Online-Shops:Der Verdacht

Konjunkturelle Lage in Deutschland

Preise sind für Kunden oft intransparent. Davon profitieren in erster Linie die Unternehmen, kritisiert ein Verbraucherschützer.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Wer ein teures Smartphone nutzt, zahlt mehr im Online-Shop. Heißt es. Bewiesen ist es bislang noch nicht.

Von Jan Schmidbauer

Nicht einmal die Leberwurst ist sicher vor der Digitalisierung. In einem Industriegebiet in St. Wendel bei Saarbrücken testen Forscher des Innovative Retail Laboratory schon seit 2007, wie der Lebensmitteleinkauf in Zukunft funktionieren könnte. Selbst eine "intelligente Wursttheke" gibt es in dem Labor-Supermarkt. "Wir wollen die Kommunikation an der Frischetheke erleichtern", sagt Gerrit Kahl, der das Labor leitet. Der Clou: Kameras erkennen, auf welche Wurst der Kunde zeigt. Fragen wie "Darf es die Grobe oder die Feine sein?" könnten also der Vergangenheit angehören.

Der Einkauf soll aber nicht nur smarter werden, sondern auch individueller. Auch bezogen auf den Preis. Testkunden, die in dem Labor-Supermarkt zum Müsli greifen, erhalten auf dem Tablet ein günstigeres Angebot für Produkte angezeigt, die gut dazu passen. In diesem Beispiel Rosinen und Bananenchips. So bekommt jeder Kunde am Ende eine unterschiedliche Rechnung, ganz nach seinem Einkaufsverhalten. Von personalisierten Preisen will Kahl aber nicht sprechen. Denn die Daten über das Einkaufsverhalten werden nicht direkt dem Kunden zugeordnet. Das seien bloß mögliche Szenarien, denn Verbraucher würden schnell das Vertrauen in den Handel verlieren.

Beim Einkauf im Internet gehören personalisierte Preise aber möglicherweise schon zur Realität. "Das gesamte Ausmaß liegt bislang im Dunkeln", sagt Miika Blinn von der Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin. Einzelfälle seien aber bereits bekannt. In der Theorie kann die Personalisierung von Preisen so weit führen, dass eine Reise sprunghaft teurer wird, weil ein Kunde mehrmals nach ihr gesucht hat. Wer das Hotel auf Mallorca zum fünften Mal in die Suche eingegeben hat, der hat ein stärkeres Verlangen, es zu buchen und ist vielleicht dazu bereit, mehr dafür zu zahlen. Oder ein anderes Beispiel: Ein Kunde sucht mit seinem neuen iPhone im Online-Shop nach einer Armbanduhr und bekommt einen höheren Preis angezeigt, als bei der vorigen Suche. Denn wer bereit ist, Geld in ein vergleichsweise teures Smartphone zu investieren, der wird auch bereit dazu sein, mehr Geld für die Uhr zu berappen.

So oder so ähnlich soll das Prinzip in etwa funktionieren. Immer wieder berichten Verbraucher von diesen frustrierenden Erlebnissen. Das will nun auch das Justizministerium nicht mehr unkommentiert lassen. Der für Verbraucherschutz zuständige Staatssekretär, Gerd Billen, hat sich zu dem Verdacht geäußert, dass die Preise im Online-Handel personalisiert sein könnten. Billen macht deutlich, was er von diesen Methoden hält: gar nichts. "Wenn Preise mit Hilfe von Algorithmen und Big-Data-Anwendungen individualisiert werden, dann hat das eine völlig neue Qualität", sagte er dem Handelsblatt. Billen stört besonders, dass es für die Kunden kaum noch möglich ist, die Mechanismen nachzuvollziehen, die hinter den Preisen im Internet stecken. "Es darf nicht passieren, dass Kunden schlechtere Bedingungen auf der Grundlage willkürlicher Kriterien oder falscher Daten erhalten", sagte er. Im Justizministerium wird man nun also genauer beobachten, wie Online-Händler ihre Preise gestalten.

Bislang bestreiten die Online-Anbieter aber, dass es derartige Methoden überhaupt gibt. "So etwas gibt es bei uns gar nicht", sagte ein Sprecher des Versandhändlers Otto. Belege, dass sich Preise im Online-Handel systematisch anhand der Daten einzelner Kunden verändern, gibt es jedenfalls keine.

Unumstritten ist dagegen, dass das sogenannte Dynamic Pricing genutzt wird, um kurzfristig an den Preisen zu drehen. Der entscheidende Unterschied ist, dass hierbei nicht die Daten eines einzelnen Kunden genutzt werden. Unterschiedliche Ergebnisse beim Preis gibt es aber trotzdem. Wer einen Flug erst kurz vor dem Start bucht, zahlt meist erheblich mehr für das Ticket. Die Fluggesellschaft Easyjet beispielsweise, legt diese Preispolitik auf ihrer Webseite offen. Wenn das Abflugdatum näher heranrücke, steige tendenziell die Nachfrage und damit auch der Preis, schreibt das Unternehmen.

Doch selbst die Uhrzeit, zu der ein Kunde einen Flug bucht, kann sich auf den Preis auswirken. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) beobachtete in einem Test zwölf verschiedene Flüge auf einem Vergleichsportal. Dabei kam heraus, dass die Flüge am Abend durchschnittlich sechs Prozent teurer waren, als morgens. Für den Kunden sind solche Mechanismen wie bei personalisierten Preisen kaum zu durchschauen.

Das kritisiert auch Miika Blinn von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Er fordert von den Online-Händlern mehr Transparenz bei den Preisen. "Die Unternehmen sollen einfach offenlegen, welche Daten einfließen." Dann hätten die Kunden auch das nötige Vertrauen in die Preisgestaltung der Online-Shops, sagt Blinn. Derzeit sei der Markt aber oft viel zu unübersichtlich. "Die Unternehmen machen die Verbraucher damit gewissermaßen zu Börsenhändlern", kritisiert Blinn. Der Kunde verliere das Gefühl für Preise, fürchtet er. "Davon profitieren in erster Linie die Unternehmen."

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