Online buchen:App in die Ferien

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Online-Portale werden das klassische Reisebüro ablösen - und das wird früher passieren als gedacht. Das hat Konsequenzen.

Von Michael Kuntz, München

Es klingt so einfach: Mit ein paar Klicks den Urlaub buchen. Ganz so simpel ist es offenbar dann doch nicht. Denn zwei Jahrzehnte nach Einführung des Internets wird die Ferienreise immer noch in 42 Prozent der Fälle im persönlichen Gespräch gebucht. Umgekehrt heißt das allerdings auch: mehr als jeder zweite Urlaub wird mittlerweile im Netz gekauft.

Nur noch bei jeder zehnten Reise spielt das Internet überhaupt keine Rolle, zu dem mittlerweile vier Fünftel der Bevölkerung in Deutschland einen Zugang besitzen. Als Normalfall galt einige Jahre lang, dass sich der Kunde vorab informiert, sich in einem Reisebüro persönlich beraten lässt und dort bucht. Wer nur einen Flug oder ein Hotel braucht, erledigt das inzwischen am Computer selbst. Hier haben sich Buchungsportale durchgesetzt.

Bei Pauschalreisen, vor allem den höherwertigen, geht die Mehrheit der Menschen noch in ein Reisebüro oder sucht zumindest in einem Callcenter einen kompetenten Gesprächspartner - einen Menschen und nicht nur eine Maschine. Doch auch das wird sich weiter ändern und zwar ziemlich bald, erwartet die Reisebranche - Experten rechnen mit einer Dominanz des Verkaufs per Internet bis zum Jahr 2020, auch in Deutschland.

Denn ein Blick in andere, nicht allzu ferne Länder zeigt, wohin die Reise geht. In Großbritannien und in Skandinavien werden bereits erheblich mehr Reisen online gebucht als hierzulande. In Nordeuropa verkauft die Tui, der größte unter den Reisekonzernen, 80 Prozent der Produkte per Mausklick. Dort verdient der Konzern dann auch deutlich besser als in Zentraleuropa mit Deutschland als Hauptmarkt, wo der Wert nur um die 20 Prozent liegt.

Tui-Chef Friedrich Joussen kündigte gerade bei der Hauptversammlung seinen Aktionären an, dass man bald auch Reisen an Urlauber in den wirtschaftlich aufstrebenden Staaten Südamerikas und Asiens verkaufen will. Zielgruppe ist der neue globale Mittelstand, zu dem 2030 zwei Milliarden Menschen zählen werden, so die Erwartung. Kaufkräftige und konsumfreudige Brasilianer und Chinesen - sie sollen kostengünstig ausschließlich über Auftritte im Netz erreicht werden.

Reisebüros spielen als Vermittler bei diesem Geschäftsmodell keine Rolle mehr. So könnte es auch in Deutschland kommen, trotz regelmäßiger Lippenbekenntnisse von Managern der Reiseveranstalter auf den einschlägigen Branchentreffen. Die Tui hat bereits die Kundenkarteien ihrer vielen Tochterfirmen vereinheitlicht. Dies ist nur ein erster Schritt hin zu einem weltweiten Software-System, das den jeweiligen Sprachen und Landesverhältnissen angepasst werden kann. Dabei werden mobile Endgeräte zunehmend eine größere Rolle spielen. Und zwar nicht nur bei der Information und der Buchung von Reisen, sondern auch unterwegs und hinterher.

Ausflüge und Sonderwünsche lassen sich so zusätzlich verkaufen - aus dem Urlaub könnte ein Produkt werden wie manches Auto: es gibt ein Basismodell und ganz viele Extras, immer und überall sind mobile Kunden ansprechbar. App in den Urlaub, lautet das Motto.

Die Strategie des Marktführers ist übrigens nicht unbedingt die der Branche. Mehrere erfolgreiche mittelständische Reiseveranstalter machen der Tui seit Jahren zu schaffen. Und von denen setzten einige verstärkt auf Reisebüros. Schauinsland kaufte ein sich ein paar und FTI mit RTK gleich eine ganze Kette. Gemeinsam ist großen und kleinen Reiseveranstaltern: Wenn sie schon Provisionen für den klassischen Nicht-Online-Verkauf zahlen müssen, dann möglichst an Reisebüros, die ihnen selbst gehören.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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