OLG-Beschluss:Staatliches Kartell im Wald

Nebelschwaden bedecken Waldsenken

Ein Wald nahe des Bodensees: Auch hier besteht für die Richter ein Kartell.

(Foto: Felix Kastle/dpa)

Viele Forstbetriebe in Deutschland stehen vor massivem Umbau.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Das Land Baden-Württemberg verstößt mit seiner zentralen Vermarktung von Stammholz gegen europäisches Kartellrecht. Dies hat das Oberlandesgericht Düsseldorf am Mittwoch entschieden. Der Beschluss richtet sich zwar nur gegen Baden-Württemberg, gilt aber als wegweisend für viele andere Bundesländer. Sollte die Entscheidung rechtskräftig werden, müsste das Forstsystem in den meisten Wäldern Deutschlands neu organisiert werden.

Der Streit dreht sich um die traditionelle Praxis, dass staatliche Förster nicht nur für den Staatswald zuständig sind, sondern auch für Flächen im Eigentum von Kommunen und Privatpersonen. In Baden-Württemberg kümmert sich der sogenannte Landbetrieb Forst-BW um den Zustand der Wälder - und verkauft gleichzeitig das geschlagene Holz an Sägewerke und andere verarbeitende Betriebe. Dieses System der "Einheitsforstämter" finden sowohl die Waldeigentümer als auch Naturschützer gut. Aber nicht das Bundeskartellamt. Dieses sieht einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und fordert vom Land eine Umstrukturierung. Gegen diesen Bescheid zog die Landesregierung vor Gericht - und scheiterte. Das OLG spricht von einem "verbotenen Vertriebskartell, das den freien Wettbewerb verfälscht".

Die OLG-Entscheidung ist nicht nur eine Ohrfeige für die grün-schwarze Landesregierung, sondern auch für die schwarz-rote Koalition im Bund. Denn der Bundestag hatte noch versucht, den Ländern mit einer Gesetzesänderung im Dezember beizuspringen. Doch das OLG zerfetzte das neue Bundeswaldgesetz quasi in der Luft: Die Bundesrepublik habe keine Regelungskompetenz für das europäische Kartellverbot, teilten die Richter trocken mit. Deshalb sei die kurzfristig aus dem Boden gestampfte Lex Baden-Württemberg "europarechtswidrig und nicht zu beachten".

Baden-Württembergs Minister für ländlichen Raum, Peter Hauk (CDU), will das Urteil nicht akzeptieren. Er kündigt eine Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof an. "Dieser Beschluss zerschlägt ein funktionierendes System der öffentlichen Daseinsvorsorge und degradiert den Wald zum bloßen Wirtschaftsgut." In den Wäldern gehe es nicht nur um "Holzprodukte", sondern vor allem um den "Schutz von Arten, Böden, Wasser, Klima und Ressourcen." Notfalls werde er bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. "Viele andere Bundesländer fühlen sich ebenfalls betroffen", sagt der Minister. "Diesen Musterprozess führen wir gerne." Der Frankfurter Kartellrechtler Dario Struwe von der Kanzlei FPS bewertet Hauks Chancen vor dem BGH als "eher schlecht". Die Argumentation der Landesregierung überzeuge nicht. "Das wäre das Gleiche, wenn Daimler und BMW eine Vertriebs-GmbH gründen und ihre Autos zum gleichen Preis anbieten."

Ob Bretter im Baumarkt jetzt billiger werden? Minister Hauk prophezeit eher steigende Preise, weil jeder kleine Waldbesitzer sein Holz selbst vermarkten müsse und der logistische Aufwand für die Sägewerke steige. "Unser Bestreben war immer, den Wettbewerbsnachteil der kleineren Besitzer auszugleichen", beteuert Hauk. Ob der BGH dieser Argumentation folgen wird, steht wohl frühestens in zwei Jahren fest.

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