Ölpreis:Ölpreis im freien Fall

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Auf dem Gelände einer Recyclingfirma in Hamburg sind Ölfässer gestapelt, um sie später zu reinigen und neu zu befüllen.

(Foto: dpa)

An einigen deutschen Tankstellen kostet der Liter Diesel nur noch 99,9 Cent. Was sind die Gründe? Und was die Gefahren?

Von Claus Hulverscheidt, New York

Die Preise für Benzin und Diesel sind wegen des Überangebots an Rohöl in vielen Staaten auf den niedrigsten Stand seit mehr als sechs Jahren gefallen. An einigen deutschen Tankstellen kostete etwa der Liter Diesel zuletzt nur 99,9 Cent. Benzin ist vielerorts schon für 1,20 Euro, in den USA umgerechnet gar von 50 Cent an zu haben. 100 Liter Heizöl kosten die deutschen Verbraucher nur noch etwa 50 Euro. Fachleute erwarten, dass sich der Abwärtstrend auch im nächsten Jahr fortsetzen wird.

Verantwortlich für den Preisabfall ist das Opec-Kartell

Hauptverantwortlich für das Überangebot ist das Opec-Kartell, dessen Mitglieder erbittert um Marktanteile ringen und sich um die selbst gesetzten Höchstfördermengen nicht scheren. Aber auch andere Produzenten wie die USA und Russland tragen zu der Schwemme bei. Zugleich gehen Bestellungen, etwa aus China, zurück. Vielerorts dämpft auch das ungewöhnlich warme Wetter die Nachfrage. So werden etwa in New York am Wochenende Temperaturen von deutlich mehr als 15 Grad erwartet.

Alle Faktoren zusammengenommen haben dazu geführt, dass der Ölpreis binnen 18 Monaten um mehr als 65 Prozent eingebrochen ist. Ein 159-Liter-Fass der Sorte WTI, das Mitte vergangenen Jahres noch 106 Dollar kostete, war am Dienstagnachmittag zeitweise für 36,64 Dollar zu haben.

Viele Experten halten einen weiteren Verfall bis auf 20 Dollar für möglich, manche schließen gar Preise wie in den 1990er-Jahren nicht aus. Damals kostete das Barrel zeitweise nur noch etwa zehn Dollar.

Der Preisverfall hatte sich beschleunigt, nachdem es die Opec-Staaten am Freitag erneut nicht geschafft hatten, sich auf eine Beschränkung der Produktion zu einigen. So setzt vor allem der Großproduzent Saudi-Arabien darauf, neue Wettbewerber, etwa US-Schieferölfirmen, mit Kampfpreisen wieder aus dem Markt zu drängen.

Die Situation könnte sich für die Anbieter noch verschärfen, denn der einstige Förderriese Iran hat angekündigt, dass er nach dem Nuklearabkommen mit dem Westen und dem Ende der Wirtschaftssanktionen seine Produktion wieder kräftig hochfahren wird.

Für deutsche Autofahrer sind das gute Nachrichten - kurzfristig

Für die deutschen Autofahrer sind das vordergründig gesehen gute Nachrichten. Zugleich steigt allerdings das Risiko, dass es eines Tages zu einer heftigen Gegenbewegung kommen wird. So warnt die Internationale Energieagentur (IEA), dass die Ölindustrie wegen der niedrigen Preise nötige Investitionen unterlasse, was die Produktion in Zukunft verteuern könnte. Zudem würden Anbieter aus dem Markt gedrängt, was die Abhängigkeit von den großen Produzenten des Nahen Ostens erhöhe.

Und auch die Umwelt könnte leiden: In den USA hat sich der Trend zu kleineren, verbrauchsärmeren Autos längst wieder umgedreht, selbst in Europa nimmt die Nachfrage nach amerikanischen Pick-ups deutlich zu. Manche der bulligen Pritschenwagen schlucken auf 100 Kilometer zehn, 15 oder gar 20 Liter Sprit.

Manche Ölfirma wird den Preisverfall wohl dennoch nicht überleben. Viele sind hoch verschuldet, Anleihen werden fällig und neue Kredite teurer. "Diese Ölkrise", so Christopher Helman, Chef der Investmentfirma Chrysalix Energy Venture Capital, "wird die Energieindustrie für immer verändern."

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