Offshore-Skandale in den USA:Reich und unbehelligt

DENISE RICH AT NEW YORK RADIO STATION PARTY

Denise Rich (hier ein Archivbild aus dem Jahr 2001) gehört zu den prominentesten amerikanischen Offshore-Kunden.

(Foto: REUTERS)

Tausende Amerikaner legen ihr Geld in Steueroasen an. Prominentestes Beispiel ist die Liedermacherin Denise Rich. Doch die Amerikaner lässt das seltsam kalt - und es gibt einflussreiche Stimmen, die Steueroasen verteidigen.

Von Moritz Koch, New York

Es war das Ende der Ära Clinton. Die Mitarbeiter im Weißen Haus waren damit beschäftigt, den Buchstaben W aus Computertastaturen herauszubrechen - ein Willkommensgruß an den künftigen Hausherrn George W. Bush -, da machte sich der Noch-Präsident daran, die letzte Affäre seiner affärengeschüttelten Amtszeit loszutreten: Einen Tag vor seinem Abtreten begnadigte Bill Clinton den prominenten Rohstoffhändler und flüchtigen Steuerbetrüger Marc Rich.

Im Hintergrund, so hieß es später in einem Kongress-Bericht, habe Richs Ex-Ehefrau, die Musikerin Denise Rich, die Fäden gezogen. Mit Wahlkampfspenden und Zuwendungen an die Bibliothek, mit der sich Clinton in Arkansas ein Denkmal setzte, soll sie den Präsidenten beeinflusst haben.

Jetzt, zwölf Jahre später, steht Denise Rich wieder in den Schlagzeilen. Die Songschreiberin, die einst Hits für Aretha Franklin und Jessica Simpson komponierte, zählt zu den prominentesten der fast 4000 Amerikaner, deren Namen in den Offshore-Leaks-Dateien auftauchen. Die Dokumente sind dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in die Hände gefallen und werden von der Süddeutschen Zeitung und anderen Medien gesichtet.

Rich soll 144 Millionen Dollar in einer Stiftung auf den Cookinseln angelegt haben, einer Steueroase in der Südsee. Ob das Geld legal oder illegal auf die Insel geschafft wurde, ist unklar. Rich lehnt Interviewanfragen ab. Auch dem Zugriff der Steuerbehörde IRS versucht sie sich zu entziehen: Sie hat vor ein paar Jahren ihre amerikanische gegen die österreichische Staatsangehörigkeit eingetauscht.

US-Bürger sind in den USA steuerpflichtig, wo immer sie auch leben. Daher ist es für wohlhabende Amerikaner nicht ungewöhnlich, ihren Pass abzugeben. Zuletzt hatte der Facebook-Mitgründer Eduardo Saverin versucht, auf diese Weise die IRS abzuschütteln. Auch der Autor und Großerbe James R. Mellon, dessen Familienclan Großunternehmen wie Gulf Oil und Mellon Bank aufgebaut hat, will lieber Brite als Amerikaner sein. Auch sein Name findet sich in den Offshore-Dokumenten. Doch anders als Denise Rich bekennt Mellon sich offen dazu. Er habe eine "ganze Reihe" von Offshore-Firmen besessen, um Steuern zu sparen, aber nie gegen ein Gesetz verstoßen: "Nicht jeder, der ein Offshore-Konto besitzt, ist ein Betrüger."

Um die legale Steuertrickserei wird in den USA seit Jahren gestritten. Doch die Berichterstattung über die Offshore-Oasen hat in Washington nicht annähernd so große Wellen geschlagen wie in Paris oder Berlin. Ein Grund dafür ist, dass sich Amerika noch vom Getöse des Wahlkampfs erholt. Mitt Romney, der steinreiche Kandidat der Republikaner, hatte nach langem Zögern Steuerdokumente veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass er Teile seines Vermögens auf den Kaimaninseln in der Karibik geparkt hat. Ein Steuersparmanöver, das Romney viel Kritik einbrachte.

Stimmen, die Steueroasen verteidigen

Nach den aufgeregten Debatten des vergangenen Herbsts hat sich nun eine gewisse Offshore-Müdigkeit eingestellt. Hinzu kommt, dass einige der dreistesten Steuersparer schon vor Jahren als Betrüger enttarnt und verurteilt wurden. Da ist der milliardenschwere Hedgefonds-Manager Raj Rajaratnam, der sich "König der Könige" nannte und als Insiderhändler ins Gefängnis kam.

Und da ist Raubtierkapitalist Paul Bilzerian, der in den Achtzigerjahren auf Firmenjagd ging und in den Neunzigerjahren eine Haftstrafe wegen Verstößen gegen Wertpapiergesetze abbüßte. Auch die spektakulärsten Betrugsfälle der vergangenen Jahre haben ein Schlaglicht auf die Schattenwelt der Steueroasen geworfen: Die Milliardenschurken Bernard Madoff und Allen Stanford bedienten sich raffiniert konstruierter Offshore-Konten, um die Behörden auszutricksen.

Unter Präsident Barack Obama haben die USA Steuerbetrügern den Kampf angesagt. Das bekamen vor allem die Schweizer Banken zu spüren, die vermögenden US-Kunden bei illegalen Geldtransfers behilflich waren. Mit der Drohung, den Finanzkonzernen die Zulassung zu entziehen, knackte die IRS das legendäre Schweizer Bankgeheimnis.

Zudem wurden US-Bürger mit dem Foreign Account Tax Compliance Act von 2010 verpflichtet, ihr Auslandsvermögen offenzulegen. Nur zu gern würde die Regierung weitere Schlupflöcher schließen. Am Dienstag gab der neue Finanzminister Jack Lew einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble die Marschrichtung vor: "Wir wollen gemeinsam sicherstellen, dass Transparenz herrscht und dass Steuergesetze eingehalten werden."

Doch es gibt in den USA auch Stimmen, die Steueroasen verteidigen. Einflussreiche Stimmen, die sich besonders in republikanischen Kreisen Gehör verschaffen. Der Widerstand gegen Steuergesetze ist tief im fundamentalfreiheitlichen Gedankengut verwurzelt, welches das Denken der amerikanischen Rechten bestimmt. Das libertäre Center for Freedom and Prosperity übernimmt in Washington die Interessenvertretung für die verrufenen Schatzinseln. Der Standpunkt der Offshore-Lobbyisten: Internationaler Steuerwettbewerb ist wünschenswert, nur er kann die unersättliche Geldgier westlicher Wohlfahrtsstaaten bändigen. Die Welt braucht demnach nicht weniger Steueroasen, sondern mehr.

Weil sich Demokraten und Republikaner im Kongress jedoch gegenseitig blockieren, bleibt erst mal alles, wie es ist. Aus Sicht der Superreichen und der Großkonzerne ist das auch gut so. Nach wie vor ist das US-Steuerrecht mit Schlupflöchern gespickt. Unternehmen können sich arm rechnen, und Milliardäre kommen in den Genuss von Ministeuersätzen, wenn sie ihre Einkünfte als Kapitaleinkommen ausweisen. Experten des Tax Justice Network bezeichnen die Vereinigten Staaten daher selbst als Steueroase. Vor allem Delaware, ein Landfleck an der Ostküste, hat sich als Domizil für Steuer-Optimierer einen Namen gemacht. Nebenbei: Der Bundesstaat ist die Heimat von Obamas Vize Joe Biden.

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