Offshore-Geschäfte:Schweizer Anwälte helfen Super-Reichen

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Beliebte Steueroase: Vanuatu

(Foto: REUTERS)

Banken sind längst nicht die einzigen Partner: Hunderte Schweizer Anwälte haben vermögenden und oft prominenten Kunden geholfen, zwielichtige Briefkastenfirmen und Trusts in Steueroasen aufzusetzen. Das Offshore-Geschäft war für die Anwälte ein "Nationalsport", sagen Insider.

Von Catherine Boss, Bastian Obermayer, Titus Plattner und Oliver Zihlmann

Die Kunden kommen aus der ganzen Welt: die Rothschild-Dynastie aus Frankreich, die Thyssen-Bornemiszas aus Spanien, eine schwerreiche Industriellenfamilie aus Indien, der gebürtige Deutsche Gunter Sachs und der italienische Filmproduzent Goffredo Lombardo, der den Film "Der Leopard" mit Burt Lancester und Alain Delon produzierte. Sie alle sind an Firmen oder Trusts in Steueroasen beteiligt, und vertreten wurden sie bei ihren fragwürdigen Ofshore-Geschäften jeweils von Anwälten, die alle aus nur einem Land stammen: aus der Schweiz.

Nach den Schweizer Banken sind jetzt auch die Schweizer Anwälte dran. Diese einfache Formel bringt auf den Punkt, was die Süddeutsche Zeitung gemeinsam mit der Schweizer SonntagsZeitung in den Datenbeständen des Offshore-Leaks recherchiert hat. Die Vorwürfe gegen Banken wie die UBS oder die Wegelin, bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben, sind bekannt. Die nun vorliegenden Dokumente belegen im Detail, dass auch zahlreiche Anwälte sich zumindest im Graubereich aufhielten, als sie ihre vermögenden Kunden in Sachen Offshore berieten - und einige von ihnen womöglich auch darüber hinaus.

Das kann für die Anwälte einige unangenehme Folgen haben, sagt Beat von Rechenberg, der Präsident des Schweizerischen Anwaltsverbandes: "Wer Dutzende Offshore-Gesellschaften für vermögende Ausländer einrichtet, hat natürlich ein Risiko, dass er zum Ziel ausländischer Steuerfahnder wird", sagt er.

Insgesamt finden sich in den Daten weltweit etwa 12.000 sogenannte Finanzintermediäre, also Anwälte, Treuhänder sowie Vermögens-, Bank- und Steuerberater. Unter ihnen auch etliche deutsche, vor allem aber Hunderte aus der Schweiz, etwa aus Zürich, St. Gallen oder Genf. Alleine von Genf aus haben etwa vierzig Anwälte und Finanzintermediäre hunderte Trusts und andere Gesellschaften im Pazifik und der Karibik errichtet.

Die Kanzlei mit den prominentesten Kunden auf den Cook-Islands und den Britischen Jungferninseln ist das Züricher Büro von Lenz & Staehelin. Ihre Anwälte gründeten rund 30 Firmen und Trusts für Elie de Rothschild, Carmen Thyssen-Bornemisza und Gunter Sachs.

Für die Geschäfte Sachs' interessiert sich nun die Steuerbehörde Bern, wo Sachs in seinen letzten Jahren wohnte. "Aufgrund der Hinweise wird die Steuerverwaltung das Dossier von Gunter Sachs nochmals prüfen und mit den ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten und Mitteln allenfalls Maßnahmen ergreifen", sagt eine Sprecherin.

Die Behörde wird sich speziell auch für Sachs' Kunstwerke interessieren. Ihr Wert wird im von den Schweizer Anwälten verfassten Erbschaftsinventar vom Juli 2012 auf 48 Millionen Schweizer Franken geschätzt. Obwohl ein Teil seiner Sammlung ein paar Wochen vor der Abgabe des Inventars bei Sotheby's in London verkauft wurde, und zwar für insgesamt 62 Millionen Franken. 14 Millionen mehr als die Nachlassverwalter - der Lenz & Staehelin-Mann Peter Hafter und ein Münchner Anwalt - sechs Wochen später für die gesamte Kunstsammlung veranschlagten. Allein ein Selbstbildnis von Andy Warhol hatte acht Millionen Franken eingebracht, ein Warhol-Portrait von Brigitte Bardot 4,5 Millionen.

Sachs' Anwalt selbst warnte, dass "Trusts der Steuerumgehung dienen"

Die Konstruktion im Fall Sachs war ganz ähnlich wie die im Fall von Elie de Rothschild: Bei beiden wurden Briefkastenfirmen gegründet, die wiederum als Vertraute, als Trustees, für einer Reihe von Trusts agierten. Diese Trusts, eine Art Stiftung, sind von außen undurchsichtigen Gefäße, in die man Gelder oder Immobilien packen kann.

Die Gründung eines Trusts ist nicht illegal. Aber ein Trust ist ein ideales Vehikel, um Vermögen zu verstecken, zum Beispiel vor den Steuerbehörden. Tatsächlich haben die Behörden praktisch keine Chance, solche Geldanlagen zu finden, wenn sie nicht deklariert sind, erklärt Christian Wanner, Präsident der Kantonalen Finanzdirektoren der Schweiz.

Das wissen auch die Anwälte. Und wohl auch, dass ihnen Konsequenzen drohen, wenn man ihren Mandanten Straftaten nachweisen kann. Es hilft dann wenig, sich darauf zu berufen, man habe nicht gewusst, was der Kunde damit gemacht habe. "Derartige Konstruktionen macht man nicht aus Selbstlosigkeit", sagt Christian Wanner.

Bis vor nicht allzu langer Zeit galt die Hilfe zur Steuerhinterziehung unter Schweizer Anwälten als wenig problematisch. Erst recht nicht, wenn es um Steueroasen ging. "Solche Offshore-Konstruktionen aufzubauen war lange Zeit ein Nationalsport", sagt ein Genfer Universitätsprofessor und ehemaliger Anwalt, der seinen Namen nicht nennen möchte.

Mittlerweile allerdings habe ein Paradigmenwechsel bei vielen Anwälten eingesetzt - wohl auch durch den internationalen Druck. "Unversteuertes Geld zu verwalten wird unpopulär", sagt Beat von Rechenberg, der Präsident des Schweizerischen Anwaltsverbandes. Allerdings will es das Schweizer System so, dass bei Anwälten nur geprüft wird, ob sie Gelder aus Straftaten annehmen - nicht aber, ob es hinterzogen ist. "Wenn Sie als Schweizer Finanzintermediär von einem reichen, ausländischen Unternehmer aus seinem Privatvermögen eine Million Franken für eine Offshore-Gesellschaft erhalten, dann ist das zwar wohl kaum Geld aus einem Delikt - aber der Schluss liegt nahe, dass es hinterzogen ist", sagt von Rechenberg.

Ähnlich äußerte sich im Februar 2010 ausgerechnet Peter Hafter, jener Lenz & Staehelin-Anwalt, der zum Beispiel im Fall Sachs die Federführung inne hatte, in einem Interview mit der Schweizer Sonntagszeitung: "Nicht alle Stiftungen und Trusts mit Bankkonten in der Schweiz dienten der Steuerumgehung - aber doch wohl die Mehrzahl." Nur eben nicht die, die er selbst eingerichtet hat, sagt er nun. Die Ermittlungen der Berner Steuerbehörden werden zeigen, ob das stimmt.

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