Österreich:Aufschwung mit Schwundgeld

Wie Herr Unterguggenberger, vor langer Zeit Bürgermeister in Wörgl, eine Währung erfand. Und warum sie wieder verschwand.

Von Felicitas Wilke

Es brauchte nicht erst den Euro, um Menschen auf die Idee zu bringen, eine Regionalwährung zu gründen. Während der Wirtschaftskrise der Zwanziger- und Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts verloren in der österreichischen Kleinstadt Wörgl viele Arbeiter ihre Stelle. Das Leben in der Gemeinde stand still, es fehlten Mittel, um Straßen instand zu halten und Schulden zurückzuzahlen. Weil das Geld immer mehr an Wert gewann und die Menschen es zurückhielten statt zu konsumieren, suchte der damalige Bürgermeister Michael Unterguggenberger eine Lösung. Und entwickelte das erste regionale "Schwundgeld". Damit man die Geldscheine weiterhin nutzen konnte, mussten die Bürger von Wörgl jeden Monat eine Marke darauf kleben und dafür ein Prozent des Werts zahlen. Das Kalkül dahinter war schon damals, die Menschen zum Konsumieren zu motivieren. Kurzfristig klappte das tatsächlich: Nach einem guten Jahr war die Arbeitslosigkeit um 16 Prozent zurückgegangen, die Wirtschaft in Schwung gekommen und die Steuereinnahmen waren gestiegen. Ob die Idee langfristig aufgegangen wäre, ist ungewiss. 1933 stoppte die Österreichische Nationalbank die regionale Währungsreform, weil sie dadurch ihr Geldausgabemonopol verletzt sah. Bis heute gibt es in der Kleinstadt in der Nähe der deutschen Grenze kein eigenes Regionalgeld mehr. An die Vergangenheit erinnert höchstens noch eine Komplementärwährung für Jugendliche, bei denen sie für soziales Engagement einen Gutschein bekommen. Ansonsten scheint man sich auch in Wörgl an die gemeinsame europäische Währung gewöhnt zu haben. Auf der Website der Stadt wird jedenfalls für eine Veranstaltung im August geworben: Da parkt der Euro-Bus der Österreichischen Nationalbank im Ort und tauscht verbliebene Schilling in Euro um.

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