Opel: Autoexperte Dudenhöffer:Der Staat soll's richten

General Motors will offenbar Teile seiner Tochter Opel verschenken. Der Automobilexperte Dudenhöffer über den Spottpreis - und einen Einstieg des Staats.

Melanie Ahlemeier

Ferdinand Dudenhöffer ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft sowie Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen. Von 1985 bis 1987 war er als Analyst Business Planning und im Marketing für Opel tätig.

Ferdinand Dudenhöffer, Opel, Fotos: dpa/AP

Ferdinand Dudenhöffer: "Opel allein kann langfristig überleben."

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sueddeutsche.de: Herr Professor Dudenhöffer, General Motors ist offenbar bereit, einen Teil von Opel für lau abzugeben. Einzige Bedingung: der Investor muss 500 Millionen Euro Kapital mitbringen. Eine gute Idee oder Ausdruck blanker Not?

Dudenhöffer: Der Vorschlag zeigt die schwierige Lage, in der GM steckt. Der Konzern will sich von den Teilen trennen, die eine Restrukturierung erschweren - aber noch ist alles offen. Vermutlich sind es die Opel-Werke und ein Teil des Entwicklungszentrums. Inwieweit der Vertrieb betroffen ist, ist nicht bekannt.

sueddeutsche.de: Opel und die insolvente schwedische Konzernschwester Saab könnten sich zusammenschließen, heißt es im Markt. Wird Saab deutsch?

Dudenhöffer: Um Gottes Willen. Saab ist ein ganz schwieriger Fall. GM hat Saab in den letzten 20 Jahren total ausgehöhlt. Das Besondere von Saab existiert nicht mehr, das sind adaptierte Opel-Fahrzeuge. Saab verkauft weniger als 100.000 Autos. Saab ist im Premiumsegment gegenüber BMW, Audi und Mercedes nicht wettbewerbsfähig.

sueddeutsche.de: Was spricht konkret gegen einen Zusammenschluss von Opel und Saab?

Dudenhöffer: Mit Saab würde sich das Unternehmen nur einen Verlustträger ans Bein bringen, außerdem ist Saab zu klein. Opel allein kann langfristig überlebensfähig sein, wenn das Unternehmen Kooperationen auf allen Ebenen nutzt.

sueddeutsche.de: Wie könnten solche Verbünde aussehen?

Dudenhöffer: Jede Opel-Modellreihe könnte eine gemeinsame Plattform mit einem anderen Autobauer haben. Das kann GM sein, muss aber nicht. Der Astra und die darauf aufbauenden Modelle könnten zum Beispiel mit Ford-Europa produziert werden. Beide Unternehmen würden profitieren, weil eine gemeinsame Plattform das Volumen erhöht. Das bringt in der Entwicklung Kostenvorteile von gut 50 Prozent und deutliche Einsparungen im Einkauf. Außerdem könnten Produktionsstandorte gemeinsam genutzt werden und die Flexibilität deutlich erhöht werden.

sueddeutsche.de: Was genau wäre das Ziel - eine stärkere Position gegenüber dem direkten Wettbewerber Volkswagen?

Dudenhöffer: Ja, Opel und Ford würden gegenüber Volkswagen besser dastehen. VW baut immerhin rund zwei Millionen Fahrzeuge auf der Golf-Plattform. Opel und Ford müssen sich nicht zusammenschließen, es geht lediglich um die gemeinsame Entwicklung und Produktion einer Plattform. Eine Zusammenarbeit wäre beim Astra und dem Focus, aber auch beim Mondeo und dem Insignia denkbar. Es könnte aber auch genauso gut Peugeot sein. Ziel wäre eine Verkleinerung von Opel. Ein Unternehmen, das agiler mit weniger Kapazitätslast unterwegs ist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was drohen könnte, wenn ein chinesischer Hersteller bei Opel einsteigt.

Die Gefahr aus Fernost

sueddeutsche.de: GM-Chef Fritz Henderson hat gesagt, dass es mehr als sechs seriöse Interessenten für Opel gibt. Wie glaubwürdig ist diese Aussage?

Dudenhöffer: Die Frage ist doch vielmehr, was seriös bedeutet. Möglicherweise ist der ein oder andere Chinese darunter, der in Europa Fahrzeuge verkaufen möchte, dem aber noch die entsprechende Vertriebsstruktur fehlt.

sueddeutsche.de: Wo liegt die Gefahr?

Dudenhöffer: Dass Know-how abgezogen wird und die Autos in fünf Jahren dann in China gebaut werden. Die Fabriken hierzulande würden einfach dichtgemacht. Bleiben würde nur eine Vertriebsorganisation.

sueddeutsche.de: Und was ist mit strategischen Finanzinvestoren?

