Opel unter neuer Leitung:"Das ist Opfermentalität"

Der neue Opel-Chef Reilly greift durch: Er will dem Autohersteller "Siegermentalität" antrainieren - und schreibt den Mitarbeitern schon mal einen Brief.

Thomas Fromm

Tausende von Opel-Mitarbeitern hatten im vergangenen Jahr monatelang gehofft und gewartet - und mussten am Ende erkennen, dass alles so blieb, wie es war. Statt an den Autozulieferer Magna verkauft zu werden, blieb der Hersteller bei der alten, ungeliebten Mutter General Motors (GM). Einer Mutter, der man immer wieder vorgeworfen hatte, dass sie zwar einerseits sehr streng mit der Tochter umging und ihr nur wenige Freiheiten ließ - sich andererseits aber auch nicht wirklich um sie kümmerte. Solange GM selbst massive Probleme hatte und in die Insolvenz steuerte, wollte der Konzern Opel abgeben. Kaum war der Bankrott abgewendet, wollte man sie wieder behalten, die Tochter aus Deutschland.

Opel, Reilly, dpa

Opel startet neu durch - mit Reilly an der Spitze.

(Foto: Foto: dpa)

Seit einigen Tagen erst ist der GM-Manager Nick Reilly Opel-Chef - jetzt schrieb er einen Brief an die Mitarbeiter der europäischen GM-Töchter Opel und Vauxhall. Ein Brief, der mal versöhnlich ist ("In diesem Management-Team wird es keine Einzelkämpfer geben"), mal den Leser mit viel Lob und Lorbeeren umgarnt ("Wir wollen ein führender europäischer Hersteller sein, der ... weltweit anerkannte automobile Produkte von hervorragender Qualität auf Basis deutscher Ingenieurskunst liefert.")

Balsam also für die Opelaner. Erst gegen Ende des sechsseitigen Briefes holt der britische Manager dann zum entscheidenden rhetorischen Schlag aus: Man könne die Konzernmutter GM nicht für alle Probleme von Opel verantwortlich, schreibt er. "Das ist nur eine schlechte Ausrede, um die Verantwortung für die schwierige Situation nicht selbst übernehmen zu müssen. Das ist Opfermentalität."

Es nütze nichts, sich zu beschweren, die Mutter abzulehnen und sich neue Eigentümer zu wünschen. Opel profitiere von der Verbindung mit GM. "Uns geht es als Teil von GM besser, und GM geht es besser, weil Opel/Vauxhall Teil des Konzerns ist."

Radikaler Stellenabbau

Reilly hat den Ruf eines knallharten Sanierers. Rund 8300 der insgesamt 48.000 Stellen bei Opel und der Schwestermarke Vauxhall sollen wegfallen - ein großer Teil davon in Deutschland. Gleichzeitig aber gilt Reilly auch als Pragmatiker, der mit sich reden lässt, wenn die Argumente stimmen. Im eng geflochtenen weltweiten Dickicht des GM-Konzerns sieht er sich daher selbst als eine Art "Beziehungsmanager".

Ein Großteil seiner Arbeit bestehe darin, dafür zu sorgen, dass innerhalb des Konzerns "diese Beziehungen gut gelebt werden", sagte er einmal. Als der Manager von Beziehungen im vergangenen Herbst in Europa aufschlug, war klar, dass er sich als GM-Europachef nicht nur um Autos zu kümmern hatte. Es ging auch um das zerrüttete Verhältnis zwischen Mutter und Tochter, zwischen GM und Opel. Der Mann, von dem viele das Schlimmste erwarteten, startete plötzlich eine Charme-Offensive bei Regierungen und Arbeitnehmervertretern. Kein Wunder: Er brauchte die Unterstützung der Betriebsräte - und Geld aus Berlin für die Sanierung des Konzerns. Zu seinen Grundregeln gehöre, dass die Topmanager die Meinung der Mitarbeiter hören müssen.

Und umgekehrt wohl auch. Deswegen der konzernweite Brief - Reilly mag es, Klartext zu sprechen, daran werden sich seine Mitarbeiter hierzulande wohl gewöhnen müssen. So soll Opel aus der alten "Opfermentalität" "zurück zu einer Siegermentalität" geführt werden.

Erste Einzelheiten seines Plans für Opel teilte er den Mitarbeitern gleich per Brief mit: Dem Autohersteller fehle ein Einstiegsmodell im Kleinstwagensegment; außerdem gebe es Nachholbedarf bei hybrid- sowie rein batteriebetriebenen Elektroautos. "Unsere Autos mit konventionellem Antrieb haben Stärken und Schwächen in Sachen Kraftstoffverbrauch, CO²-Ausstoß und Fahrbarkeit" schreibt er. Punkte, die man möglichst schnell angehen wolle. Dafür gibt Reilly eine neue Devise aus: Weniger reden, mehr tun. Der Zeitaufwand für Mitarbeitertreffen und Berichte soll um die Hälfte sinken. Bis zum Monatsende dann soll der genaue Restrukturierungsplan für den angeschlagenen Autohersteller auf dem Tisch liegen. Klar ist bislang nur, wie viel Geld GM dafür benötigt: 3,3 Milliarden Euro.

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