Offenbarungseid bei Premiere:Eine Million Kunden in Luft aufgelöst

Einst tönte Premiere, mehr als vier Millionen Kunden zu haben - nun stellt sich heraus, dass es nur 2,4 Millionen direkte Abonnenten gibt.

Caspar Busse und Hans-Jürgen Jakobs

Vom Münchner Abofernsehbetrieb Premiere ist man seit einiger Zeit viel gewöhnt. Aber was am späten Donnerstagabend per Ad-hoc-Mitteilung verkündet wurde, setzt ganz neue Maßstäbe: Wie von Zauberhand verschwanden fast eine Million Abonnenten.

Offenbarungseid bei Premiere: Schlechte Zeiten für Premiere

Schlechte Zeiten für Premiere

(Foto: Foto: ddp)

Die Börse war da bereits geschlossen und konnte nicht mehr reagieren - das war wahrscheinlich auch gut so. Am Freitagmorgen dann verlor die Aktie im M-Dax um die Hälfte an Wert und notierte bei lediglich fünf Euro. Es gebe nun nur noch 2,4 Millionen direkte offizielle Abonnenten, verkündete Premiere unter dem neuen Chef Mark Williams und kündigte zugleich einen hohen Verlust an. Bisher hatte der bereits ausgeschiedene Premiere-Chef Michael Börnicke - trotz aller öffentlichen Vorwürfe - immer von insgesamt mehr als vier Millionen Kunden gesprochen.

Der Schluss liegt nahe, dass die Zahlen möglicherweise schon lange deutlich geschönt sind. Am Donnerstag musste auch Finanzvorstand Alexander Teschner sein Amt mit sofortiger Wirkung niederlegen: Er arbeitete seit langem in der Finanzabteilung von Premiere. Übergangsweise übernimmt Premiere-Vorstandschef Williams auch dieses Amt. Der Manager des neuen Hauptaktionärs Rupert Murdoch (News Corporation) macht tabula rasa; weitere Umbesetzungen sind zu erwarten.

Allem Anschein nach wurden die Murdoch-Leute aufgeschreckt durch die Recherche einer Zeitschrift. Ein alter Premiere-Vertriebsbericht kreist im Markt und impliziert offenbar, dass die Abonnentenzahlen schon vor dem Börsengang Anfang 2005 überhöht waren. Damals gelang dem geschäftsführenden Gesellschafter Georg Kofler trotz jahrelanger Verluste das Kunststück, von freien Aktionären viel Geld für sein Premiere zu bekommen. Nun werden im Umfeld der Firma Klagen erwartet, da zum Beispiel Werbekunden im Vertrauen auf die vielen Kunden Spots schalteten.

Alles nur eine Luftnummer

Seit einigen Wochen bereits mistet Neu-Chef Williams kräftig aus. Was er dabei entdeckt, dürfte ihn entsetzen. Murdoch, der Anfang des Jahres bei Premiere einstieg und seitdem auf mehr als 25 Prozent aufgestockt hat, ist verärgert und fühlt sich getäuscht. "Schlimm sind schlechte Zahlen", heißt es in Branchenkreisen: "Noch schlimmer aber sind falsche Zahlen."

Die Revision der Zahlen ist mehr als ein herber Schlag - es ist ein Offenbarungseid. Laut der schockierenden Mitteilung von Premiere werden nun insgesamt 606.000 Abonnenten herausgerechnet, weil diese nur aus Verträgen mit Partnern bestünden und bisher nicht zu Abos geführt hätten. Wie das geht?

Lesen Sie auf Seite zwei, wie kreativ Premiere im Umgang mit den Abonnentenzahlen war.

Eine Million Kunden in Luft aufgelöst

Zum Beispiel, indem Premiere für zwei Millionen Euro Anzeigen in einer Zeitschrift schaltet, und diese Zeitschrift wiederum im Gegenzug für zwei Millionen Euro sogenannte "Flex"-Cards kauft, mit denen man einzelne Premiere-Filme bestellen kann. Das wurde in diesem Fall als 200.000 Abonnenten gezählt. Leider aber ergab sich kein Umsatz. Es floss nicht ein müder Euro. Alles nur eine Luftnummer.

Premiere teilt beim großen Reinemachen des weiteren mit, 334.000 Abonnenten hätten zwar noch eine Smartcard, aber keine Verträge mehr und würden auch nicht mehr zahlen. Es sind damit Karteileichen gemeint, alte Kunden, die keine Lust mehr auf Premiere hatten und trotzdem als Abonnenten gezählt wurden.

Weitere 704.000 aus der einst so groß umrissenen Abonnentenschar sind nach den neuesten Erkenntnissen lediglich sogenannte "Wholesale-Kunden", also auch keine direkten Vollkunden - dabei handelt es sich um Satellitenhaushalte, die einst von der Firma Unity Media für ihr "Arena"-Fußballangebot gewonnen worden waren. 493.000 Kunden wiederum wurden von Unity Media fürs Kabel-TV-Geschäft gewonnen. Später gab "Arena" eigene Pläne auf und kooperierte mit Premiere.

Die Altkader sind fein raus, Murdoch muss sich mit Sondermüll abmühen

Die Zahl der echten Kunden ist beim Münchner Pay-TV-Betrieb insgesamt mit einem Mal beängstigend zusammengeschnurrt. Dabei hatte der vor einigen Wochen geschasste Chef Börnicke vollmundig eine Steigerung auf bis zu zehn Millionen Kunden versprochen. Das war ein Märchen.

Nach dem Verkauf eigener Premiere-Aktien ist er - wie andere Vorstände auch - Millionär. Den Vogel aber schoss der einstige Drahtzieher Kofler ab, der mit einem Kapital von offenbar mehr als 100 Millionen Euro nun eifrig in Firmen investiert, die sich mit Energieeffizienz beschäftigen.

Während der Altkader fein raus ist, muss sich Murdoch mit dem finanziellen Sondermüll abmühen. Sein Top-Mann Williams ist eigentlich Europa- und Asienchef der News Corporation und sitzt in der Geschäftsführung von Sky Italia, einem weiteren Murdoch-Unternehmen. Er kann sich die Mühen in München operativ vermutlich nicht allzu lange antun. In der mit Wucht angelaufenen Sanierung wird eine neue Strategie gesucht.

Die neue Verkündung, dass der Premiere-Konzern für 2008 einen operativen Verlust zwischen 40 und 70 Millionen Euro erwartet, hat die Finanzszene alarmiert. Die Gespräche mit Banken über eine weitere Finanzierung seien bereits aufgenommen worden, heißt es: Man sei zuversichtlich, eine Einigung zu erzielen. Eine Kapitalerhöhung sei nicht geplant, teilte Williams am Donnerstagabend noch mit.

Aber fest steht, es kommen harte Zeiten auf Premiere zu. Wie der klamme Konzern nun im anstehenden Poker um die Bundesligarechte agieren wird, dürfte spannend werden. Wahrscheinlich muss Murdoch seine Schatulle noch ein wenig mehr öffnen.

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