Opel, Magna, Gaz:So schön kann Blech flirten

Liebesgrüße aus Graz - und Opel lernt Russisch: Im Verbund mit Magna greift Gaz nach der deutschen General-Motors-Tochter. Es wäre ein Deal, der nur Gewinner kennt.

Melanie Ahlemeier und Günther Fischer

Kommt es zum perfekten Deal, sprechen Manager gerne von einer Win-win-Situation. Übersetzt heißt das: Beide am Vertrag beteiligten Parteien profitieren. Im Fall Opel könnten die Beteiligten vielleicht bald schon von einer Win-win-win-Situation reden. Oder noch besser: von Win-win-win-win.

Opel, dpa

Opel benötig frisches Kapital, darum ist GM auf der Suche nach einem Investor.

(Foto: Foto: AP)

Denn der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna möchte im großen Stil bei der angezählten General-Motors-Tochter aus Rüsselsheim einsteigen - und zwar im Verbund mit dem russischen Autohersteller Gaz und dem Finanzinstitut Sberbank.

Opel selbst wollte einen entsprechenden Bericht der Rheinischen Post nicht kommentieren. Das Blatt beruft sich auf unternehmensnahe Kreise. Deren Angaben zufolge möchten Magna-Chef Frank Stronach 19,1 Prozent und die russischen Partner 31 Prozent der Anteile erwerben.

Bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden des Fiat-Interesses an Opel am vergangenen Donnerstag hatte es Gerüchte im Markt gegeben, dass der Selfmade-Milliardär Stronach im Verbund mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska bei Opel einsteigen könnte. Das russische Unternehmen hatte prompt dementiert.

Nun das Wiederaufflammen der Spekulationen - ein Beweis dafür, dass entsprechende Verhandlungen möglicherweise schon weit vorangekommen sind?

Den eigenen Abnehmer sichern

Für Marktbeobachter wie den Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen wäre ein Zusammenschluss Opel-Magna-Gaz eine sinnvolle Lösung. "Bei diesem Spiel gäbe es keine Verlierer", sagte Dudenhöffer zu sueddeutsche.de. Gaz - ein Konzern, der derzeit eher mit veralteten Modellen und überholten Fabriken auffällt - könnte von der modernen Autotechnologie made in Rüsselsheim profitieren. Und Magna, weltweit der drittgrößte Zulieferer, würde sich praktischerweise seinen eigenen Abnehmer sichern.

Auch der Autoexperte Willi Diez sieht in Magna einen seriösen Partner und den von den Opel-Mitarbeitern herbeigesehnten Retter. Eine Garantie für die Opel-Standorte erwartet der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft durch Magna aber nicht. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Unternehmen nun wirklich eine langfristige Standort- und Beschäftigungsgarantie für alle Opel-Standorte gibt", sagte Diez dem Deutschlandradio Kultur.

Doch wer ist Magna eigentlich? Zwar wird Magna Steyr (mit vollem Namen Magna Steyr Fahrzeugtechnik AG & Co KG) immer noch als Zulieferer bezeichnet. Allerdings ist das Unternehmen längst zum vollwertigen Automobilhersteller aufgestiegen. Magna baut und entwickelt komplette Fahrzeuge - bisher allerdings ausschließlich für andere Hersteller.

Momentan umfasst die Produktionspalette den BMW X3 (seit 2003), den Jeep Grand Cherokee (seit 1994), den Jeep Commander (seit 2006), die Mercedes-Benz G-Klasse (früher Puch G; seit 1979) und das Saab 9-3 Cabrio (seit 2003). Das Ende einiger Fertigungsverträge ist aber absehbar - Jeep und Saab werden in den GM-Chrysler-Strudel geraten, andere wiederum sind nicht volumenstark genug, um die Werke auszulasten.

Immerhin: Für die Zukunft hat Magna bereits einige prestigeträchtige Aufträge an Land gezogen. So wird ab diesem Jahr der Aston Martin Rapide in Graz gefertigt, ebenso der Mini Colorado - eine Art Kleinstvariante der Sport Utility Vehicles (SUV).

Von 2010 an läuft in Graz der Peugeot 308 RC Z vom Band, und 2012 folgen Porsche Boxster und Cayman. Aber all diese Aufträge sind nicht von hohen Stückzahlen geprägt.

