Opel-Übernahme durch Magna:Der Wolf und die Piefkes

Wer ist der Mann hinter Magna-Gründer Stronach, der den Opel-Deal eingefädelt hat? Co-Chef Siegfried "Sigi" Wolf kann in den höchsten Tönen loben - aber auch die Zähne zeigen.

Michael Frank und Thomas Öchsner

"Der Sigi", pflegt Magna-Gründer Frank Stronach zu sagen, "macht das schon." Sigi - das ist Siegfried Wolf, der Co-Chef des österreichisch-kanadischen Autozulieferers. Und der versucht derzeit mit dem Einstieg bei Opel sein Meisterstück als Manager zu machen. Auch wenn alle vom Multimilliardär Stronach reden, sein treuer Diener, der Kommerzialrat Wolf, ist der Mann, der den größten Coup für Stronach eingefädelt hat.

Opel-Übernahme durch Magna: Siegfried "Sigi" Wolf - der Mann hinter Magna-Gründer Frank Stronach.

Siegfried "Sigi" Wolf - der Mann hinter Magna-Gründer Frank Stronach.

(Foto: Foto: ddp)

Wolf, 51, ist ein freundlicher Herr mit ergrauten Haaren, der mit seinem wärmenden österreichischen Singsang in der Öffentlichkeit am liebsten über seine Mitarbeiter spricht. Die seien, sagt er, "das wichtigste Kapital" von Magna, deshalb sollen auch die Opelaner wie die Magna-Leute Miteigner ihrer Fabriken werden.

Als Wolf kürzlich in Berlin seinen ersten großen Auftritt vor Journalisten hatte, konnte man den Eindruck gewinnen, bei dem Autozulieferer herrsche sozusagen das Arbeiterparadies auf Erden. Und als Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sich gegen die Magna-Pläne stemmte, versprachen die Österreicher einfach, weniger Jobs im Opel-Werk Bochum zu streichen.

Freiwilliger Lohnverzicht

Tatsächlich kann Wolf auch seine Zähne zeigen: Wegen der Krise rief er die österreichischen Konzern-Beschäftigten zu einem freiwilligen Lohnverzicht auf. Prompt erklärte sich die Mehrheit per Abstimmung in den Betrieben bereit, auf 20 Prozent zu verzichten - zu groß war die Angst vor einem Verlust des Jobs.

Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich geht es um Arbeitsplätze. In der Seele der Nation ringen Triumph und Sorge um die Risiken der Opel-Übernahme miteinander. Hier der unsägliche Stolz, es den "Piefkes", den Deutschen, gezeigt zu haben; dort die Aussicht, Stronach und Magna würden auch die Republik Österreich zur Kasse bitten, mit der Drohung, sonst gingen Jobs verloren. Magna will einen Kredit in Höhe von 300 Millionen Euro von der Wiener Regierung. Es geht um zahlreiche Produktionsstätten in der Steiermark und um das große GM-Werk für Motoren und Getriebe in Wien Aspern, das Opel zufällt.

Wolf steht seit bald fünf Jahren an der Spitze des Unternehmens, das mit zuletzt mehr als 70.000 Mitarbeitern 18 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete. Doch was will der gelernte Werkzeugmacher und Ingenieur überhaupt mit Opel?

Lieber spricht er von Russland

Stronach hat schon angekündigt, er werde die Fahrzeuge aus Rüsselsheim möglicherweise auch in Kanada montieren lassen. Branchenkenner glauben, dass Magna langfristig auch auf den amerikanischen Markt setzt. Auch wenn jetzt ein Abkommen Opel den US-Markt vorerst verschließt, rechne der Autozulieferer nicht damit, dass dieses Vertriebsverbot ewig gelten wird. Darüber redet Wolf bei seinem Auftritt in Berlin nicht. Lieber spricht er von Russland. Dort sei der eigentliche Hoffnungsmarkt. In Wien wird jedoch kolportiert, dass Magna langfristig den US-Markt im Visier habe: Dort wolle der Autozulieferer eines Tages in das Vakuum vorstoßen, das die Insolvenz von General Motors hinterlassen wird.

In der Hauptsache erhält sich Magna mit der Opel-Übernahme zunächst den wichtigsten eigenen Absatzmarkt: Mehr als 19 Prozent seiner Produkte verkauft der Zulieferer an GM, und davon den Löwenanteil an Opel. Das will Wolf nicht wegbrechen lassen. Der Manager, der mit einem Jahreseinkommen von geschätzt fünf Millionen Euro zu den bestbezahlten Wirtschaftslenkern Österreichs gehört, will mit Magna möglichst wenig als direkter Konkurrent großer Marken auftreten. Wolf weiß warum: Ferdinand Piëch, Aufsichtsratschef von Volkswagen, hat schon gewarnt. Es sei unvorstellbar, dass große Hersteller wie VW auf Dauer bei einem direkten Konkurrenten einkaufen würden.

Piëch ist übrigens auch Österreicher. Und die, so ist in der grellen Tagespostille Österreich zu lesen, sind "viel besser als die Piefkes. Erstmals übernehmen wir einen deutschen Großkonzern. Wir sind die Krisengewinner - wir sind Opel!" Diese Abwandlung der legendären Papstzeile geistert durch fast alle Gazetten des Landes. Allerdings selten mit so national geschwellter Brust.

Die Genugtuung ist jedenfalls groß. Für kleine Gesellschaften wie für Österreich sind manche Firmen identitätsstiftende nationale Heiligtümer: Da ist nach dem Verkauf von Austrian Airlines an Lufthansa der Magna-Opel-Deal heilender Balsam. Und man hat endlich wieder eine "eigene" Automarke. Dass es nach 1945 nie mehr dazu gereicht hat, schmerzt die Auto-vernarrten "Ösis". Wolf, der aus der Steiermark kommt, geht es nicht um Heimatliebe. Er ist überzeugt, dass die Autobauer zukünftig ihre Fahrzeuge zwar selbst entwickeln, sie aber bei den Zulieferern fertigen lassen.

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