nun alleine retten könne.

Brüderle lobt sich selbst

Die vier Bundesländer mit Opel-Standorten - Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen - hatten Opel nach dem Nein der Bundesregierung zu Bundeshilfen bis zuletzt finanziellen Beistand in Aussicht gestellt und wollten möglichst rasch entscheiden.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) begrüßte den Verzicht von Opel auf Staatshilfen. "Ich fühle mich in meiner Entscheidung voll bestätigt", sagte er mit Blick auf seine Absage an eine Bundesbürgschaft vor wenigen Tagen.

Dies zeige, dass sich marktwirtschaftliche Grundlagen auszahlten. Mit der Entscheidung von Opel und der Konzernmutter GM werde der Steuerzahler geschont. Zugleich werde für faire Wettbewerbsbedingungen gesorgt. Opel könne sich nun darauf konzentrieren, erfolgreich gute Autos zu bauen. Staatshilfen müssten die Ausnahme bleiben. Opel hatte zuvor alle Anträge auf Bürgschaften der europäischen Länder zurückgezogen.

Warum GM die Anträge zurückzieht

Nach Auffassung von Willi Diez, Automobilexperte an der Hochschule Nürtingen-Geislingen, will GM mit dem Rückzieher die Diskussion um Staatshilfen zu Ende bringen: "Diese Debatte hat dem Image der Marke Opel ja geschadet. Das weiß auch GM", sagte Diez zu sueddeutsche.de. Das Versprechen GMs, auch ohne staatliche Bürgschaften einen weiteren Arbeitsplatzabbau zu vermeiden und keinen der vier Standorte in Deutschland zu schließen, sei zum derzeitigen Zeitpunkt glaubwürdig.

Staatsbürgschaften überschätzt

"Die werden jetzt nicht bewusst die Unwahrheit sagen", sagte Diez. Für einen längeren Planungshorizont werde GM den bisherigen Restrukturierungsplan aber sicher auf den Prüfstand stellen. Ob es dann zu Verlagerungen von Arbeitsplätzen ins Ausland komme, sei derzeit allerdings schwer abzuschätzen. Zwar hätten Großbritannien und Spanien Bürgschaften zugesagt, was Opel lobend erwähnt habe, obwohl diese Bürgschaften nun ebenfalls nicht in Anspruch genommen würden.

Zudem produziere der Rüsselsheimer Hersteller fast jedes Modell an zwei und manchmal sogar an drei Standorten, was Verlagerungen erleichtere. "Doch auf der anderen Seite hat Opel neue Modelle angekündigt, die Menge bringen sollen, da müssen sie möglicherweise die deutschen Produktionskapazitäten wieder stärker nutzen."

Generell gelte, dass die Bedeutung der Staatsbürgschaften in den vergangenen Wochen überbewertet worden sei. "Zuletzt ging es noch um 800 Millionen Euro und eine Finanzierung zu angemessenen Konditionen, aber nicht direkt um Kredite", erläuterte Diez. In Arbeitsplätze ließe sich diese Fragestellung nicht umrechnen. Dafür sei vielmehr ausschlaggebend, welche Produktionskapazitäten der GM-Konzern künftig für seinen europäischen Absatz brauche.

General Motors hatte sich im vergangenen Herbst kurzfristig entschieden, Opel doch selbst zu sanieren, nachdem zunächst alles auf einen Verkauf auf den Zulieferer Magna hinausgelaufen war. GM selbst war rasch durch die Insolvenz gekommen, die Mehrheit der Anteile liegen bei der US-Regierung.

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