Offshore-Leaks:Warum illegal werden muss, was nicht legitim ist

Die Offshore-Leaks empören die deutsche Öffentlichkeit. Das zeigt: Auch legale Steuer-Schlupflöcher sind mittlerweile nicht mehr gesellschaftlich akzeptiert. Die Politik kann nun einen Weg finden, damit das Illegitime auch tatsächlich illegal wird.

Ein Kommentar von Bastian Obermayer

Die Problematik der Steueroasen ist seit Jahrzehnten bekannt. Und dennoch erzeugten die weltweiten Offshore-Leaks-Veröffentlichungen einen immensen Druck auf viele Länder, die im Ruf stehen, ausländischen Bürger bei Steuertricksereien zu helfen.

Dieser Druck hat dazu beigetragen, dass Länder wie Luxemburg und Österreich wohl schneller als gedacht ihre Blockadepolitik in Sachen Steuerauskunft aufgeben werden. Wer der Frage nachgeht, warum dies geschehen konnte, wird nicht bei den Einzelfällen landen. Zwar gerieten Präsidenten, Premierminister, Abkömmlinge von Diktatoren und notorische Steuervermeider in Erklärungsnot, und die prominenten Fälle waren auch mitverantwortlich dafür, dass das Datenleck diese enorme Aufmerksamkeit erfuhr. Aber Namen tauchen auf und verschwinden wieder.

Die Namen waren nicht das Besondere, das Neue an Offshore-Leaks. Neu war die schiere Masse der Daten. 260 Gigabyte mit 2,5 Millionen Dokumenten, in denen sich 130.000 Menschen aus 170 Ländern fanden - dieser unheimliche Datenwust, der trotz der internationalen Kooperation von Medien und Journalisten aus 46 Ländern noch nicht ansatzweise abgearbeitet oder ausrecherchiert ist. Alles, was bisher bekannt wurde, ist lediglich der derzeitige Stand.

Der Datenwust weckt nicht nur die Begehrlichkeiten der Steuerbehörden, sondern auch gewisse Erwartungen, die er vermutlich nicht einlösen kann - nämlich dass ein prominenter Name nach dem anderen als Steuerbetrüger enttarnt werde.

Ein enttarntes System kann nicht wieder verschwinden

Denn die eigentliche Stärke des Materials liegt an anderer Stelle: Erstmals war es möglich, den blickdichten Vorhang der Anonymität wegzureißen, hinter der sich die Welt der Steueroasen verbirgt, und so die Mechanismen der Offshore-Industrie im Detail freizulegen. Und ein enttarntes System kann nicht wieder verschwinden. Man kann es jetzt studieren und verstehen und weiß vielleicht besser, wo sich die Hebel ansetzen lassen.

Was der Vorhang nun nicht länger verdecken konnte, war nicht nur die helfende Hand der Banken oder die Rundumbetreuung von spezialisierten Anwälten. Sondern vor allem eine Abgeklärtheit und Routine aufseiten aller Beteiligter, die auf jahrzehntelanger Duldung dieser Geschäfte gründet.

Dabei geht es nicht nur um Steuerhinterziehung, die illegal ist und in den meisten Ländern strafbewehrt. Es geht auch um das völlig legale Minimieren der Steuerlast über komplizierte Konstruktionen.

Wer den illegalen Weg wählt, wird es schwerer haben

Wer den illegalen Weg wählt und heimlich Firmen in nahen oder entlegenen Steueroasen gründet, wird es in Zukunft schwerer haben. Dafür sorgt auch jene Dynamik, die seit der Enthüllung des Offshore-Leaks immer weiter zugenommen hat, siehe Luxemburg, siehe Österreich.

Aber auch der legale Weg - und das ist eine Entwicklung aus jüngerer Zeit - ist in Deutschland mittlerweile nicht mehr gesellschaftlich akzeptiert. Das zeigt die Empörung, die seit Tagen das Land erfasst hat - und die auch durchaus berechtigt ist. Eine Menge der aufgedeckten Geschäfte in Steueroasen war legal.

Es ist zum Beispiel legal, den wahren Besitzer hinter Scheinfirmen und Scheindirektoren zu verstecken, und es ist auch legal, dass Tausende Firmen auf dem Papier in einem einzigen Haus residieren, um Steuern aus dem Weg zu gehen. Und das sind nur zwei von sehr vielen Tricks. Man stört sich zurecht daran, aber solange die Politik keine Handhabe findet, werden auch deutsche Konzerne solche Schlupflöcher weiterhin nutzen.

Kubickis Satz als Herausforderung

"Was legal ist, muss auch legitim sein", sprang der FDP-Mann Wolfgang Kubicki, selbst Anwalt, den oft gescholtenen Steuerminimierern kürzlich in einer Talkshow bei. Ein Satz, der bei derzeitiger Lage falsch klingt. Zu viele Schlupflöcher erlauben es, zum Schaden der Allgemeinheit Steuerbelastungen zu minimieren, und diese Tricks möchte man nur ungerne als legitim bezeichnen. Aber: Tatsächlich sollte als legitim gelten, was legal ist.

Deswegen muss es jetzt gelten, den Satz Kubickis als Herausforderung zu sehen: Aus dem offensichtlich Illegitimen muss das gesetzlich Illegale werden. Moralische Appelle sind sinnlos, nicht die Einzelnen kann man verändern, sehr wohl aber das System. Wenn Offshore-Leaks nun dazu beigetragen hat, dieses Thema auf der Agenda nach oben zu rücken, ist damit mehr erreicht, als wenn noch drei, vier oder fünf spektakuläre Fälle mehr aufgedeckt worden wären.

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