Online-Handel:Große Pläne mit großer Mode

Online-Handel: "Wir bewegen uns in einem Bereich, der komplett ignoriert wurde." Navabi-Gründer Bahman Nedaie (li.) und Zahir Dehnadi.

"Wir bewegen uns in einem Bereich, der komplett ignoriert wurde." Navabi-Gründer Bahman Nedaie (li.) und Zahir Dehnadi.

(Foto: Ira Weinrauch/oh)
  • Bahman Nedaie und Zahir Dehnadi haben große Pläne: Mit ihren Start-up für Übergrößen wollen sie den Modehandel im Netz aufrollen.
  • Allein in den USA wird der Markt auf 20 Milliarden Dollar im Jahr geschätzt. Und ihr Umsatz hat sich bisher regelmäßig verdoppelt.
  • Als Kinder mussten die beiden Gründer vor Krieg und Revolution fliehen und kamen nach Deutschland.

Porträt von Michael Kläsgen

Es war die Tante aus Aachen, der die beiden Flüchtlinge viel zu verdanken haben, jedenfalls die Idee mit der Mode für Übergrößen. Deswegen heißt ihr Online-Shop auch Navabi, so wie die Tante mit Nachnamen. Sie war damals schon in Aachen, als Bahman Nedaie mit seinen Eltern aus Iran nach Deutschland flüchtete. Damals, 1986, war er drei Jahre alt, und bis die Tante ihn und seinen späteren Kompagnon auf die Geschäftsidee bringen sollte, vergingen noch 20 Jahre.

Geflohen vor Krieg und Revolution

Nedaie sagt bescheiden, dass seine Situation damals nicht mit der Not der Flüchtlinge von heute zu vergleichen sei. Zwar tobte damals zwischen Iran und Irak ein Krieg, und die Revolution hinterließ ihre hässlichen Spuren; Nedaie stammt zudem aus eher bescheidenen Verhältnissen, wie er sagt. Aber seine Eltern waren nicht arm und sie mussten keinen Asylantrag stellen. Damals habe es Sonderregelungen in Nordrhein-Westfalen gegeben, die bewirkt hätten, dass seine Familie schnell eine Aufenthaltsgenehmigung erhielt. "Das war unser Glück", sagt Nedaie. So verlief die Integration unkompliziert.

Mit zwölf Jahren lernte Nedaie beim Basketballspielen seinen heutigen Partner Zahir Dehnadi kennen, auch er ein Flüchtlingskind, allerdings mit einer traurigeren Geschichte. Sein Vater, ein linker Aktivist, wurde hingerichtet, danach floh seine Mutter mit ihm nach Deutschland. Heute sind beide 32 und betreiben einen sehr ambitionierten Online-Shop nur für Damen-Mode in Übergröße. Sie wollen daraus einen der größten der Welt machen. Das hört sich überaus ehrgeizig an, aber wer weiß, vielleicht klappt es. An der Motivation der Start-up-Gründer wird es kaum scheitern.

Selbständig schon als Teenager

Noch vor dem Abitur gründeten sie ihr erstes Unternehmen. Sie machten Webseiten und Werbung für Firmen. "Wir wollten unbedingt etwas aufbauen", sagt Nedaie. "Den Risikofaktor haben wir nie gesehen", sagt Nedaie. Es sei mehr als ein Drang, sondern fast schon "magisch" gewesen, etwas erschaffen zu wollen, ergänzt Dehnadi. Im Freundeskreis erkundigten sie sich ständig nach neuen Geschäftsideen. 2006 fingen sie mit dem Online-Handel an. Sie versuchten, auf Ebay die Kleider ihrer Tante zu verkaufen, auch die mit Übergrößen. Und plötzlich erhielten sie Liebesbriefe aus aller Welt. Frauen bedankten sich, dass es endlich solche Mode online zu kaufen gebe. Die beiden Flüchtlingskinder konnten es kaum fassen.

Sie machten eine Marktanalyse und stellten fest: Es gibt weltweit eine riesige Nachfrage nach Mode mit Übergröße, aber nicht die richtigen Angebote. "Wir alle werden größer, die Modeideale aber werden kleiner", sagt Dehnadi. Allein in den USA wird der Markt auf 20 Milliarden Dollar geschätzt. In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es ihn aber so gut wie nicht. "Wir bewegen uns in einem Bereich, der komplett von der Modeindustrie, den Designern und den Medien ignoriert wurde", sagt Nedaie. "Deswegen müssen wir Pionierarbeit leisten." Also alles aufbauen: Einkauf, Vertrieb, das Marketing und selbst die Produktion, "die ganze Wertschöpfungskette", wie Dehnadi sagt.

Mehr als 100 Marken vertreiben beide heute, darunter auch Eigenmarken, Kleidung für 50 bis 1000 Euro. Der Durchschnittspreis liegt bei 100 Euro. Das meiste verkaufen sie in Deutschland, aber fast schon genauso viel in Frankreich und England. Auch in den USA oder Nahost haben sie Kundinnen. Jedes Jahr wuchs der Umsatz bisher um 100 Prozent. Navabi, sagt Nedaie, sei nicht nur der Nachname seiner Tante, sondern bedeute auch "Gelegenheit". Und an Gelegenheiten mangele es nicht. "Das größte Risiko für uns ist nicht", fügt er hinzu, "dass Konkurrenten auf den Markt kommen, sondern dass wir uns verzetteln."

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