Dudenhöffer: Die Automobilindustrie wird nur als kurzfristiges Investitionsobjekt gesehen. Die Margen im Volumenbereich sind überschaubar. Wir sprechen hier über Umsatzrenditen zwischen drei und vier Prozent. Die Eigenkapitalrendite liegt zwischen fünf und sechs, maximal sieben Prozent - fünf Prozent Verzinsung bekommen Sie fast auf Ihr Sparbuch! Ein Engagement langfristiger Finanzinvestoren ist meiner Meinung nach wenig wahrscheinlich. Man würde versuchen, einen Hebel zu nutzen und das Unternehmen in absehbarer Zeit weiterverkaufen.

sueddeutsche.de: Bei Finanzinvestoren schwingt ja immer die Angst mit, dass ein Konzern endgültig zerschlagen wird.

Dudenhöffer: Für Finanzinvestoren ist die Automobilbranche nur dann interessant, wenn man mit der Hebelwirkung arbeitet. Das heißt: Es ist jede Menge Fremdkapital im Spiel. Damit wird der Firmenwert in fünf, sechs Jahren hochgehoben und dann werden die Anteile wieder verkauft.

sueddeutsche.de: Wie realistisch ist dieses Modell im Fall Opel?

Dudenhöffer: Das könnte durchaus der Fall sein, weil Kanzlerin Angela Merkel dann bereit wäre, die vom Unternehmen genannten erforderlichen 3,3 Milliarden Euro zu geben. Die Eigenkapitaldecke wäre dünn, das Fremdkapital hoch. Man würde versuchen, schnell den Hebel zu machen. Nach zehn Jahren würde man vermutlich wieder an dem heutigen Punkt stehen, das ist die große Gefahr.

sueddeutsche.de: Ihre Empfehlung, falls sich niemand findet, der in dieser schweren Wirtschaftskrise Milliarden für Opel gibt?

Dudenhöffer: Die beste Alternative ist die Staatsbeteiligung, bei der Hypo Real Estate macht der Bund das in der Krise ja auch. Die Staatsbeteiligung hätte einen großen Vorteil: Mit dem bereitgestellten Geld könnte das Unternehmen aufgebaut werden und nach fünf oder sechs Jahren dann vernünftig mit der Eigenkapitalbasis arbeiten. Stück für Stück könnte das zunächst vom Staat gegebene Eigenkapital in Eigenkapital privater Investoren getauscht werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Opel nicht zusammenbrechen darf.

Überleben - um jeden Preis

sueddeutsche.de: Sie wollen Opel um jeden Preis retten - warum kann Deutschland nicht auf das Unternehmen verzichten? Es gibt genügend andere Hersteller, die bezahlbare Mittelklassewagen produzieren.

Dudenhöffer: Wir müssen einen K. o. im Automobilgeschäft ausschließen. Derzeit gehen jede Woche fünf Zulieferer in die Insolvenz. Opel macht in Deutschland 15 Prozent der Automobilindustrie - mit Opel kämen gut 200 Zulieferer mit 70.000 Jobs ins Rutschen. Auch der Handel würde bei einer Opel-Pleite massive Probleme bekommen. Langfristig müssten wir mit einer deutlich höheren Arbeitslosigkeit rechnen. Die Sozialkosten hieraus übersteigen deutlich die Sanierungskosten von Opel.

sueddeutsche.de: GM hat nur noch bis Ende Mai Zeit, dann muss ein schlüssiges Konzept vorliegen. Momentan läuft das Opel-Geschäft mit dem Insignia rund, ab Ende des Jahres soll der neue Astra Geld bringen - reichen diese beiden Modelle aus, um Opel aus der Krise zu steuern?

Dudenhöffer: Das sind zwei wichtige Modelle. Der Insignia zeigt, dass Opel die Technik und das Design beherrscht. Wenn der nächste Astra "sitzt", haben wir gute Voraussetzungen. Allerdings braucht Opel auch die "Verschlankung". Europa-Chef Forster hat mit seinen Sanierungsplänen nicht alles richtig gemacht. Opel ist kein Unternehmen, bei dem alles hoffnungslos verloren ist. Es gibt gute Grundbestandteile. Wenn Opel sich von GM freischwimmt, hätte das Unternehmen mehr Freiheiten, neue Modelle eigenständiger anzugehen.

sueddeutsche.de: Sitzen bei Opel die richtigen Entscheider ?

Dudenhöffer: Deutschland-Chef Demand ist ein exzellenter Chefingenieur, aber die starke Außenwirkung als Mr. Opel fehlt. Bei Europa-Chef Forster hätte man sich eine bessere Krisenkommunikation gewünscht.

sueddeutsche.de: Am Wochenende wurde schon der ehemalige VW-Boss Pischetsrieder als möglicher Chef einer neuen Opel-Gesellschaft ins Spiel gebracht.

Dudenhöffer: Bernd Pischetsrieder hat eine sehr starke Außenwirkung und er hat viel Erfahrung im Automobilbau. Bei VW wurde ihm allerdings vorgeworfen, dass er vorsichtig mit Änderungen war. Opel braucht aber einen veränderungsstarken Manager an der Spitze, der eine Persönlichkeit nach außen ist und auch über Ingenieurswissen verfügt. Technisch ist Opel mit Demant hervorragend unterwegs, allerdings bräuchte das Unternehmen noch einen zweiten Mann an der Spitze, der die Ausstrahlung nach außen hat und das Veränderungsmanagement übernimmt.

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