Offshore-Geschäfte:Reichtum allein ist nicht böse

A racegoer walks with his hat to the second day of horse racing at Royal Ascot in southern England

Reiche haben Geld - und geben es etwa beim Pferderennen aus, beispielsweise hier in Ascot

(Foto: REUTERS)

Nicht alles, was ungewöhnlich ist, ist auch verboten. Und: Wohlstand, auch großer Wohlstand ist ein Ergebnis von Freiheit. Was dagegen verboten ist, ist der Gesetzesverstoß. Wer die Steueroasen austrocknen will, dem bleibt nur ein mühsamer Weg.

Ein Kommentar von Marc Beise

Das Jahr hat 365 Tage, meistens, und der Mensch ist so geschaffen, dass in der Erinnerung die meisten Tage nicht überleben, zumal nicht bei öffentlichen Ereignissen. Ausnahmen bestätigen die Regel, Kennedys Ermordung, der erste Mann auf dem Mond, der Mauerfall, die Terrorattacke auf die Türme des World Trade Centers. Der 4. April 2013 könnte so ein Tag für die Ewigkeit werden. Nicht als Datum, das wird sich nicht einprägen, aber als Ereignis. Der Tag, an dem 260 Gigabyte Material an die Öffentlichkeit kamen. Eine gewaltige Datenmenge, 2,5 Millionen Dokumente in einem Umfang, der mehr als einer halben Million digitalisierter Bibeln entspricht.

Die Veröffentlichung des Materials wird den Umgang mit den sogenannten Steueroasen maßgeblich verändern. Es sind, wie so oft, konkrete Ereignisse und Personalisierungen, die Prozesse in Gang setzen. Im Kern sind es zwei Typen, die im Mittelpunkt der Geschehnisse stehen: Hier die Geldgeber wie Gunter Sachs, mit dem die Enthüllungen am Donnerstag begannen. Dort die Mittelsmänner, Helfer und Verwalter der Gelder. Beide zusammen bewegen Millionen von einem Konto zum anderen und rund um die Welt. Wer ihnen das Handwerk legen will, muss klären: wem genau und warum?

Denn das ist eine Erkenntnis der Fälle, die jetzt ausgebreitet werden: Nicht alles, was ungewöhnlich ist, ist verboten. Und auch dies gilt: Reichtum allein ist keine Schande. Das wird manchmal vergessen, ist aber wichtig festzuhalten. Wäre nämlich jeder Reichtum verwerflich, dann müsste man ihn konfiszieren, wo es nur geht, dann muss jeder Politiker, der das nicht tut, als Handlanger des Systems stigmatisiert werden. Das wäre vor allem ein Glaubwürdigkeitsproblem für die eher linken Parteien und Politiker, die - sobald sie in Regierungsverantwortung sind - eben dies nicht tun.

Und es zu Recht nicht tun, weil eben nicht jeder Reichtum böse ist. Wohlstand, auch großer Wohlstand ist ein Ergebnis von Freiheit. Wer sich anstrengt, wer einen Markt hat, wer erbt, wer einfach Glück hat, der darf reich sein. Ebenso wäre es widersinnig, in einer globalisierten Welt mit offenen Grenzen ein Verbot durchsetzen zu wollen, Geld offshore zu investieren, es über Grenzen laufen zu lassen, Anwälte und Treuhänder zu beschäftigen, die das Geschäft beherrschen.

Was dagegen verboten war, ist und bleiben muss, ist der Gesetzesverstoß. Geld verdienen mit illegalen Geschäften, mit Waffen, Rauschgift, Korruption. Und dem Staat vorzuenthalten, was ihm zusteht, sprich: Steuern zu hinterziehen. Hier muss der Staat seine Anstrengungen verstärken.

Freilich müssen entsprechende Forderung realistisch sein. Der Ruf nach einem "deutschen FBI", so wie es jetzt auch der Staatssekretär des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble fordert, wird nicht viel bringen. Das Problem sind weniger die Ermittlungen hierzulande, es sind vor allem die Regeln in den Zielländern des Geldes. Steueroasen sind souveräne Staaten. Mit deutscher Polizeigewalt kommt man da nicht weit. Wer die Steueroasen austrocknen will, wird den mühsamen Weg weitergehen müssen, den die OECD seit einigen Jahren - übrigens mit wachsendem Erfolg - beschreitet: Land für Land zu Vereinbarungen kommen, die es den Geldgebern und ihren Verwaltern zunehmend schwer und unattraktiv machen, dort ihr Geld anzulegen.

Leider ist Geld flüchtig, und der Grund für manchen Fahndungserfolg, die moderne Datentechnik, hat eine unerfreuliche Kehrseite: Geld ist noch flüchtiger geworden. Deshalb werden Strafverfolger und Gesetzgeber solange häufig zweiter Sieger sein, wie es nicht gelingt, an der Wurzel des Übels anzusetzen: beim Bewusstsein derer, die das Geld haben oder verwalten.

Das Beste zum Schluss: Genau das passiert. Immer mehr Steueroasen erkennen, dass ihr Geschäftsmodell sich auf Dauer nicht mehr rechnet. Im Fürstentum Liechtenstein hat diesbezüglich in den vergangenen Jahren ein wahrer Kulturwandel stattgefunden. Die Schweiz und Luxemburg sind gewarnt. Zypern und Irland erkennen in Zeiten der Finanz- und Eurokrise die Fragilität ihres Geschäftsmodells. Selbst mit den Cook-Inseln wird es einen Informationsaustausch geben. Die Welt ändert sich, sehr langsam zwar, aber dafür nachhaltig.

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