Opel:Projekt Renaissance

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Ein Sanierungsplan von General Motors sorgt bei Opel für Angst und Schrecken. Der Betriebsrat befürchtet bereits das Ende der deutschen Marke - und hat ganz eigene Ziele.

Harald Schwarz

Klaus Franz war vor kurzem in Detroit. Dort besuchte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Rüsselsheimer Autoherstellers Opel einen alten Bekannten. Franz traf Fritz Henderson, der einst Opel-Finanzchef war und jetzt beim schwer angeschlagenen amerikanischen Mutterkonzern General Motors (GM) das operative Geschäft verantwortet. Das Gespräch der beiden soll "konstruktiv" gewesen sein, heißt es.

GM legt am Dienstag einen Sanierungsplan vor - der Betriebsrat von Opel ist alarmiert. (Foto: Foto: AP)

Ganz so konstruktiv war es aber wohl doch nicht. Denn Franz und sein Betriebsratskollege Rudi Kennes laufen jetzt Sturm gegen die Pläne von GM für das Europa-Geschäft des US-Konzerns, zu dem die Marken Opel, Vauxhall und Saab gehören. Der vorgesehene tiefgreifende Umbau trägt intern den Titel "Renaissance-Projekt". Franz und Kennes attackieren dieses Projekt in einem vier Seiten langen Brief an alle Beschäftigten von GM in Europa. Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Anlass für den Brandbrief ist, dass GM nach mitteleuropäischer Zeitrechnung in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wichtige Beschlüsse veröffentlichen will. Die Opel-Mutter buhlt in Washington um weitere Milliardenhilfen der US-Regierung. Um diese Kredite zu erhalten, muss GM einen Sanierungsplan vorlegen. Harte Einschnitte mit Werksschließungen und Massenentlassungen - auch in Europa - sind programmiert. Das befürchten auch Franz und Kennes.

Angst vor GM-Plänen

Die beiden Betriebsräte betonen: Der Plan "Renaissance" sei "für Europa nicht durchführbar". Er "würde das Ende der europäischen Geschäftstätigkeit bedeuten und hohe Prozessrisiken für die Muttergesellschaft mit sich bringen". Verwiesen wird auf verbindliche Verträge auf europäischer und auf Landes-Ebene. In Deutschland gilt bei Opel beispielsweise ein Kontrakt, der betriebsbedingte Kündigungen bis Ende kommenden Jahres ausschließt. Franz und Kennes schreiben weiter: "Die europäischen Betriebe sind im Hinblick auf Produktivität, Flexibilität und Produktportfolio absolut wettbewerbsfähig."

Die Folgen des Renaissance-Plans wären ihrer Meinung nach dramatisch: "Keine europäische Regierung oder Bank würde Bürgschaften bzw. Kredite für die Schließung von Werken und die Entlassung tausender Beschäftigter geben. Das gilt vor allem, wenn durch die Bürgschaft einer europäischen Regierung die Schließung eines Werks in einem anderen europäischen Land finanziert würde. Das hätte erhebliche Konflikte zur Folge und würde von jeder Regierung vermieden. Das würde aber auch bedeuten, dass es keine Chance gäbe, das operative Geschäft zu retten."

Die Betriebsräte spielen damit darauf an, dass Opel eine Staatsbürgschaft für Kredite in Höhe von 1,8 Milliarden Euro für die Jahre 2009 und 2010 beantragt hat. Darüber soll die Bundesregierung spätestens Anfang April entscheiden. Zudem hofft Opel auf Hilfen von Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen. In diesen vier Ländern hat der Autobauer Standorte. Dem Vernehmen nach prüfen diese Länder sogar, ob sie sich vorübergehend an Opel beteiligen sollen. Voraussetzung wäre aber eine Trennung von GM und Opel.

Weitere Folgen von "Renaissance" wären dem Brief zufolge: ein enormer Wertverlust der Marken Opel und Vauxhall, Kosten in Höhe mehrerer hundert Millionen Euro durch Personalabbau und Werksschließungen, die Flucht qualifizierter Mitarbeiter und Manager. Werde das europäische Geschäft zerstört, werde das Händlernetz "mit in den Abgrund" gezogen. Weiter heißt es: "Jedes Szenario, das aus dem Projekt Renaissance umgesetzt wird, wird letztlich dazu beitragen, dass Opel/Vauxhall spätestens innerhalb der nächsten eineinhalb bis zwei Jahre zusammenbrechen wird."

"Vernünftige Handlungsalternativen"

Neben der ohnehin vorgesehenen Ausgliederung von Saab aus dem GM-Konzern fordern die Betriebsräte auch eine Abtrennung von Opel und Vauxhall, wobei bei GM eine Minderheitsbeteiligung bleiben könne. Das Abnabeln von Saab auf der einen und Opel/Vauxhall auf der anderen Seite seien "die einzigen vernünftigen und machbaren Handlungsalternativen", so Franz und Kennes. Gerichtsprozesse würden vermieden. Und es gäbe dann keine Werksschließungen und Massenentlassungen. Eine Firma Opel/Vauxhall könne ihr Geschäft selbst finanzieren, Bürgschaften der europäischen Regierungen von etwa drei Milliarden Euro nutzen, ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell entwickeln sowie neue Partner, Investoren und Gesellschafter suchen.

Außerdem gebe es für ein solches Unternehmen die Chance, dass sich Regierungen beteiligen, um das Stammkapital zu erhöhen. Auch könne es mit weniger Bürokratie als unter dem GM-Dach auskommen, biete der Marke Opel die Chance, neue Märkte zu erobern, und könne "eine passende Gesellschaftsform" prüfen. Opel ist derzeit eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die GM starken Durchgriff erlaubt. Franz würde das Unternehmen lieber als Aktiengesellschaft (AG) oder europäische Aktiengesellschaft (SE) sehen.

Am Ende ihres Briefs schreiben Franz und Kennes: "Die Ausgliederungen würden weitere finanzielle Risiken für General Motors ausschließen. Das Abkommen über die Ausgliederungen könnte so ausgestaltet werden, dass General Motors weiterhin den wichtigen Zugang zu den Technologien der europäischen Entwicklungszentren behält. Damit könnte sich auch General Motors das Überleben sichern."

© SZ vom 17.02.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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