Ein Blick aufs Magna-Portfolio macht dennoch klar, dass bei Magna - und im sogenannten Grazer Auto-Cluster - viel Know-how vorhanden ist, und zwar für jedwede Form von Automobil. Nicht wenige Fahrzeuge mit Allradantrieb ließen die Technik dafür bei Magna entwickeln - so auch Mercedes sein hochgelobtes 4Matic-System. Die 4Matic-Modelle der Mercedes-Benz E-Klasse wurde denn auch bis 2006 in Graz gebaut.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wenn Leistung nicht belohnt wird.

Wenn Leistung nicht belohnt wird

Allerdings, und das ist Magna eine bittere Erfahrung, bleibt so manche Leistung unbelohnt. Ein Beispiel: BMWs Bestseller X3 wurde zur Gänze in Graz entwickelt, designt und gebaut. Klar, dass man hoffte, auch den Folgeauftrag für den neuen X3 zu bekommen. BMW düpierte seinen langjährigen Partner aber - und lässt den Wagen nun im eigenen Werk im amerikanischen Spartanburg produzieren. Die unmittelbaren Folgen dieses Auftragsverlustes betrafen rund 2500 Mitarbeiter in Graz.

Es ist deswegen schon lange kein Geheimnis mehr, dass Magna endlich auch ein eigenes Auto bauen oder sich zumindest eine Marke kaufen möchte - Opel würde vor diesem Hintergrund bestens passen. Zumal Magna seine Hausaufgaben macht: Auf der Frankfurter IAA 2005 zeigte der Konzern erstmals sein Konzeptauto Mila - einen einsitzigen, erdgasbetriebenen Sportwagen. 2009 präsentierte der Konzern auf dem Genfer Autosalon nun das jüngste Mitglied seiner Mila-Familie: den Mila EV, ein modular aufgebautes Elektrofahrzeug. Selbst an KTMs puristischem Automobil namens X-Bow ist Magna wesentlich beteiligt.

Börsensturz trifft Deripaska

Von einer solchen Zukunftstechnologie kann der russische Autohersteller Gaz derzeit allerdings nur träumen - das Unternehmen des krisengebeutelten Oligarchen Oleg Deripaska steht nahe am Abgrund. Der Absturz der Börsen traf auch sein Konto. Schon Ende Februar beliefen sich die Verbindlichkeiten auf fast 30 Milliarden Dollar, wie das Fachblatt Finas berichtete. Magna ist Deripaska schon länger verbunden: Vor knapp zwei Jahren kaufte sich der Russe für rund 1,5 Milliarden Dollar beim österreichisch-kanadischen Unternehmen ein.

Nicht immer allerdings bewies der reiche Mann aus Moskau mit seinen milliardenschweren Investitionen ein glückliches Händchen. Im Herbst vergangenen Jahres war für Deripaska das Magna-Abenteuer schon wieder vorbei - sein Aktienpaket übernahm die französische BNP-Paribas. Und erst vor wenigen Wochen trennte er sich von seinem 25-Prozent-Anteil am österreichischen Baukonzern Strabag. Es ist noch nicht lange her, da sah ihn das für seine Reichen-Rankings bekannte US-Magazin Forbes unter den Top Ten der Welt.

Und Sberbank? Dem russischen Geldhaus fällt im Quartett mit Opel-Magna-Gaz wohl vor allem eine strategische Rolle zu. "Die Bank ist eine Brücke auf Zeit", umschreibt Autoexperte Dudenhöffer ein mögliches Engagement der Staatsbank. Russland sei sehr um eine strategische Partnerschaft bemüht, um die landesweite Autotechnologie voranzubringen.

Für den Opel-Mutterkonzern General Motors wird die Zeit knapp, Entscheidungen in Detroit müssen bis Ende Mai getroffen werden. Dann will die US-Regierung ein tragfähiges Zukunftskonzept des ehemals weltgrößten Autoherstellers sehen. Sollte GM-Chef Fritz Henderson dem Konglomerat Magna-Gaz-Sberbank den Zuschlag geben, könnte es am Ende Sieger in Serie geben.

Oder: eine Win-win-win-win-Situation.

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