Opel:Neue Opel-Eigentümer wollen Personalkosten senken

Opel-Werk Kaiserslautern

Das Opel-Werk in Kaiserslautern.

(Foto: dpa)
  • Seit 100 Tagen gehört der Autohersteller zum Peugeot-Citroën-Konzern. Jetzt haben die Franzosen erklärt, wie Opel in die schwarzen Zahlen kommen kann.
  • Kündigungen und Werksschließungen sind nicht geplant.
  • Mit einem kleineren Top-Managment und Vorruhestandsprogrammen für Tausende Mitarbeiter soll gespart werden.

Von Max Hägler, Rüsselsheim

Mit ein paar Handgriffen ist so ein Eigentümerwechsel eben auch nicht möglich. "Pull with both hands", steht am Papiertaschentuchspender in der Opel-Zentrale in Rüsselsheim. Es ist ein US-Fabrikat, das offensichtlich noch in der alten Zeit angeschafft wurde, in den Jahrzehnten, als General Motors (GM) herrschte, der große Autokonzern aus Detroit.

Seit genau 100 Tagen haben hier nun Franzosen das Sagen, der Peugeot-Citroën-Konzern (PSA). Und weil der Deal ausgelöst war durch die fortwährenden Verluste, auf die GM irgendwann keine Lust mehr hatte, steht die große Frage im Raum: Wie soll die Adam Opel AG wieder in die schwarzen Zahlen kommen, wie soll diese Firma überleben?

Am Donnerstag gibt es darauf eine emotionale Antwort, die aber auch eine inhaltliche ist: indem Opel, entstanden aus einer 1862 gegründeten Nähmaschinenfabrik, deutscher wird. "Wir kommen hier aus einer Welt, in der in Detroit entschieden wurde, wir betreten eine Welt, in der das Zentrum der Entscheidungen nicht Paris ist, sondern Rüsselsheim", sagt PSA-Chef Carlos Tavares, der seiner neuen Konzerntochter und ihrem Management eben 100 Tage Zeit gegeben hatte, um eine Idee vorzulegen. Jetzt bei der Präsentation des "Pace" genannten Planes betont er: Grenzüberschreitendes und damit aufreibendes "Micromanagement" wolle er nicht betreiben, also nicht im Tagesgeschäft herumfuhrwerken beim Weg aus dem Schlamassel.

Das ist "dramatisch", diesen Begriff wählt Tavares an diesem Tag einige Male; er habe viel "Leid" gesehen hier. Der Marktanteil von Opel und der britischen Tochter Vauxhall ist in Europa seit 1999 von gut neun Prozent auf knapp sechs Prozent gefallen. In dieser Zeit hat Opel 16 Milliarden Dollar verbrannt und 30 000 Jobs gestrichen. Auf die Gegenwart bezogen heißt das: Jeder Opel ist 700 Euro zu teuer.

Das Managment soll kleiner werden

Um runterzukommen mit den Kosten, will Opel-Chef Michael Lohscheller Redundanzen und Komplexität abbauen. Will erreichen, was die neue Konzernmutter aus Frankreich mit ihren Marken Peugeot, Citroën und DS vorgemacht hat: Vor wenigen Jahren steckte das französische Konglomerat noch in der Krise - nun fährt es wieder Gewinn ein. "Es gibt keinen Grund, wieso Opel das nicht auch schaffen kann", sagt Lohscheller.

Derzeit würden etwa Opel-Autos in Korea gebaut und per Schiff nach Europa gebracht, viel zu teuer sei das. Die wenigsten Opel-Modelle hätten Gleichteile - bald soll es indes nur noch zwei Plattformen für alle Modelle geben, die zudem mit den französischen Marken geteilt würden: Synergien sparen Geld. Der Einkauf und die Werke sollen billiger arbeiten, etwa um ein Viertel. Auch das Top-Management werde verkleinert: "Die Treppe wird von oben gekehrt", formuliert es Lohscheller. Im Endeffekt soll Opel so bereits ab 800 000 verkauften Autos Geld verdienen, im Jahr 2020 soll es soweit sein. Derzeit liege die Schwelle zum Gewinn noch weit darüber. Zudem wird der Vertrieb ausgeweitet um 20 Länder: Auch in Argentinien oder Saudi-Arabien will Opel Autos verkaufen. Es ist ein hartes Konzept, das zuvorderst auf Kostensenkungen setzt. Dennoch soll das ohne betriebsbedingte Kündigungen ablaufen und ohne Werkschließungen. Stattdessen sollen die im Branchenvergleich zu hohen Personalkosten sanft gesenkt werden, über Vorruhestandsprogramme, denen aber wohl einige Tausend Mitarbeiter folgen müssen, damit Opel wirklich so viel spart wie geplant.

Im Gegenzug verspricht Tavares eben Freiheiten - und eine eigene Identität. Er hat Opel erworben, weil er glaubt, dass sich deutsche Qualität eigentlich gut verkaufen lassen müsste, gerade an Kunden, die keine französischen Marken mögen. Das Entwicklungszentrum soll sich innerhalb des Konzerns künftig um Software kümmern und um alternative Kraftstoffe; alle Opel-Modelle in Rüsselsheim entwickelt werden, wenn eben auch mit vielen PSA-Teilen. "Germanness", also eine deutsche Anmutung, solle jeder Opel ausstrahlen. Es hätte schlimmer kommen können, und so haben auch die Arbeitnehmervertreter diesem Plan zugestimmt im Aufsichtsrat. Nicht zuletzt, da es jetzt endlich ein Konzept gebe, wie Opel emissionsärmere Autos bauen könne; im Jahr 2024 sollen alle Modelle auch als Hybrid oder Batteriefahrzeug erhältlich sein. Von der Gewerkschaft IG Metall heißt es dazu: "Wir erkennen an, dass es bei der Produktivität Fortschritte geben muss."

Die Bereitschaft zum Sparen, zu Zugeständnissen ist also da. Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug geht davon aus, dass die Zusagen bei Werken und Stellen bis zum Jahr 2020 gelten. Aber unterschriebene Betriebsvereinbarungen haben sie keine. Am Freitag soll der Verhandlungsprozess beginnen - der aber trotz der Ideen und Beteuerungen ins Leere laufen könnte. Sie erinnern sich in der Gewerkschaft noch daran, wie die Opelaner aus Bochum allerlei Sparpläne mittrugen, Gehaltseinschnitte hinnahmen, zum Wohle des großen Ganzen. Und wie dann das große, stolze Werk abgewickelt wurde. Auch deshalb hat die IG Metall ihren erfahrensten und härtesten Mann ins Verhandlungsteam geschickt: den früheren Gewerkschaftschef Berthold Huber, der in der VW-Krise zeitweilig sogar den Aufsichtsrat von Volkswagen führte. Und seine Erfahrung werden die Arbeitnehmer brauchen: Der Plan bedeutet fünf Prozent des Erfolgs. 95 Prozent des Erfolgs liegen in der Umsetzung. Und das bedeute auch, sagt Tavares, dass da Entscheidungen kommen, die "sie nicht mögen". Die aber am Ende des Tages erfolgreich sein werden. Das große Krisenversprechen, da ist es wieder.

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